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Ich hatte meine Frau Sina vor nunmehr fast 25 Jahren kennen gelernt. Sie hatte damals eigentlich Stewardess werden wollen und der Gedanke, sie in einer schicken Uniform, mit Käppi, Lederhandschuhen, Seidenschal um den Hals und kurzem Rock zu sehen, war durchaus reizvoll gewesen. Allerdings widerstrebte mir der Gedanke, sie dann als Objekt der Begierde zahlreicher Reisender zu wissen.

Sina war jung, schlank und durchaus attraktiv. Ihre langen hellblonden Haare mit dem typischen kurzen Ponyschnitt über der Stirn, ihre strahlenden hellblauen Augen und die sinnlich vollen Lippen gaben ihr etwas regelrecht Laszives und bewundert pflegte ich sie seinerzeit gern „meine schöne Schwedin“ zu nennen.

Sie war locker und unkonventionell für jeden Spaß zu haben und sie mokierte sich stets über den Putzfimmel und die Launen ihrer Mutter. Nie wollte sie so werden, nie launisch sein und mir je Vorschriften machen oder ständig darauf bedacht sein, dass keine Krümel herum lagen, die Fenster stets geputzt waren und die ganze Wohnung den Eindruck vermittelte, als würde hier gar niemand wohnen.

Meine Schwiegermutter war ein verwöhntes Einzelkind gewesen, das es genossen hatte, seine Spielkameraden und Freunde gegeneinander auszuspielen. Und auch Sina, meine Frau, war ein verwöhntes Einzelkind, aufgewachsen meist unter der Obhut der Großeltern.

Wenn man jung und verliebt ist, dann hinterfragt man meist nicht die Familiengeschichte und die Charaktereigenschaften seines Partners. Man bleibt bei den Äußerlichkeiten stehen, die einen begeistern und das war es dann auch schon.

Je länger man jedoch zusammen ist, desto seltener zeigt der Andere sein Sonntagsgesicht und jene dominierenden und prägenden Eigenschaften stechen hervor, die anfangs noch versteckt wurden.

Die erste Zeit mit Sina, „meiner schönen Schwedin“, war wie ein Rausch gewesen. Der erste moralische Einbruch vollzog sich jedoch, als Sina erfuhr, sie könne nicht schwanger werden. Ihre Mutter war hingegen der Meinung, wer keine Kinder hätte, würde mehr Zeit für sich selbst erübrigen können und reisen und die Welt kennenlernen, wie Eltern mit kleinen Kindern es in diesem Maße nicht möglich war. Zeitweilig war Adoption ein Thema gewesen, aber meine Schwiegermutter redete Sina auch dies aus. Man wisse schließlich nie, was für ein Kind man sich da ins Haus hole und wie es sich eines Tages möglicherweise entpuppen würde. So blieb es stattdessen bei Rassekatzen.

Hatten wir zu Anfang unserer Beziehung zunächst noch auf ein und demselben Level agiert, was die Entscheidungen über unser Leben anbelangte, zumindest hatte ich mir dies eingebildet, so veränderte sich dies zunehmend. Sina wurde launisch und dominant. Sie wurde ihrer Mutter immer ähnlicher, was sie früher immer für sich abgelehnt hatte.

Ich mochte sie trotzdem und hielt immer zu ihr. Aber sie stieß mich zurück und behandelte mich mehr und mehr wie einen aufmüpfigen Anstellten, nicht aber wie einen Partner.

Irgendwann erkannte ich voller Entsetzen, was mir früher wohl stets entgangen sein musste: Sina war weder kompromissbereit, noch team-, geschweige denn kritikfähig!

Es wurde zur Regel, dass sie in unserer Ehe alles und jedes allein entschied und allein bestimmte. Bekannte sagten mir mitfühlend, dies sei in der Beziehung zwischen Mann und Frau nun einmal so und die Frauen hätten definitiv überall die Hosen an. Ein Arbeitskollege, dem es zu Hause ähnlich ging, sagte mir, er kenne keine Ehe, in der der Mann noch etwas zu sagen hätte. Man müsse dies entweder akzeptieren oder schwul werden oder als Single durchs Leben gehen.

Ich fand diese Einstellung ziemlich unbefriedigend, konnte aber mit Sina überhaupt nicht mehr über meine Erwartungen und Hoffnungen oder auch nur über meine Meinung zu bestimmten Dingen und Sachverhalten diskutieren.

Sie schnitt mir das Wort ab und war sofort gekränkt, ein Zustand, in welchem sie es durchaus fertig brachte, mehrere Wochen lang überhaupt kein Wort mehr mit mir zu sprechen, während sie mein Bettzeug aus dem Schlafzimmer warf und mich auf diese Weise einfach quasi gewaltsam aus dem Schlafzimmer ausquartierte.

Ich stellte mir oft wehmütig vor, wie es gewesen wäre, hätten wir ein Kind gehabt und ob sie sich dann charakterlich anders entwickelt hätte. Irgendwann begriff ich jedoch, dass diese Rechthaberei und Launenhaftigkeit ihr ureigenes Wesen waren und dass dann vermutlich nur das Kind zum Zeugen ihrer Ausbrüche geworden wäre.

