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Hartmann starrte aus dem Fenster und fragte sich, ob es nicht bald aufhören würde zu schneien. Das Schneegestöber dauerte jetzt schon zwei Tage und führte zu einem infernalischen Chaos draußen auf den Straßen. In den Nachmittagsnachrichten hatten sie über eine Massenkarambolage auf dem Drammensveien und den Totalausfall der Straßenbahnen aufgrund eingefrorener Oberleitungen berichtet. Der einzige Vorteil dieses verrückten Winterwetters war aus Hartmanns Sicht die abschreckende Wirkung auf Terroristen aus wärmeren Gegenden. Vermutlich wollte nicht einmal ein fanatischer Selbstmordattentäter seine letzten Stunden auf Erden unter derart ungastlichen Bedingungen verbringen! Es war der Nachmittag des 17. Februar, und Hartmann hatte gerade seinen ersten Statusrapport an Dahlbo abgeschlossen. Anderthalb Tage, nachdem er die Verantwortung für die Sicherheit beim Mustafa-Besuch übertragen bekommen hatte. Er war zu dem Fazit gekommen, dass sie mit der Arbeit begonnen hatten, aber auch nicht mehr. Die terrorvorbeugende Wirkung des Schneesturms hatte er nicht erwähnt.

Bis jetzt war alles glatter gelaufen, als er es erwartet hatte, und einige der Steine, die für das Bollwerk gebraucht wurden, das um den Staatsbesuch errichtet werden musste, fielen bereits auf ihre richtigen Plätze. Er hatte mit den Zuständigen der amerikanischen und israelischen Botschaften in Oslo gesprochen und mit den Kollegen der Terrorabwehr von Mossad, CIA und MI-6. Alle hatten sie ihre Hilfe zugesagt – gegen gewisse informative Gegenleistungen. So war es immer, wenn man die »Freunde« um Hilfe bat: Gab man ihnen viel, hatte man Anspruch auf Gegenleistungen. Gab man ihnen wenig, musste man froh sein, wenn man überhaupt etwas bekam. Oder wie Dahlbo sich auszudrücken pflegte: Der Austausch sensitiver Ermittlungsergebnisse zwischen zusammenarbeitenden Diensten beweist, dass Naturalien auch heute noch ein durchaus übliches Zahlungsmittel sind.

In allen drei Hauptquartieren mussten die Anfragen aus Oslo als Eilsache behandelt worden sein, denn vor ihm auf dem Schreibtisch lagen bereits die entsprechenden Antworten. Anscheinend wünschte sich nicht nur der PST, dass Mustafa heil wieder nach Hause kam.

Hartmann hatte überdies bemerkt, dass sich die drei Antworten in interessanten Details unterschieden. Im wichtigsten Punkt waren sich jedoch alle einig: Es gab wirklich ernst zu nehmende Hinweise auf eine reelle Bedrohung von Mustafas Sicherheit aus verschiedenen Richtungen, die meisten allerdings aus dem Nahen Osten. Die Hamas wollte ihn als Teil des andauernden Machtkampfes in Palästina nach der Ära Arafat aus dem Weg haben. Auch Syrien würde möglicherweise ein Attentat unterstützen, um ihn daran zu hindern, einen, wie man in Damaskus sagte, verräterischen Separatfrieden mit Israel anzustreben. Aus syrischer Sicht würde Mustafa durch ein solches Friedensabkommen in die gleiche Schublade passen wie seinerzeit nach dem Camp-David-Abkommen der ägyptische Präsident Anwar Saddat – und alle erinnerten sich, was mit ihm geschehen war.

In den Stellungnahmen war man sich überdies einig, dass die Terrordrohungen gegen Skandinavien und Norwegen nicht übermäßig groß waren. Gleichzeitig wurde von allen unterstrichen, dass in den Polizeikreisen der arabischen Welt das Gerücht kursierte, der Anführer des World Islamic Jihad, Salem al-Salem, solle die skandinavischen Länder als Ziel seiner nächsten großen Aktion auserkoren haben. Die drei westlichen Geheimdienste zweifelten derweil daran, dass Salem al-Salem die Kapazität hatte, so weit entfernt von seinem eigentlichen Kerngebiet zuzuschlagen. »Ein Attentat gegen Mustafa in Oslo zu planen«, schrieb der britische Geheimdienst in seiner Antwort, »ist gleichzusetzen mit einem militärischen Angriff gegen einen Widersacher, der sich in höchster militärischer Bereitschaft befindet und damit alle taktischen und strategischen Vorteile auf seiner Seite hat. Das ist eine Arbeit für professionelle Organisationen mit unbegrenzten Ressourcen oder für Menschen mit außergewöhnlichen taktischen Begabungen, wie den Schakal oder den kürzlich verstorbenen Abu Nidal. Salem al-Salem ist vermutlich zu feige, sich einer derart großen Herausforderung zu stellen, und mit einiger Sicherheit zu unbegabt, sie zu meistern, wenn er denn wirklich verzweifelt genug sein sollte, es dennoch zu versuchen.«

Nur in zwei Punkten gab es einen deutlichen Unterschied zwischen den drei Stellungnahmen. Der eine war: Der Mossad machte als einziger Geheimdienst darauf aufmerksam, man könne nicht ausschließen, dass in Mustafas eigenen Kreisen ein Attentat gegen ihn geplant war. Es gäbe eine Reihe Menschen, die bis vor kurzem zu den engsten Vertrauten des Palästinensers gehört hätten, dann aber peu à peu abserviert worden wären – oder sich selbst zurückgezogen hätten –, weil ihnen seine Kompromissbereitschaft gegenüber Israel missfiel.

