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b) Rückwirkende und stillschweigende Bestellung des Pflichtverteidigers?

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Üblicherweise bestellt der Vorsitzende des Gerichts der Hauptsache den Verteidiger durch Verfügung. In der Praxis geschieht es jedoch gelegentlich, dass der Vorsitzende trotz eines entsprechenden, über den „Wahlpflichtverteidiger“ gestellten Antrages des Beschuldigten versehentlich die Bestellung unterlässt, obwohl offensichtlich ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.

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Nach wohl noch h.M. in Lit. und Rspr. soll eine rückwirkende Bestellung nach Beendigung des Verfahrens unzulässig und damit unwirksam sein.[69] Nach Beendigung des Verfahrens sei für eine der Wahrung der Belange des Angeklagten dienende Beiordnung eines Pflichtverteidigers denknotwendig kein Raum mehr. Die Rspr. der Landgerichte hat sich – soweit ersichtlich – jedoch erfreulicherweise geschlossen gegen diese Rechtsauffassung gestellt. Sie geht davon aus, dass es weder zu Lasten des Beschuldigten noch seines Verteidigers gehen kann, wenn trotz rechtzeitiger Antragstellung aus justizinternen Gründen eine Bestellung unterblieben ist.[70] Dies gilt selbst in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft entgegen § 141 Abs. 3 StPO trotz Anregung des Beschuldigten oder seiner Verteidigung keinen entsprechenden Antrag im Ermittlungsverfahren gestellt hat.[71] Das OLG Hamm hilft dem Beschuldigten und seinem Verteidiger in der Weise, dass es bei der gesetzlich gebotenen Inanspruchnahme des Verteidigers und gleichzeitiger Nichtbescheidung des Beiordnungsantrages eine konkludente Bestellung des Verteidigers durch den Vorsitzenden annimmt.[72]

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Der Verteidiger darf sich jedoch nicht darauf verlassen, dass sich „sein Gericht“ der im Vordringen befindenden Auffassung anschließt, dass eine rückwirkende Bestellung nach Beendigung des Verfahrens zulässig ist. Er muss vielmehr rechtzeitig vor der Hauptverhandlung seine Beiordnung beantragen und diesen Antrag – sofern noch nicht beschieden – zu Beginn der Hauptverhandlung nachdrücklich erneuern.

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Liegt unzweifelhaft ein Fall notwendiger Verteidigung vor, kann die Nichtbescheidung des Beiordnungsantrages ebenso wie seine Ablehnung die Besorgnis der Befangenheit des Gerichtsvorsitzenden begründen. Daneben hat der Beschuldigte das Recht der Beschwerde (§§ 304 ff. StPO).

Teil 1 Das Mandat des StrafverteidigersII. Die Pflichtverteidigung › 5. Die Rücknahme der Bestellung aus „wichtigem“ Grund

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