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46. Liv

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Liv sah den Lichtern des Krankenwagens nach. Sie durfte nicht mitfahren. Die Polizisten, die mit dem Notarzt eintrafen, forderten alle Anwesenden auf, vor Ort zu bleiben.

„Frau Dr. Hemme war … ist eine Studienkollegin, die ich nach langer Zeit wiedergetroffen habe. Wir waren hier zum Abendessen verabredet“, hörte sie Hans Pahl sagen. Sein Sprachfehler brachte jeden s-Laut zum Zischen. Er zitterte.

„Was passierte, als Sie das Gebäude verließen?“, fragte der Beamte.

„Frau Mika“, erwiderte der Wissenschaftler und zeigte auf Liv, „wollte noch kurz zur Toilette. Wir warteten mit dem Hund vor der Tür. Dann … dann hörte ich Reifen quietschen, ein Auto raste heran. Beatrice, also Frau Dr. Hemme, fasste sich an die Brust und fiel nach hinten.“

„Konnten Sie die Männer erkennen? Oder den Fahrzeugtyp?“

„Nein … nein. Ich interessiere mich nicht für Autos, und es ging alles viel zu schnell.“

„Sie haben keinen Schuss gehört?“

„Nein, gar nichts. Ich sah nur das Blut auf Beatrice’ Brust, und dann schrie die Frau, die gerade ins Restaurant wollte, auch schon los.“

Der Beamte bedankte sich und bat Hans Pahl zu einem Kollegen, der seine Personalien aufnahm.

„Nun zu Ihnen. Wie haben Sie den Vorfall erlebt?“

„Ich wollte zur Toilette. Dann hörte ich Reifen quietschen, und kurz danach schrie eine Frau. Da bin ich rausgerannt und sah Beatrice auf den Treppen liegen. Mehr habe ich leider nicht gesehen.“

Der Mann musterte Frieda, die neben Liv saß. „Gehört der Hund zu Ihnen?“

„Ja, sie ist aber ausgebildet und zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für irgendjemanden.“

Der Polizist lächelte. „Das habe ich nicht angezweifelt. Ich wollte nur sichergehen, dass er nicht dem Opfer gehört. Sonst müssten wir ihn ins Tierheim bringen, wenn sich niemand um ihn kümmert.“

„Nein, alles okay. Sie gehört zu mir.“

„Gut, dann sind wir erst mal fertig.“ Der Polizist schlug sein Notizbuch zu und wandte sich dem Ehepaar zu, das zu der Sekunde eingetroffen war, als Beatrice niedergeschossen wurde.

Liv strich Frieda über den Kopf und warf einen Blick auf ihre Lederjacke, die vor einer halben Stunde noch Beatrice getragen hatte. Liv hatte sie vom Boden aufgehoben, als Beatrice in den Rettungswagen geschoben wurde, und vor sich über den Stuhl gelegt. Die Jacke! Beatrice hatte ihre Jacke getragen und Frieda an der Leine gehabt! Liv ließ sich auf den Platz daneben fallen. Ihre Gedanken rasten. Hatte der Schuss womöglich ihr gegolten?

„Entschuldigung. Darf ich mal durch? Wo ist sie?“

Liv horchte auf. Diese Stimme kannte sie. Oliver! Gott sei Dank. Sein Blick ging suchend durch den Raum und wurde weich, als er Liv erfasste.

„Liv, alles okay? Was um Himmels willen ist passiert?“

Der Uniformierte drehte sich stirnrunzelnd um. Oliver zeigte ihm seinen Ausweis und stürzte dann zu Liv.

„Du siehst aus, als würdest du gleich umfallen.“

„Ist schon okay“, murmelte Liv. „Können wir zu Beatrice fahren?“

„Zu Beatrice?“

„Sie war diejenige, die vor dem Restaurant niedergeschossen wurde.“

„Was? Wieso das denn?“

Liv erklärte ihm in groben Zügen, was passiert war.