Auch der MI-6 hatte einen eigenen Standpunkt. Sie wiesen darauf hin, dass es auf israelischer Seite viele gab, die Mustafa am liebsten aus dem Weg hätten. Einige, weil sie ihn für die Verbrechen an den Juden in den 80er und 90er Jahren hassten, an denen er, zumindest indirekt, beteiligt war. In den Augen dieser Israelis klebte so viel Blut an seinen Händen, dass sie niemals reingewaschen werden konnten, nicht einmal mit Gottes Hilfe, und kein Jude mit Selbstachtung konnte deshalb diesem Mann die Hand reichen oder irgendeine Form von Kompromiss mit ihm schließen. »Bei den Vorbereitungen des Staatsbesuches wäre es eine fatale Unterlassung, wenn man in Oslo glaubte, dass die fanatischen Israelis nach der Ermordung ihres eigenen Staatsminister Yitzak Rabin das Interesse daran verloren hätten oder außer Stande seien, einen moderaten palästinensischen Präsidenten wie Mustafa zu töten«, hieß es in der britischen Stellungnahme.

Hartmann entschloss sich, keine Eventualität außer Acht zu lassen. Er wollte nicht einmal ausschließen, dass al-Salem irgendetwas Teuflisches ausbrütete, trotz des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe – oder vielleicht gerade deswegen. Denn wenn es ihm in erster Linie darum ging, die Welt zu schocken oder sich selbst Respekt zu verschaffen, war das die optimale Gelegenheit.

Und dann gab es noch eine Sache, die keinem der drei ausländischen Geheimdienste eine Erwähnung wert gewesen war: die Gefahr eines norwegischen Attentats.

Hartmann sah aus seinem Bürofenster. Das Februardunkel senkte sich langsam über die Stadt, und mit einem Mal beunruhigte ihn der Gedanke, wie viele Menschen in den Mietshäusern, Wohnblocks, Reihenhäusern und Einfamilienhäusern in Oslo und Umgebung wohnten, deren Bewegungen und Gedanken er niemals würde kontrollieren können. Er zweifelte nicht einen Moment daran, dass es unter diesen Hunderttausenden von Menschen auch solche gab, die Mustafa wie die Pest hassten und in einem ganz bestimmten Augenblick etwas vollkommen Verzweifeltes tun konnten. Da halfen auch keine Grenzpolizei, kein Schengen-Abkommen und keine Tipps von ausländischen Partnern. Da half im Grunde nur eins: unerlaubte polizeiliche Überwachung.

Er nahm den Hörer ab und wählte die interne Nummer des Oberkommissars der Sicherheitsanalyse, Gustav Malm.

»Malm«, kam es leise am anderen Ende. »Das Display verrät mir, dass Sie das sind, Hartmann. Was kann ich für Sie tun, das Sie mir heute Mittag nicht beim Essen sagen konnten?«

»Ich brauche ein bisschen Extraunterstützung in Verbindung mit dem Staatsbesuch.«

»Ja?«

»Können Sie die Jungs von der Fahndung und vom Überwachungsdienst bitten, mir eine Liste all jener Personen und Gruppen zu erstellen, die bei uns registriert sind, weil sie einer extremen pro-palästinensischen Vereinigung angehören oder Drohungen gegen solche Organisationen gerichtet haben?«

»Sie wissen doch gut, dass wir wegen so etwas niemanden mehr registrieren.«

»Und Sie wissen, was auf dem Spiel steht.«

»Ich werde mir die Sache mal ansehen. Aber versprechen kann ich nichts.«

»Danke. Ich wusste, dass ich mit Ihnen rechnen kann.« Hartmann lächelte über seine eigene Frechheit. »Und noch was: Schicken Sie mir auch eine Liste aller Personen, die extreme Drohungen gegen norwegische Juden ausgesprochen haben.«

»Warum das denn? Ich dachte, Mustafa käme zu Besuch, und nicht sein israelischer Gegenpart?«

»Das stimmt auch. Aber ich habe erst kürzlich ein Neonaziflugblatt gesehen, auf dem Mustafa als Jüdische Hure‹ betitelt wurde. Ich will von diesen Leuten nicht überrascht werden.«

»Sie werden morgen im Laufe des Tages alles bekommen, was ich habe«, sagte Malm und legte auf.

Hartmann blieb mit dem Hörer in der Hand sitzen. Er war überzeugt davon, dass er irgendetwas Wichtiges zu fragen vergessen hatte.

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