Читать книгу Verfassungsprozessrecht - Michael Sachs - Страница 22
|14|a) Bestellung der Richter
Оглавление46Besondere Bedeutung kommt – wie entsprechend bei allen Verfassungsorganen – der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen eine Person die Stellung eines Richters des BVerfG erlangt. Unmittelbar geschieht dies nach § 10 BVerfGG dadurch, dass der Bundespräsident die Gewählten ernennt.
47Die entscheidende Voraussetzung hierfür ist die in Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG vorgeschriebene Wahl. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass die Mitglieder des BVerfG je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden sollen, setzt § 5 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG dahin um, dass die Richter jedes Senats je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden. Gleichzeitig muss aber die Vorgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG berücksichtigt werden, wonach drei Richter jedes Senats aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt werden müssen. Da sich diese ungerade Zahl nicht gleichmäßig auf Bundestag und Bundesrat verteilen lässt, musste in § 5 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG eine recht komplizierte Regelung getroffen werden, um den angestrebten Proporz richterlicher Mitglieder und die Hälftigkeit der Wahl durch beide obersten Bundesorgane sicherzustellen.
48Die Durchführung der Wahl ist für Bundestag und Bundesrat getrennt geregelt. Dabei ist für beide Organe gleichermaßen vorgesehen, dass die Wahl mit 2/3-Mehrheit zu erfolgen hat (§ 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5, § 7 BVerfGG). Das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit soll sicherstellen, dass nicht eine zufällige Mehrheit die Gelegenheit zur Besetzung der Positionen der Richter des BVerfG in politisch einseitiger Weise ausnutzt. Idealerweise würde die Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit sich dahingehend auswirken, dass nur solche Personen gewählt würden, von deren optimaler Eignung für diese Aufgabe das jeweilige Wahlorgan mit großer Mehrheit überzeugt ist. Die Schwierigkeiten, insoweit zu einer einmütigen Einschätzung zu kommen, führen allerdings in der Praxis eher dazu, dass zwischen den maßgeblichen politischen Kräften Absprachen über eine Besetzung der Richterstellen nach Maßgabe eines parteipolitischen Proporzes stattfinden. Trotz dieser Probleme kann auf das qualifizierte Mehrheitserfordernis kaum verzichtet werden.
49Auch verfassungsrechtlich problematisch war die ursprünglich in § 6 BVerfGG a.F. getroffene Regelung über die Wahl der vom Bundestag zu berufenden Richter. Für diese sah § 6 Abs. 1 BVerfGG vor, dass sie „in indirekter Wahl gewählt“ werden. Dazu wählte der Bundestag gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nach den Regeln der Verhältniswahl einen Wahlausschuss für die Richter des BVerfG, der aus zwölf Mitgliedern des Bundestages besteht. Dieser Wahlausschuss nahm bis 2015 die Wahl der Richter des BVerfG vor, wozu mindestens acht der zwölf Stimmen erforderlich waren. Nach jahrzehntelangem Schweigen hat BVerfGE 131, 230 (234ff.) diese Regelung als verfassungsgemäß qualifiziert; die Begründung mit dem Umstand, dass trotz der verbreiteten Kritik keine korrigierende Verfassungsänderung erfolgt war, ist allerdings kaum überzeugend.
50Kurze Zeit nach der Senatsentscheidung hat der Gesetzgeber aufgrund eines interfraktionellen Gesetzentwurfs unter Hinweis auf die andauernde Kritik im Schrifttum das Wahlverfahren reformiert. Der neue § 6 Abs. 1 BVerfGG von 2015 |15|sieht nun die Wahl der Richter des BVerfG durch den Bundestag (im Plenum) vor; diese sei „jedenfalls verfassungspolitisch […] vorzugswürdig“ (BT-Dr. 18/2737, Begründung A.I., S. 4). Die Wahl ist ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln durchzuführen. Erforderlich ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestags. Der Wahlausschuss bleibt unverändert bestehen; die Wahl erfolgt auf seinen mit mindestens acht Stimmen zu beschließenden Vorschlag hin (§ 6 Abs. 1, 5 BVerfGG).
51§§ 7a, 8 BVerfGG treffen gewisse Vorkehrungen dafür, dass die erforderlichen Wahlen der Richter des BVerfG auch realisiert werden können, was nicht zuletzt wegen der Erfordernisse der qualifizierten Mehrheit keineswegs selbstverständlich ist. Bemerkenswert ist dabei die Regelung, dass im Falle solcher Schwierigkeiten ein Vorschlag des Plenums des BVerfG einzuholen ist, der freilich keine Einschränkung der wählbaren Personen zur Folge hat.
52Neben der Wahl bestehen nur wenige persönliche Voraussetzungen für die Bestellung zum Richter des BVerfG. Namentlich müssen die Richter das 40. Lebensjahr vollendet haben, zum Bundestag wählbar sein und ihre Bereitschaft, Mitglied des BVerfG zu werden, erklärt haben (§ 3 Abs. 1 BVerfGG). Außerdem müssen sie nach § 3 Abs. 2 BVerfGG die Befähigung zum Richteramt besitzen und dürfen nach § 4 Abs. 2 BVerfGG nicht bereits Richter des BVerfG sein oder gewesen sein.
53Hinsichtlich der Inkompatibilität mit der Zugehörigkeit zu Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und entsprechenden Landesorganen gemäß Art. 94 Abs. 1 Satz 3 GG (→ Rn. 27) enthält § 3 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG eine Lösung dahingehend, dass die Ernennung zum Richter des BVerfG das Ausscheiden aus solchen Organen zur Folge hat. Eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Inkompatibilität mit dem Amt des Bundespräsidenten, die sich aus Art. 55 Abs. 2 GG ergibt, enthält das BVerfGG nicht. Eine Lösung müsste hier durch Rücktritt bzw. Entlassung aus einer der beiden Stellungen gefunden werden.
Hinweis: Die Wahl eines amtierenden Bundespräsidenten zum Mitglied des BVerfG ist wenig wahrscheinlich. Demgegenüber hat sich der umgekehrte Fall bei der Wahl des Präsidenten des BVerfG Roman Herzog am 23.5.1994 zum Bundespräsidenten bereits zugetragen.