„Nicht gut, gar nicht gut. Und wer ist dieser Hans Pahl?“

„Ein Wissenschaftler, den Beatrice von früher kannte. Ich hatte um das Treffen gebeten, um mehr über die AIDS-Forschung zu erfahren.“

„Woher kanntest du ihn?“

Sollte sie ihn einweihen? Er wusste nicht mal was vom Besuch bei Isolde Züchner. Das alles zu erklären, würde zu lange dauern. „Ich bin bei meiner Recherche auf ihn gestoßen, und Beatrice hat das Treffen organisiert.“

„Wer wusste von dem heutigen Termin?“

„Ich habe es niemandem erzählt. Ob Beatrice oder Hans Pahl jemanden informiert haben, weiß ich nicht. Gesagt haben sie nichts davon.“

„Weißt du, ob Beatrice Feinde hat?“

„Nein, so gut kenne ich sie nicht.“ Liv senkte die Stimme. „Aber sie hatte meine Jacke an und Frieda an der Leine.“

Oliver kniff die Lippen zusammen. „Wir müssen reden. Das klingt alles verdammt gefährlich.“

Er wandte sich dem Kollegen zu. „Sind Sie mit Frau Mika fertig? Dann würde ich sie gerne nach Hause bringen. Die Kollegen aus der Bereitschaft sind noch draußen. Ich wollte gerade Feierabend machen und hatte nur ihren Namen gehört. Wir kennen uns.“

„Ja, wir sind durch.“ Er blätterte in seinem Buch. „Personalien haben wir vollständig. Frau Mika, bitte bleiben Sie in den nächsten Tagen erreichbar. Möglichst in Hannover. Ich sehe hier, dass Sie in Frankfurt wohnen.“

„Ich habe noch in Hannover zu tun und bleibe.“

Der Polizist nickte. Frieda und Liv gingen mit Oliver nach draußen.

„Fahren wir zu mir“, schlug Oliver vor.

„Besser ins Hotel. Oder hast du Hundefutter?“

„Leider nein. Wo ist dein Wagen? Ich bring dich hin und fahre hinter dir her. Kannst du fahren?“

„Natürlich.“

In der Tiefgarage angekommen, stieg Liv aus dem Auto. Oliver parkte direkt neben ihr. Noch bevor Liv den Kofferraum aufmachen konnte, stand er vor ihr und nahm sie in den Arm.

„Ich dachte, dass dir was passiert sei. Das könnte ich nicht ertragen.“ Er vergrub seine Nase in ihren Haaren und drückte sie an sich.

Liv war machtlos gegen den Kloß, der sich in ihrer Kehle breitmachte. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie wollte Oliver fortschieben, aber er umfasste sie nur umso fester. Liv schluchzte. Oliver hielt sie und strich ihr beruhigend über den Kopf. Er sagte kein Wort.

Nach ein paar Minuten fing sich Liv wieder.

„Jetzt klebt dir Mascara am Hemd“, murmelte sie und ließ Frieda aus dem Kofferraum springen, die die Szene angespannt beobachtet hatte. „Hey, Babe.“ Sie strich der Hündin über den Kopf und kraulte ihr die Brust, als Zeichen, dass alles in Ordnung war.

Oliver beobachtete, wie Liv den Napf füllte, und gab ihr so Gelegenheit, wieder zu sich zu kommen. Gott, wie peinlich. Erst Sex, dann heulen. Was er wohl von ihr dachte? Aber es hatte sich ausgesprochen gut angefühlt. Beides. Hoffentlich gab es bei Beatrice endlich etwas Neues? Liv wählte erneut die Nummer des Krankenhauses. Sie hatte es schon während der Fahrt probiert, wurde aber abgewiesen, weil sie keine Angehörige war. Oliver hatte es ebenfalls aus dem Auto probiert und zumindest erfahren, dass sie außer Lebensgefahr und die Kugel bereits entfernt worden war. Er hatte auch einen Kollegen in die Medizinische Hochschule geschickt, der das Geschoss für die Spurensicherung abholen sollte.

