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V. Verfahrensdauer

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Das BVerfG hat zwar immer wieder unter Beweis gestellt, dass es in dringlichen Fällen auch binnen weniger Stunden oder Tage – zumindest vorläufig durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung – entscheiden kann.[1] Die Verfahrensdauer vor dem BVerfG kann jedoch im Regelfall nicht vorhergesagt werden. Sie richtet sich verständlicherweise nach der Bedeutung und Dringlichkeit der Angelegenheit, der Belastung des Gerichts bzw. der Kammern und Senate und auch nach der – sehr unterschiedlichen – Belastbarkeit und Befähigung der einzelnen Richter bzw. Berichterstatter sowie deren Interesse an der verfassungsrichterlichen Arbeit.

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Zur durchschnittlichen Verfahrensdauer von Verfassungsbeschwerden in den Jahren 1994–2005 liegen folgende Zahlen vor: 67,6 %: 1 Jahr, 20,3 %: 2 Jahre; 4,6 %: 3 Jahre, 3,1 %: mehr als 4 Jahre; 4,4 % sind anhängig geblieben.[2]

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Über 68 % der in den Jahren 2003–2011 eingegangenen Verfassungsbeschwerden wurde aber innerhalb eines Jahres und über 20 % innerhalb des zweiten Jahres nach ihrem Eingang entschieden. Bei 2 % der Verfassungsbeschwerden betrug die Verfahrensdauer mehr als vier Jahre.

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Die im Regelfall ergehenden Nichtannahmebeschlüsse werden von einigen Kammern nicht selten nach wenigen Wochen erlassen.

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Die Schnelligkeit – aber auch die Aussichtslosigkeit – von Entscheidungen des BVerfG wird erhöht, wenn eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG beantragt wird. Im Jahre 2010 gingen 6.251, und 2011 6.036 Verfassungsbeschwerden ein. Es wurde 2010 132 und 2011 103 einstweilige Anordnungen beantragt, die sich überwiegend auf Verfassungsbeschwerden bezogen.

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Nicht selten sind für die Verfahrens„verschleppung“ auch – für Außenstehende nicht erkennbare – senatsinterne Gründe maßgeblich. Wenn z.B. ein Berichterstatter Schwierigkeiten bei der Findung einer Senatsmehrheit sieht, dann wird gelegentlich das Verfahren einfach nicht vorangetrieben. Als Beispiele seien nur die Verfahren zu den Lebensversicherungen genannt; hier wurde eine Verfassungsbeschwerde im Jahre 1994 erhoben; jahrelang blieb das Gericht untätig und erst am 26.7.2005 erging das grundlegende Urteil.[3] Der bedeutende Notarkassenbeschluss, der ausgelöst wurde durch eine Verfassungsbeschwerde aus dem Jahre 1994, konnte erst – wohl unter dem Druck des Ausscheidens der Berichterstatterin – am 13.7.2004 ergehen.[4] Falls auf Grund senatsinterner Verhältnisse eine verfassungskonforme Entscheidung in der Hauptsache noch nicht möglich ist, behilft sich das BVerfG auch gelegentlich mit der mehrfachen Wiederholung von einstweiligen Anordnungen, um Zeit zu gewinnen.[5]

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Das BVerfG wurde in der Vergangenheit – wie auch wiederholte Rügen des EGMR wegen Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK zeigten[6] – seinem im Hinblick auf die Fachgerichte formulierten Verbot einer überlangen Verfahrensdauer bzw. dem – in Beschlüssen zur Dauer von Untersuchungshaft formulierten – „Gebot der bestmöglichen Verfahrensförderung[7] oftmals in der eigenen Entscheidungspraxis nicht gerecht. Eine mehrjährige – fünf- oder[8] gar zehnjährige[9] – Verfahrensdauer war – wie angedeutet – keine Seltenheit, so dass sich für ältere oder kranke Beschwerdeführer die Frage stellte, ob noch zu Lebzeiten ein Beschluss ergeht. Dieser Praxis sollte mit der Verzögerungsbeschwerde beim BVerfG ein Riegel vorgeschoben sein.[10]

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