Читать книгу Storyporting - Rainer Nübel - Страница 27
Verkürztes Reality-Storytelling
ОглавлениеDem Potenzial des Storytellings, Information zielgruppenspezifisch zu vermitteln, Problemlösungen zu kommunizieren und Emotionen hervorzurufen, stehen auch die Risiken gegenüber, durch zu starke Komplexitätsreduktion in Geschichten falsche Vorstellungen zu erzeugen und zu manifestieren bis hin zu Manipulationsmomenten (Fischer/Storksdieck 2018).
Der Ausbruch des Coronavirus Covid-19 löste im Februar/März 2020 in Deutschland und ganz Europa eine Pandemie aus. Krankheiten und Todesopfer generierten und transportierten ständig auch eine gesellschaftliche Narration (Horx 2021) und die Coronakrise hat beispielhaft gezeigt, dass vor allem in nichtfaktenbasierten Narrativen große Probleme und Risiken liegen.
Für die Auswirkungen auf die Hospitality-Branche steht stellvertretend die weltweit für ihre Après-Ski-Bars und Partys bekannte Tourismus-Destination Ischgl. Unter Freizeit-Ski-Tourist:innen galt die Alpen-Destination als das „Mekka der Spaßgesellschaft“, das „Ibiza der Alpen“ (Schüle 2021) und das „Epizentrum des alpinen Massentourismus“ (Deutsche Welle o. J.). Das Skigebiet umfasst 45 Liftanlangen, auf etwa 1.600 Einwohner kommen rund 12.000 Betten. Zahlreiche Hotels und Restaurants von gehobener Qualität sind in Ischgl ansässig und locken in der Ski-Saison Gäste aus aller Welt mit Luxus, abwechslungsreichen Ski-Pisten und Party-Tourismus (ebd.). Bereits Ende Februar 2020, als das Coronavirus in Deutschland und Österreich noch nicht nennenswert ausgebrochen war und Erfahrungswerte mit dem Virus fehlten, wurden im Norden Europas erste Reiserückkehrer aus Ischgl positiv auf das Virus getestet. Bis Mitte März 2020 steckten sich in Ischgl mehrere hundert Tourist:innen und Service-Mitarbeiter:innen mit dem Virus an. Das Virus verbreitete sich von Ischgl aus nach ganz Europa, als Reiserückkehrer:innen ohne infektionsvermeidende Kontrollen in ihre Heimat zurückreisten (sz.de 2020). Seither kämpft der Ski-Ort mit seinem Image, mit seinem ausufernden Luxus-Partytourismus einzig Schuldiger für die Corona-Ausbreitung in Europa zu sein, und wurde belegt mit verkürzten NarrativeNarrationverkürzten wie z. B. „Corona-Hotspot“, „Kein zweites Ischgl“, „Aus Ischgl nichts gelernt“. Diese Kurz-Narrative stehen bis heute stellvertretend für Managementfehler in der Coronapandemie (Schüle 2021). Hier werden sogenannte narrative, sprachliche FramesFrames erzeugt (Schach 2019, S. 163–165), die mit Bewertungen verbunden sind (ebd., S. 164). Die in der Coronakrise in Ischgl erzeugten Frames stehen bei Rezipient:innen fortlaufend als ‚Sinnbild‘ für z. B. überzogenen Luxus-Partytourismus und unverantwortliches Handeln, das der Marke Ischgl lange anhaften wird (Mike Peters in sz.de 2020).