Читать книгу Thriller Collection I - Penelope Williamson - Страница 59
47. Oxana
Оглавление„Oxana? Ganz ruhig. Ssscht, hab keine Angst. Ich bin es.“ Jemand bückte sich zu ihr herunter. Der Baseballschläger polterte die Treppe hinunter.
Ich bin es? Sie kannte diese Stimme. Helena! Es war Helena. Oxana fing hemmungslos an zu weinen. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihre Freundin.
„Ist ja gut. Jetzt bin ich ja da.“
Helena strich immer wieder über Oxanas Haar und murmelte beruhigende Kosenamen. Vorsichtig zog sie das schluchzende Mädchen hoch.
„Oxana, wir müssen hier weg. Wir haben nicht viel Zeit.“
Oxana nickte. Sie wischte sich mit dem Ärmel unter der Nase lang. Sprechen konnte sie noch nicht. Langsam ebbte das Schluchzen ab. Behutsam hakte Helena sie unter und leuchtete die Treppe hinab. Unten angekommen hob sie den Schläger auf und half dem Mädchen durch das Fenster nach draußen. Helena schaltete in der heller werdenden Morgendämmerung die Taschenlampe aus und führte Oxana durch ein Gewirr von Gassen zu einem ungepflegten Mehrfamilienhaus mit abgerissenen Klingelschildern und abblätternder Farbe. Helena schloss auf, machte aber kein Licht und schob Oxana die Treppe hoch.
Helena schloss in der Wohnung mehrfach hinter ihnen ab. In Sicherheit! Endlich! Jetzt würde alles gut werden. Oxana durchströmte Zuversicht. „Ich habe schrecklichen Durst und Hunger. Hast du was zu trinken?“
Helena griff nach einer Flasche Wasser, die Oxana fast in einem Zug leer trank.
„Langsam, langsam. Sonst brichst du alles gleich wieder aus. Du gehst jetzt duschen, ich mache dir Frühstück, und dann reden wir, okay?“
Helena schob Oxana in Richtung Bad. „Neue Sachen bringe ich dir gleich.“
Glücklich drehte sie die Dusche auf und genoss das warme Wasser. Helena hatte bestimmt nichts dagegen, wenn sie ihr Shampoo benutzte. Oxana liebte es, wie Helenas Haar roch. Als sie fertig war, klopfte es draußen und Helena brachte ihr frische Sachen und fischte nach einer kleinen Tasche unter dem Waschbecken. Sie gab ihr eine Zahnbürste daraus und bat sie, den Beutel zu behalten. Oxana linste rein. Er war voll mit Proben für Duschgel, Cremes und Shampoo.
„Das wirst du noch brauchen. Nimm auch diese beiden Handtücher.“
Als Oxana sauber und voll neuer Zuversicht in die winzige Küche kam, hatte Helena den kleinen Tisch gedeckt.
„Wie hast du mich gefunden?“
Helena lachte. „Ich gehe jeden Tag an dem Haus vorbei. Die Pappe war morgens noch nicht da. Ich musste aber warten, bis es völlig dunkel war, um zu schauen, ob du dich da versteckt hältst. Ich hatte so gehofft, dass du dich in Nähe von Connect Positive aufhältst. In der Zwischenzeit habe ich alle anderen Orte, die mir eingefallen sind, nach dir abgesucht. Das Haus ist gruselig, aber ich hätte mich da auch versteckt. Niemand würde hier ein junges Mädchen suchen. Da überall in der Stadt auch Obdachlose unterwegs sind, wusste ich mir keinen besseren Rat, als diesen Schläger mitzunehmen. Mir haben vor Angst die Knie geschlottert.“
„Du hast mich gerettet. Danke!“
„Warum bist du weggelaufen?“, fragte Helena behutsam.
Oxana vertraute Helena, und so schilderte sie ihr alles von der Vergewaltigung bis zu der Drohung, dass sie nicht mit nach Deutschland durfte. Sie berichtete ihr, wie sie in der Station, als sie in Gruppen eingeteilt wurden, die Nerven verloren hatte und weggerannt war. Auch die Begegnung mit Liv und Beatrice ließ sie nicht aus und die Männer, die ihr bis in Livs Hotelzimmer gefolgt waren, sodass sie wieder fliehen musste. Und dass sie dann Livs Telefonnummer verloren hatte und endgültig verzweifelt war.
Helena riss die Augen auf. „Oh, Solnyschko, meine Sonne. Was haben sie dir nur angetan?“
Tränen schossen Oxana in die Augen. Die weiche, mitfühlende Stimme hatte sie so vermisst.
„Malyschka, Kleines, wir müssen so schnell wie möglich fort. Wir sind hier nicht sicher. Das Internat wurde geschlossen, angeblich wegen eines Virus. Wir wurden alle nach Hause geschickt und jedem wurde eingeschärft, dass wir uns sofort melden müssen, wenn wir dich sehen.“
„Geschlossen? Wo sind die anderen Mädchen?“
„Das wurde uns nicht gesagt. Vielleicht haben sie die in die Gesundheitsstation gebracht.“
„Oh nein! Die Frau da war so böse zu mir. Sie hat mich angeschrien und gesagt, dass wir alle für sehr lange Zeit da bleiben würden und dass wir so schnell nicht nach Deutschland reisen würden.“
„Was soll das denn?“
„Warst du schon mal in dem Haus im Wald?“
„Nein, noch nie. Fragen dazu sind streng verboten.“
„Warum hast du nie gefragt? War es dir egal, was mit uns passiert?“
„Nein, meine Süße. Aber ich bin auch seit Jahren sehr, sehr krank und …“
„Krank? Oh nein. Helena, was hast du denn? Tut es sehr weh?“
„Nein, es macht mich nur manchmal müde. Ich brauche mein Leben lang Tabletten. Alle Frauen, die im Internat arbeiten, haben diese Krankheit. Wir bekommen von Andrej ein kleines Gehalt, aber das Wichtigste sind die Tabletten. Andere Doktoren in Kiew haben nicht so gute Tabletten. Deswegen brauchen wir alle diese Stelle, damit wir weiterleben können.“ Helena zeigte auf einen Stapel bunte Tablettenschachteln. „Andrej hat uns unsere Rationen für zwei Wochen mitgegeben. Danach weiß ich nicht weiter, wenn das Internat nicht wieder aufmacht.“
„Was sollen wir denn jetzt machen?“
„Ich habe eine Idee.“ Und dann weihte Helena sie in ihren Plan ein.