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Werner starrte an die Decke. Am vergangenen Tag hatte er eine immer stärker werdende Unruhe verspürt, insbesondere dann, wenn die Wirkung des Morphins nachließ und die Operationswunde zu schmerzen begann. Es war ein guter Schmerz, fand er. Er erinnerte ihn daran, was für ein Glück er gehabt hatte. Das Ochsenherz war herausgeschnitten worden. Der Gedanke an den Tod, mit dem er in den letzten Jahren gezwungenermaßen ein beinahe intimes Verhältnis gehabt hatte, ließ sich seither endlich auf Distanz halten. Er ging auf die siebzig zu; daran änderte sich leider nichts. In vier Monaten war seine berufliche Karriere definitiv zu Ende. Doch das Alter war eine Sache, Körper und Seele eine andere. Mit dem mutigen, jungen Herz in seiner Brust fühlte er sich seltsam stark. Wüsste er nicht, dass es unmöglich war, hätte er dafür wetten können, dass ihn die Operation auch geistig verjüngt hatte. Auf unerklärliche Weise fühlte er, dass ihn die Schreie und Rufe der jungen Männer auf der Straße – in einer Sprache, die er nicht verstand – etwas angingen und seine Seele berührten. Was trieb sie nur an? Warum waren sie so willig, die Übermacht herauszufordern? Zuzuschlagen, statt die andere Wange hinzuhalten? Zu töten, ohne um Vergebung zu bitten?

In drei Tagen wollte er an die Mittelmeerküste fahren, um wieder zu Kräften zu kommen.

Nur er und Katarina.

Drei Tage. Die Schleuse zwischen Leben und Tod. Wenn es ihm gelang, lebendig durch die nächsten Tage zu kommen, war die Gefahr einer Abstoßung so gut wie vorüber. Dann lag das Alter wie eine endlos grüne Wiese vor ihm, auf der wunderbare Dinge geschehen konnten. Wie ein Kind freute er sich darauf, auf diese Wiese zu laufen und sie gemeinsam mit Katarina zu erforschen. Ab jetzt würde alles anders werden. Sie würden keine Geheimnisse mehr voreinander haben. Sie würden offen sein für die Welt und für einander. Und das Beste von allem: Sie würden mit der Zeit auch wieder zu dem intimen Umgang miteinander zurückfinden, den ihnen sein krankes Herz geraubt hatte!

Oder war der Glaube daran, dass alles anders werden könnte, dass es einen neuen Frühling für Katarina und ihn geben könne, nur eine Illusion? Er hatte Angst, dass es so war.

Die Katarina, die er 1958 in Boston getroffen und mit der er sich ein halbes Jahr später vermählt hatte, war sie nicht eine andere Frau als die, mit der er jetzt nach Ashdod fahren würde? Damals war sie voller Tatendrang und Optimismus gewesen. Obwohl sie eine fleißige Studentin war, strahlte sie eine Wärme und Lebenslust aus, die es zu einem Fest machte, in ihrer Nähe zu sein, vom morgendlichen Aufstehen bei Sonnenaufgang (eine gemeinsame Angewohnheit seit dem Leben im Kibbuz), bis sie um Mitternacht ins Bett fielen – um dann den Schlaf mit heißer Liebe zu verjagen. In den vertraulichen Gesprächen danach erschien sie reflektiert und nachdenklich, ganz ohne die Vorurteile und festgefahrenen Ansichten, die sie heute prägten. Und während sie früher voller Wärme über die internationale Solidarität und die religiöse Toleranz gesprochen hatte, war sie jetzt wie versteinert in ihrem Hass gegen die arabischen Länder und deren Bewohner und Anführer. Er musste es einfach einsehen: Die Katarina, in die er sich während des Laubhütten-Festes der jüdischen Studenten am MIT Hals über Kopf verliebt hatte, gab es nicht mehr.

Wenn es denn nicht noch eine letzte Chance gab; eine Art Schocktherapie, die ihr die Augen öffnete und ihr wenigstens einen Teil ihrer früheren Weitsicht zurückgab? Was würde geschehen, wenn sie beide auf die andere Seite gingen und sich ein Bild davon zu machen versuchten, wie es war, dort zu leben? Gaza war kaum hundert Kilometer von Ashdod entfernt, wo sie seine Rekonvaleszenzzeit verbringen wollten. Also nach norwegischem Verständnis keine wirkliche Entfernung. Doch im Nahen Osten machten diese Kilometer den Unterschied aus zwischen Reich und Arm, Gut und Böse, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Er hoffte, dass Katarina ihm erklären konnte, warum die Grenze genau dort verlief.

Die Oslo-Connection - Thriller

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