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Von Rena Wegener

Jobcenter streicht 21-jähriger Hartz-IV-Empfängerin vollständig die Bezüge, weil sie sich angeblich nicht oft genug beworben hat, sie bestreitet alle Vorwürfe und kann sogar das Gegenteil belegen.

Obwohl dem zuständigen Amt bereits seit Monaten bekannt ist, dass die 21-jährige Jasmin Schuler* (* Name von der Redaktion geändert) mittlerweile im fünften Monat schwanger ist, sie legte dem zuständigen Fall-Manager sogar ihren Mutterschaftspass und Ultraschall-Aufnahmen ihres heranwachsenden ungeborenen Kindes vor, bekommt sie bereits seit geraumer Zeit vom Jobcenter keinen Cent!

Demzufolge ist sie auch nicht in der Lage, die Erstausstattung für ihr Baby anzuschaffen.

Leider kann sie auch ihr Freund, der Vater des ungeborenen Kindes, nicht unterstützen, denn auch er muss versuchen, allein mit dem Hartz-IV-Satz zu überleben.

Der Sprecher des zuständigen Jobcenters wollte sich zum Fall von Jasmin Schuler eigentlich gar nicht äußern. Auf mehrfache Nachfrage der Redaktion bestätigte er lediglich, dass er die Totalsanktion und die vollständige Leistungskürzung angeordnet habe, da Jasmin Schuler seiner Meinung nach zu wenig aktiv sei.

Obwohl die 21-jährige angehende Mutter weit mehr, als nur die von ihrer Sachbearbeiterin vorgeschriebene Anzahl von Bewerbungen verfasst, sich sogar bundesweit beworben und sich regelmäßig persönlich bei ihrem zuständigen Fall-Manager im Jobcenter gemeldet hatte, zeigt sich der Sprecher des Jobcenters davon gänzlich unbeeindruckt. Dies interessiere ihn nicht. Die vollständige Leistungskürzung der angehenden Mutter bewege sich innerhalb des „gesetzlich zulässigen Spielraumes“ und bleibe auch weiterhin bestehen! Dass der Schwangeren laut Gesetz sogar extra Zahlungen vom Amt zustünden, bestritt der Sprecher des Jobcenters zwar nicht, erklärte aber, es sei grundsätzlich im Ermessensspielraum der Einrichtung und ihrer Mitarbeiter, wie das Gesetz ausgelegt und gelebt werde.

Dass das Jobcenter mit dieser Behandlung gegen das grundgesetzliche Gebot der Unversehrtheit auch von ungeborenem Leben verstoßen würde, wies der Sprecher des Jobcenters von sich.

Auch in Bayern ordnete ein Jobcenter an, dass eine Schwangere Hartz-IV-Bezieherin bis 6 Wochen vor ihrer Entbindung in einer Großküche eingesetzt wurde, obwohl dies gemäß Mutterschutzrichtlinie unzulässig ist. Das zuständige Jobcenter drohte jedoch auch dieser Schwangeren die vollständige Kürzung ihrer Hatz-IV-Bezüge an, sofern sie sich krank schreiben ließe. Schwangerschaft sei nun einmal keine Krankheit.

Ein anderes Jobcenter in der Hauptstadt kürzte einer psychisch kranken Schwangeren, die gleichfalls Hartz-IV bezog, mit fadenscheinigen Begründungen ihre Geldzuwendungen mehrere Monate lang auf Null, was die Konsequenz nach sich zog, dass die hochschwangere angehende Mutter fast ein ganzes Vierteljahr lang nicht einmal krankenversichert war.

In Niederbayern ließ die besonders eifrige Sachbearbeiterin eines Jobcenters bei einer schwangeren Mutter und Hartz-IV-Bezieherin, bei der eine Risikoschwangerschaft diagnostiziert worden war und die infolge dessen während ihrer Schwangerschaft fast durchweg krank geschrieben war, sofort die Sanktionsfalle Totalstreichung ihrer Bezüge zuschnappen, als die werdende Mutter es einmal krankheitsbedingt um nur 24 Stunden versäumte, den Bescheid über die Folgeerkrankung im Jobcenter abzugeben.

Es hat insbesondere hier bei der Redaktion den Eindruck hinterlassen, dass man geradezu darauf gewartet hatte, dass die junge Frau den kleinsten Fehler beging, um dann sofort mit voller Härte zuschlagen zu können. Es hinterließ ferner den Eindruck, dass die Fall-Manager und Sachbearbeiter vieler Jobcenter ihre Klientel nicht als Menschen ansehen, denen es zu helfen gilt, sondern vielmehr als Delinquenten, die rigoros abzustrafen sind. Viele Fall-Manager und Sachbearbeiter, so wurde der Redaktion berichtet, litten unter eklatanter Sach- und Sozialkompetenz, seien oft überlastet und überfordert und ließen ihre daraus resultierenden Aggressionen nicht selten rücksichtslos an denjenigen Menschen aus, die eigentlich auf ihre Hilfe angewiesen wären.

Verstärkt und befeuert wurden solche Praktiken nicht zuletzt durch die eifernde Rede eines Bundespräsidenten, gehalten im wirtschaftsnahen Hasso-Plattner-Institut, der bereits anlässlich des Tages der Deutschen Einheit gegen angeblich generell faule und arbeitsscheue Hartz-IV-Empfänger zu Felde zog. Zweifellos gehören die Schwächsten, die oft unverschuldet in ihre prekären Situationen geraten sind und eigentlich auf Hilfen angewiesen wären, nämlich Arbeits- und Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger und Migranten, zu den neuen Feindbildern der neoliberalen bundesdeutschen Gesellschaft. Diese Tatsache lässt sich nur mit einem einzigen Begriff treffend beschreiben, nämlich mit jenem der Schande!

Bleibt letztendlich nur noch die Frage, welche Schande dabei am Ende größer ist: Die Tatsache, dass die Schwächsten der Gesellschaft heute derartig entwürdigend behandelt werden oder aber jene andere Tatsache, dass nämlich die Mehrheit der deutschen Gesellschaft, wie schon einmal während des Dritten Reiches, dazu schweigt und wieder einmal einfach gelangweilt weg schaut! Wer heute noch fragt, wie die industrielle Judenvernichtung in Deutschland überhaupt möglich wurde, findet in eben jener Mentalität die Antwort! Auch heute noch wäre vor diesem Hintergrund eine Stigmatisierung und möglicherweise sogar eine physische Vernichtung bestimmter Personenkreise in Deutschland durchaus im Bereich des zumindest Denkbaren angesiedelt!

Der Zornige: Werdung eines Terroristen

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