Nach und nach wurde Sina regelrecht pedantisch, zumindest, was meine Sachen und meine Belange anging. Was sie selbst anging, so war sie stattdessen großzügig und tolerant.

„Das ist ja auch etwas anderes!“, wurde bei ihr zur stehenden Redewendung, wenn ich ihr ihr eigenes Verhalten vor Augen führen wollte. Irgendwann duldete sie nicht einmal das mehr.

„Du willst Dich doch nicht etwa mit mir vergleichen?“, gehörte nun zum Repertoire ihrer aggressiven Fragetechniken.

Was mich anging, so verfiel sie in einen Kontroll- und Gängelzwang. Alles, selbst die Art und Weise, wie ich die Wäsche zusammen legte oder das Geschirr im Geschirrspüler deponierte, musste sie kontrollieren und aggressiv reglementieren.

Nie konnte ich ihr etwas recht machen. Was auch immer ich anfing, es war prinzipiell schlecht und verkehrt und ich hatte es aus purer Bosheit getan, um sie dadurch zu kränken.

Unser Verhältnis wandelte sich von demjenigen zweier Ehegatten zu einem Herr-und-Diener-Verhältnis, in welchem sie mir sagte, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ich fragte mich oft, was ich verkehrt gemacht hatte, kam aber dabei lediglich zu dem Schluss, dass ich zu duldsam gewesen sei. Was aber blieb mir anders übrig? Wer mit ihr zusammen sein wollte, hatte ausschließlich Dasjenige zu tun, was sie ihm sagte oder er musste gehen, etwas anderes gab es dabei nicht und ich wollte sie doch nicht verlieren!

Nach und nach nahm ihr Regiment regelrecht drakonische Züge an. Zuerst fing sie damit an, dass ich mir zu Hause nichts mehr braten und kochen durfte. Sie würde es nicht ertragen, wenn es in der Küche nach Essen roch. Angeblich war das Ceranfeld des Herdes auch immer voller Fettspritzer, wann immer ich es benutzte und auf dem Fußboden der Küche fänden sich Krümel oder Wassertropfen, was zu Wasserflecken führen würde. Es war albern und abstrus, aber sie meinte es tatsächlich absolut ernst damit! Es war mir faktisch dadurch untersagt, unsere eigene Küche in irgendeiner Art und Weise zu benutzen! Sie meinte es so bitter ernst damit, dass sie mir, als ich einmal abends nicht mehr an mich halten konnte und mir heimlich ein Spiegelei briet, eine lautstarke und fürchterliche Szene mit wüster Brüllerei und hässlichen Anschuldigungen machte. Ich sei ein verlogener Egoist, der noch nicht einmal willens sei, einer einzigen simplen Bitte von ihr nachzukommen.

Um des ehelichen Friedens willen beschränkte ich mich schließlich komplett darauf, unter der Woche ausschließlich außer Haus und in der Klinik zu essen. An den Samstagen stahl ich mich aus der Wohnung und kaufte mir irgendwo in der Stadt eine Bockwurst oder einen Burger und an den Sonntagen waren wir üblicherweise bei ihrer Mutter zum Mittagessen.

Ich will mich darüber nicht beklagen und ich bin schließlich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch, der die Schuld zuerst immer bei sich selber sucht, aber es blieb nicht bei diesen Einschränkungen in Bezug auf mein Essen.

Irgendwann konfrontierte sie mich mit angewidertem Gesicht, laut keifend, mit dem Vorwurf, das ganze Badezimmer würde penetrant nach „Pups und Pisse“ stinken, sobald ich mich darin aufhielte. Als ich ihr entgegen hielt, ich hätte die Toilette doch im Moment gar nicht benutzt, sondern stünde lediglich mitten im Badezimmer, schrie sie mich an, ich solle sie nicht anschreien, sondern stattdessen einmal auf Dasjenige hören, was sie sagen würde.

Als ich sehr ruhig antwortete, ich hätte doch gar nicht geschrien, ich wäre doch vollkommen ruhig, machte sie mir eine hässliche Szene, packte ihre Sachen und zog für drei Wochen ganz zu ihrer Mutter, weil es meinetwegen in unserer ganzen Wohnung stinken würde, „wie in einem Scheißhaus an der Autobahn“ und ich offenkundig nicht bereit sei, auch nur minimal auf sie Rücksicht zu nehmen.

Nach Ablauf der dritten Woche gelang es mir endlich, sie unter großer Zerknirschung und nach stundenlangem Zureden, dazu zu bewegen, wieder mit in unsere gemeinsame Wohnung zu kommen, nachdem ich ihr versprochen hatte, die Toilette überhaupt nicht mehr zu benutzen.

