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Ich betrachtete mir im Internet immer wieder eine Fotografie des Gemäldes „Die Pest“, gemalt von Arnold Böcklin im Jahre 1898.

Ich spürte die finstre, die gewaltige Kraft, die in der Aussage jenes Bildes steckte und ich bemerkte deutlich, wie die Seuchen Pest und Ebola mich mehr und mehr zu faszinieren begannen.

Der Tod, ein anscheinend junger Mann mit schwarzen leeren Augenhöhlen und wildem entschlossenen Blick, saß rücklings auf einem Drachen mit schwarzen Flügeln und schwang mit anscheinend diabolischer Freude die Sense, um Menschenernte zu halten, während der Drachen durch die Gassen einer Kleinstadt flog, in der die Toten kalt und bleich auf der Erde lagen, während die Lebenden schreiend davon stoben.

Und aus den Häusern, offensichtlich ausgelöst von den in wilder Panik verlassenen Herdfeuern, schlug Rauch, so dass auch die Behausungen der Menschen mit ihnen dem Untergang und der Vernichtung geweiht waren!

Eine düstere Prophezeiung am Vorabend des Ersten Weltkrieges, der sogenannten Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts!

Ein finsteres Bild, passend zu den schaurigen Kurzgeschichten und Phantasien des in der Havel beim Schlittschuhlaufen so grausam ertrunkenen expressionistischen Schriftstellers Georg Heym.

KEITAI, steht, seinem Wunsch gemäß auf seinem Grabstein in Berlin. KEITAI, nichts weiter. Nur KEITAI: Er schläft, er ruhet aus.

Brauchte die Menschheit eine neue Pest, eine neue Sintflut? War Läuterung in Gestalt der Seuche Ebola erforderlich! Musste die Infektionskrankheit gar in die Welt hinaus getragen werden?

In einer Notiz des berühmten Universalgelehrten und Jesuiten Athanasius Kirchner las ich über die Pest:

„Das Pestmiasma ist nichts anderes, als eine Schar kleiner Würmelien, welche in der Luft herumfliegen, und wenn sie durch den Atem in den Leib eingezogen werden, dasselbe Geblüt verderben und die Drüsen zersetzen. Wenn sie nun wiederum aus einem so angesteckten Leib herausfliegen und von einem Gesunden aufgenommen werden, wird mit ihnen die Pest fortgepflanzt.“

(Quelle: Athanasius Kirchner: Scrutinium physico-medicum contagios ae luis quae dicitur pestis. Romae 1658)

Ich las nun alles, was ich zu den Themen Pest und Ebola erreichen konnte. Zuerst war es nur ein Interesse. Es war vielleicht eine Art von Flucht aus der Realität meines Daseins. Aber ich spürte und ahnte deutlich, wie es allmählich und unaufhaltsam mehr wurde. Wie es mich übermannte und überrollte, wie eine Lawine, die von einem Berghang abgegangen war, die niemand mehr aufhalten konnte und die nun unablässig und stetig und zugleich immer schneller an Geschwindigkeit und an Masse zunahm.

Ich lebte schließlich in der Pest und ich lebte im Thema Ebolafieber.

Nichts hatte mich je zuvor so beschäftigt und fasziniert wie diese Themen!

Ich begriff, warum Pest und Ebola Argument waren, die man mit Waffen vergleichen konnte. Nur, dass sie weitaus schwieriger zu beherrschen waren, als gewöhnliche Waffen. Pest und Ebola, das waren wohl eher Einmanntorpedos unter den verfügbaren Waffen, die auch jenem den Tod bringen würden, welcher sie handhaben und einsetzen wollte!

Dennoch: Ich konnte mich der Faszination dieser Thematik nicht mehr entziehen, wie morbide und erschreckend sie auch sein mochte!

Angst und Schrecken brachten beide über die Menschheit und waren geeignet, wohl Einzelne zur Macht zu erheben. Angst und Schrecken brachten sie über die Menschen, ob arm oder reich und ganz gleich, welche Sprache sie sprachen und welcher Nation sie angehören mochten! Angst und Schrecken, aber zugleich auch Läuterung, Demut und Disziplin! Konnte man daher nicht am Ende sogar sagen, dass sie die wohl besten und edelsten Eigenschaften im Menschen hervorzubringen vermochten, während das Geld ganz offensichtlich nur das Schlechteste im Menschen wach rief und vermehrte, seine Gier?

Ich fand allmählich, Pest und Ebola hatten etwas beinahe Mystisches. Etwas Philosophisches, welches uns anspornte, über sie nachzudenken, wie jene Geistlichen und Gelehrten, der norddeutsche Pfarrer Johann Rist und der Nürnberger Universalgelehrte Erasmus Francisci, die sich im Dreißigjährigen Kriege unter dem Eindruck des allgegenwärtigen Todes in gelehrter Runde zusammen zu setzen, um beispielsweise darüber zu diskutieren, welches die wohl edelste Flüssigkeit auf der Welt sei, während draußen die Soldateska wütete.

Der Zornige: Werdung eines Terroristen

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