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8 Du müsstest mal richtig Hunger leiden.

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Stimmt nicht.

Gemeint ist damit: Sei doch nicht so undankbar! Oder: Du weißt gar nicht zu schätzen, wie gut du es hast!

Und das stimmt oft sogar. Aber aus demselben Grund, aus dem wir manchmal übersehen, wie toll es läuft, bringt es auch wenig, im Elend zu leben.

Natürlich ist es richtig und sinnvoll, sich immer wieder klarzumachen, wie gut es einem geht. Jedenfalls wenn es einem gutgeht. Wenn nicht, sollte man sich das auch klarmachen – und dann versuchen, etwas dagegen zu unternehmen.

Der Hungerspruch stammt von Generationen, die selbst Hunger gelitten haben. In den Kriegs- und Nachkriegszeiten gab es viel zu wenig zu essen, und die allermeisten Menschen hungerten. Und viele Jahrhunderte lang wechselten sich Krieg und Frieden in Europa ab. Dass seit gut fünfzig Jahren kein großer Krieg den Kontinent erschüttert hat, ist geschichtlich eine Sensation. Es führt aber auch dazu, dass mittlerweile schon zwei Generationen den Mangel nicht erlebt haben.

Nun ist es aber so, dass man sich eben einfach an Dinge gewöhnt. An Zufriedenheit, Geborgenheit, Sicherheit. Einmal Hunger zu leiden bringt daher sowieso nichts. Wirklich einprägen kann sich eine solche Situation nur, wenn sie lange anhält und man sich eben an den Hunger gewöhnt. Dann wird er zum Vergleichsmaßstab. Und das wünscht man ja nicht mal seinem ärgsten Feind. (Na ja, dem vielleicht schon, aber sonst keinem.)

Jemandem aber Hunger zu wünschen, damit er oder sie das Sattsein zu schätzen weiß, ist also nicht wirklich sinnlos, aber gemein. Es ist, als sollte man sich mit dem Hammer auf den Daumen hauen, weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachlässt. Doppelt fies ist der Satz, weil immer mehr junge Menschen in Deutschland in Armut leben. Mittlerweile ist fast jedes siebte Kind betroffen und jeder fünfte Jugendliche. Die meisten von ihnen bekommen vielleicht genug zu essen, können aber am sozialen Miteinander nicht teilhaben: Schwimmbad, Kino, MP3-Player – kommt alles nicht in Frage! Oft ist es dann auch noch so, dass die Eltern so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass sie gar keine Zeit für ihren Nachwuchs haben.

Undankbar zu sein ist natürlich nicht richtig. Aber Undankbarkeit derart gedankenlos entgegenzutreten, ist genauso falsch.

Ich hab´s dir ja gesagt

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