„Scheißen kannst Du schließlich in Deiner Klinik!“, schrie sie mich an: „Meine Wohnung ist definitiv kein Abladeplatz für Deinen widerlichen Durchfall!“

Sie ließ sich schließlich noch eine ganze Weile bitten, um dann zu erklären, sie käme zunächst erst einmal lediglich „auf Probe“ mit zurück in die gemeinsame Wohnung. Sie wolle erst einmal sehen, wie ich mich entwickeln würde und wie ernst es mir mit dem gegebenen Versprechen bezüglich der Toilettenbenutzung auch tatsächlich sei.

So albern das Ganze für einen Außenstehenden auch hätte sein mögen, ihr war es damit tatsächlich todernst! Und hätte ich es gewagt, die Toilette in unserer Wohnung zu kochen oder mir nur einen einzigen Teller Erbsensuppe in unserer Mikrowelle warm zu machen, sie hätte unsere Beziehung sofort beendet und dies mit demselben Hass und mit derselben Konsequenz, als hätte sie betrogen, mit AIDS infiziert oder krankenhausreif geschlagen.

Ich habe über dieses Thema nie mit Außenstehenden geredet. Es war mir einfach peinlich und ich hätte es als ein Eingeständnis persönlichen Versagens empfunden. Irgendwann hatte ich es als eine Selbstverständlichkeit verinnerlicht, dass es mein Part in dieser Ehe war, zu tun und zu lassen, was immer sie mir sagte und dabei auch noch in der ständigen Angst zu leben, sie könne mich verlassen.

Ihr Kontroll- und Reglementierungszwang in Bezug auf meine Person hatte inzwischen Züge angenommen, die eines veritablen preußischen Korporals mehr als würdig gewesen wären. Sie rechtfertigte dies oft mit ihrem beruflichen Hintergrund. Nachdem sie seinerzeit nicht hatte Stewardess werden können, hatte sie schließlich den Beruf der Erzieherin erlernt, in welchem sie nun in einem Heim für straffällig gewordene Kinder und Jugendliche arbeitete.

Mir kam es oft so vor, als ob sie ihre Aufpasser- und Sanktionierungstätigkeit nach Dienstschluss bei mir fortsetzte.

Irgendwann hatte sich selbst die Möglichkeit zerschlagen, mit ihr noch ein halbwegs normales Gespräch zu führen. Sie stellte mir Fragen, ich hatte auf diese Fragen zu antworten. Während ich jedoch antwortete, versuchte sie, mich in angebliche Widersprüche zu verwickeln, um mich als Lügner überführen und mir eine hässliche Szene machen zu können.

Es kam die Zeit, an der es entweder täglich hässliche Szenen gab oder Schweigen. Ich lernte zu akzeptieren, dass die Tage, in denen sie mich mit grundlosem Schweigen zu strafen suchte, die besseren Tage unserer Ehe waren.

Die Szenen verliefen immer nach dem gleichen Schema und stets tappte ich erneut in diese Falle.

„Warum kommst Du heute erst so spät?“

„Auf der Autobahn war Stau! Ich habe auch mehrfach versucht, Dich anzurufen, Sina! Du bist nicht ran gegangen!“

„Wenn ich nicht ran gehe, dann habe ich meine Gründe dafür! Du hast nicht mehrfach versucht, mich anzurufen! Ich habe lediglich einen Anruf in Abwesenheit von Dir auf dem Handy, lüg mich nicht an!“

„Gut, dann habe ich Dich vielleicht auch nur einmal angerufen.“

„Da haben wir es schon wieder! Immer lügst Du mich an! Nie kann man Dir vertrauen! Kannst Du mir vielleicht einmal erklären, wie ich es mit einem Subjekt aushalten soll, welchem ich nicht einmal minimal vertrauen kann, weil es mich stets und ständig anlügt?“

„Aber, Sina! Ich…!“

„Ich! Ich! Ich! Immer bist nur Du allein wichtig! Immer dreht sich das Universum nur um den gnädigen Herrn! Der ach so arme und gutmütige gnädige Herr mit der ach so bösen und streitsüchtigen Frau!“

„Aber Sina, niemand hat…“

„Schrei mich nicht an, Du gewalttätiges Schwein! Ständig musst Du mich anschreien, anstatt mir auch nur ein einziges Mal zuzuhören und auf mich einzugehen!“

„Sina, ich bitte Dich! Ich habe doch gar nicht…“

„Schon wieder schreist Du mich an! Schon wieder wirst Du laut und unsachlich und hörst mir nicht zu! Ich dulde das nicht länger! Ich bin nicht Deine dämliche Göre, auf der Du herum trampeln kannst, wie Dein Vater auf Deiner Mutter herumgetrampelt hat!“

„Aber Sina, bitte…!“

Laut schreiend: „Halt die Fresse, Du Schwein! Schwein! Schwein! Du widerliches Schwein! Du elendes stinkendes Stück Scheiße!“

Und trotz alledem liebte ich sie und sie wusste das ganz genau und machte dabei immer weiter, wie ein Kind, das immer mehr Luft in einen Luftballon hinein blies, neugierig, ob er wohl platzen würde oder nicht.

Der Zornige: Werdung eines Terroristen

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