„Dr. Liv Hemme, guten Tag. Meine Schwester ist bei Ihnen eingeliefert worden. Schussverletzung. Können Sie mir da weiterhelfen?“, fragte Liv, als am anderen Ende abgehoben wurde.

„Tut mir leid. Wir geben am Telefon grundsätzlich keine Auskunft.“

„Ja, natürlich. Das verstehe ich auch. Das handhaben wir bei uns genauso. Ich bin eine Kollegin. Aber ich habe eben erst den Anruf der Polizei bekommen und von denen auch Ihre Nummer. Ich wohne in Süddeutschland und mache mich sofort auf den Weg. Bitte sagen Sie mir nur, dass sie wieder gesund wird.“

Die Schwester seufzte. „Ich glaube, sie hat großes Glück gehabt. Sie ist aber noch im OP. Vor morgen kann sowieso niemand zu ihr. Fahren Sie also ganz in Ruhe los. Nicht, dass wir Sie hier auch noch als Verkehrsunfall reinbekommen.“

„Vielen, vielen Dank. Ich bin schon unterwegs.“ Beatrice würde wieder gesund werden! Das war die beste Nachricht seit Langem.

Liv holte zwei Flaschen Bier aus dem Zimmerkühlschrank und setzte sich zu Oliver aufs Sofa. Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche und drehte sich zu Liv. „Okay, jetzt mal ganz langsam. Du hast dieses Sex-Foto von einem Informanten bekommen, richtig?“

Sie nickte und erstarrte. Oh nein! Jetzt würde er ganz sicher …

„Und das war zufällig der ermordete Edgar Szumanski?“, fragte Oliver weiter.

Liv nickte wieder und hob die Schultern. „Ich habe ihn vor seinem Tod aber wirklich nicht gesehen. Ich bekam das Bild als Anhang in einer E-Mail. Alles Weitere wollte er mit mir in Hannover besprechen, aber dazu kam es dann nicht mehr.“

„Und dann hast du dich an Bögershausen gewandt?“

„Ja, aber den habe ich vor seinem Tod auch nicht mehr getroffen.“ Liv wand sich innerlich. Sie konnte ihm nicht die ganze Wahrheit sagen.

„Und wieso bist du dann nach Kiew geflogen?“

„Bei meiner Recherche stieß ich auf eine Internistin, Beatrice, die auf einem Bild mit Bögershausen zu sehen war. Wir haben uns verabredet, und sie hat das Hotelzimmer von dem Foto sofort erkannt. Das ist ein Hotelschiff auf dem Dnjepr.“

„Kanntest du Beatrice Hemme vorher?“

„Nein, ich habe sie hier das erste Mal getroffen.“

„Und kam es dir nicht komisch vor, dass sie dann spontan mit dir in die Ukraine geflogen ist?“

„Zuerst ja, aber sie hat viel Energie und Herzblut in die Organisation Connect Positive gesteckt. Es war logisch, dass sie mitkam, um zu sehen, was Bögershausen mit ihrem Projekt angerichtet hatte. War sein ganzes Engagement nur Fassade und eigentlich interessierten ihn nur die blutjungen Prostituierten in Kiew? Der Frage wollten wir nachgehen, aber dazu mussten wir das Mädchen finden.“

„Habt ihr?“

Liv seufzte. „Ja. Gefunden und gleich wieder verloren. Sie kam mit ins Hotel. Als sie anfing zu erzählen, hörte sie draußen auf dem Flur Männerstimmen, bekam Panik und flüchtete über den Balkon. Ich habe ihr noch meine Nummer zugesteckt, aber seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört, und ich mache mir sehr große Sorgen um sie.“

„Und dann seid ihr wieder zurückgeflogen?“

„Wir haben noch einen Tag gewartet, ob sie sich noch meldet, aber wir konnten dort nicht länger bleiben.“

Oliver schwieg und schaute Liv an. Auf was wartete er?

„Und was genau sollte dieser eigentümliche Anruf? Seit ihr zurück seid, hast du das nicht einmal erwähnt. Ich wollte dich beim Essen nicht drängen, aber als du gar nichts mehr dazu gesagt hast, war ich baff.“

Der Anruf, das Foto. Ihr hätte klar sein müssen, dass er darauf zurückkam. Sie nahm einen Schluck Bier und sammelte sich.

