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aa) Einseitig gewünschter Pflichtverteidigerwechsel
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Nach der h.M. ist die Bestellung des Pflichtverteidigers „aus wichtigem Grund“ zurückzunehmen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger zerstört ist. Die bloße Behauptung, dass das Vertrauensverhältnis zerrüttet sei, soll nicht ausreichen. Die Rechtsprechung verlangt von dem Beschuldigten einen substanziierten Vortrag dahin, dass vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört ist.[86]
Diese Ansicht ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Nach der st. Rspr. des BVerfG ist das Recht des Beschuldigten, sich vom Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, verfassungsrechtlich verbürgt. Dem ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn dem Verteidigungsverhältnis durch Zerstörung der Vertrauensbeziehung nachträglich der Boden entzogen wird. Die von der Rspr. aufgestellten Anforderungen an die Darlegung der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses sind überspannt. Hier ist ein weitaus großzügigerer Maßstab angebracht.
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Wird der zunächst bestellte Verteidiger wegen Zerstörung des notwendigen Vertrauensverhältnisses entpflichtet, ist dem Beschuldigten sogleich ein von ihm bezeichneter Verteidiger beizuordnen. Dies darf nicht deshalb unterbleiben, weil von einem „Verdrängen“ des bisherigen Verteidigers gesprochen werden kann. Der Anspruch des Beschuldigten auf Verteidigung durch den Verteidiger seines Vertrauens hat – wie bereits mehrfach angeführt – Verfassungsrang. Dieses Recht darf nicht deshalb relativiert werden, um das möglicherweise berufsrechtswidrige Verhalten des neu zu bestellenden Verteidigers zu sanktionieren.[87]