Читать книгу Die Oslo-Connection - Thriller - Olav Njølstad - Страница 14

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Werner fror. Alles war still. Die Beleuchtung war gedimmt, um den kostbaren Schlaf der vielen, zum Teil schwer erschöpften Patienten auf der Postoperativen Abteilung nicht zu stören. Draußen hatten sich die Schießereien und der Lärm der Ausschreitungen beruhigt. Jerusalem schlief.

Es war erst vier Stunden her, dass er eingeschlafen war, und ungefähr genauso lange seit seiner letzten Morphinspritze. Eigentlich hätte er wie ein Stein schlafen und von der jungen Katarina träumen müssen.

Dennoch war Werner aufgewacht.

Nicht abrupt. Nicht, weil jemand seinen Namen gerufen oder ihn wachgerüttelt hatte.

Durch den Nebel des Morphiums ahnte er, dass jemand im Raum war. Ein Schatten in der Nähe des Bettes. Ein schwacher, fast unmerklicher Atemhauch, der nicht der seine war.

Als er vorsichtig die Augen öffnete, sah er zunächst nichts. Aber sobald er sich an das Licht gewöhnt hatte, entdeckte er sie: Naomi Hirsch, die attraktive Krankenschwester mit dem russischen oder slawischen Akzent. Sie stand am Fußende seines Bettes und sah ihn mit großen, neugierigen Augen an. Sie schien besorgt zu sein. Ihre Brüste wölbten sich unter der engen Uniform. In seiner Schläfrigkeit konnte er nicht erkennen, was in ihr vorging. Fast kam es ihm so vor, als funkelte das grüne Auge vor Hass, das braune aber vor Liebe.

Wäre sie nicht so atemberaubend schön, hätte er sich auf der Stelle zu erkennen gegeben und sie gefragt, was anstand.

Aber er sagte nichts.

Schloss stattdessen die Augen. Tat, als ob er schlief.

Sie blieb noch eine ganze Weile vor dem Bett stehen, bevor sie sich leise zurückzog. Den Raum verließ. Der Duft von weißen Lilien hing in der Luft.

Während er dalag und darauf wartete, wieder einzuschlafen, wurde irgendwo in den menschenleeren Straßen vor dem Krankenhausgelände das Feuer eröffnet. Er dachte daran, wie viel Blutvergießen er im Zusammenhang mit seinen halbjährlichen Untersuchungen bei Dr. Adler erlebt hatte. Man konnte fast meinen, dass jeder Arztbesuch – mit all den Röntgenaufnahmen, EKG-Untersuchungen und der Neueinstellung der Medikamente – mit einer neuen Umdrehung der Gewaltspirale zwischen Israel und seinen Feinden zusammenfiel. Katarina und Abrasha, die die ganze Zeit nicht von seiner Seite gewichen waren, hatten alles getan, um ihn von den beunruhigenden Eindrücken abzuschirmen, die einem aus allen Medien und aus Jerusalems Straßen entgegenströmten. Ihre rührende Fürsorge hatte ihn natürlich nicht davon abhalten können, zu beobachten und zu reflektieren. Eher im Gegenteil. Je mehr sie ihn mit der brutalen und beunruhigenden Wirklichkeit verschonten, die sie umgab, desto erpichter war er gewesen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Und je mehr sie ihm versicherten, es würde schon alles gut werden, und dass die Friedensgegner bald endgültig besiegt sein würden, desto stärker waren seine Zweifel geworden. Während der letzten Wochen vor der Operation hatte ihn immer wieder ein und derselbe Albtraum heimgesucht: Der gesamte Nahe Osten ertrank in einer Sintflut aus Blut. Stinkende Flüsse aus Schleim, Urin und Blut strömten durch die Straßen und rissen alles mit, was sich ihnen in den Weg stellte – tote Kinder, verstümmelte Körper, Tierkadaver, religiöse Schriften und Symbole. Überall stiegen die herzzerreißenden Schreie von Millionen von Arabern und Juden zum Himmel, die um ihr Leben liefen, in der Hoffnung, dem roten, reißenden Fluss zu entkommen ...

Er schob die makabren Traumbilder beiseite.

Die Wirklichkeit vor dem Krankenhausgelände war schon erschreckend genug.

Das scharfe Knattern der Maschinengewehre schien gar nicht enden zu wollen. Nur einmal wurde es von einem Schrei und dem dumpfen Knall einer Handgranate übertönt. Er begann zu frieren. Ein vager Gedanke blitzte durch seinen Kopf: Sollte er tatsächlich gesund werden, wollte er in die Stadt gehen – in das wirkliche Jerusalem – und sich mit eigenen Augen ansehen, was dort vor sich ging. Es musste doch einen Grund für all die sinnlose Gewalt geben. Etwas, das er bisher nicht verstanden hatte.

»Sie schicken ihre eigenen Kinder auf die Straße, um den Märtyrertod zu sterben«, hatte Abby gesagt, als sie am Abend vor der Operation auf die Ausschreitungen zu sprechen gekommen waren. »Sie tun nichts, um sie zurückzuhalten. Und hinterher, wenn wir versuchen, die Gewalt in den Griff zu bekommen, beschimpfen sie uns als Kindermörder. Sie haben keinen Funken Scham im Leib!«

Vor zwei Tagen hatte er dem im Großen und Ganzen noch zugestimmt.

Aber nun wusste er nicht mehr so genau, was er eigentlich glaubte. Als er von seinem Bett die Schießerei und das Rufen hunderter mit Stöcken, Steinen und Steinschleudern bewaffneter Jugendlicher hörte, breitete sich die Unruhe in heißen Wellen in seinem Körper aus. Eine Unruhe, deren Ursache er nicht kannte. Nur, dass sie vom Herzen ausging. Von seinem jungen, starken Herzen ...

Die Oslo-Connection - Thriller

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