„Rückblickend bin ich nicht mehr sicher, ob wir nicht einfach nur hysterisch waren. Der Fahrer nahm vermutlich eine Abkürzung, und wir kriegten Angst. Also tat ich so, als würde ich mit der Botschaft telefonieren, das warst dann du, und Beatrice übersetzte dem Fahrer, dass wir am Flughafen vom Konsulat erwartet werden würden. Damit der vermeintliche Konsulatsmitarbeiter uns auch finden würde, hatte ich das Bild des Kennzeichens samt Fahrer gemacht.“

„Ein Botschaftsmitarbeiter? Am Flughafen?“

„Ich fand die Idee sinnvoll. Zusammen mit dem Foto von ihm und seinem Taxi wäre er für dich eine gute Spur gewesen, wenn uns etwas passiert wäre.“

Oliver schüttelte den Kopf. „Was für eine Geschichte …“

„Ja“, lachte Liv. „Ich glaube wirklich, dass wir überreagiert haben. Aber dann standest du am Flughafen, und ich finde, das war es wert.“ Ihr Gesicht wurde heiß, und sie griff schnell wieder nach der Flasche.

„Ja, das war es.“

Würde er sie jetzt wohl küssen? Sie suchte seinen Blick. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Und jetzt haben wir eine angeschossene Beatrice, die eigentlich eine Liv und tot sein sollte. Das finde ich insgesamt ein ziemlich schlechtes Fazit deiner Geschichte.“

„Das ist noch nicht erwiesen. Das vermutest du nur.“ Liv wusste, dass sie sich damit eher selbst beruhigen wollte, als dass sie das ernst meinte.

„Du kannst nicht hierbleiben.“

„Oh doch. Das kann ich. Ich bin über den Dächern der Stadt in einem unbekannten Hotel, habe einen Schutzhund und Reizgas. Zudem glaube ich nicht, dass irgendwer weiß, wo ich abgestiegen bin. Das habe ich niemandem erzählt.“

„Und wie habe ich dich gefunden?“

„Du bist Polizist. Das ist was anderes.“

Oliver wirkte wenig überzeugt. „Ich bitte die Rezeption, dass sie jedem Besucher oder Anrufer sagen, dass du bereits ausgecheckt hast. Du rührst dich hier nicht weg, bis ich dich morgen abhole. Klar so weit?“

Liv öffnete den Mund, um zu protestieren, schloss ihn aber sofort wieder. Eigentlich klang das ganz vernünftig. Noch besser wäre es, wenn er dableiben würde.

„Leider kann ich nicht bleiben. Ich muss ein paar Sachen überprüfen und will unbedingt wissen, wie weit die Kollegen gekommen sind, die den Anschlag auf Beatrice untersuchen. Das macht mich sonst nervös.“

„Sieben Uhr morgen früh in Laufsachen auf eine Gassirunde?“

„Sieben Uhr.“ Oliver stand auf und zog Liv hoch. Er streichelte ihr übers Gesicht. „Gehst du noch mal mit mir aus, wenn wir das hier alles hinter uns haben?“

„Bestimmt“, murmelte Liv und schloss die Augen.

Er küsste sie sanft und machte sich dann abrupt los.

„Bis morgen.“

Als die Tür ins Schloss fiel, zuckte Liv zusammen. Was für ein Tag. Liv rollte mit den Schultern. Mike! Oje, sie musste ihn dringend anrufen und berichten. Sie wählte direkt seine Mailbox an. „Hallo Mike, schade, dass ich dich nicht erreiche. Ich habe nun auch den Wissenschaftler kennengelernt, der auf den Verträgen bei Isolde genannt wurde. Beatrice und ich waren mit ihm zum Abendessen. Da ist irgendwas faul. Ich bin dran und halte dich auf dem Laufenden. Bis morgen.“ Liv legte auf.

Thriller Collection I

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