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18 Da waren die Augen wieder größer als der Bauch.

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Stimmt nicht.

Die Augen waren, sind und werden nie größer sein als der Bauch.

Das ist einer meiner Lieblingssprüche. Lese ich ihn, habe ich sofort den ganz besonderen Tonfall meiner Eltern im Ohr. «Na, da waren die Augen wohl wieder größer als der Bauch!» Gut, ich hatte mir mehr auf meinen Teller gepackt, als ich essen konnte. Aber erstens: Wenn man jung und hungrig ist, weiß man nicht so genau, wie viel man tatsächlich schafft. Und zweitens: Wer hat mir denn beigebracht, immer auf den Bauch zu hören und nicht weiterzuessen, wenn die Körpermitte stöhnt: «Mehr geht nicht!»? Eltern sind oft so inkonsequent.

Doch mal ganz in Ruhe und von vorne: Das durchschnittliche Auge eines erwachsenen Menschen hat einen Durchmesser von 24 Millimetern. Der Umfang beträgt knapp 75 Millimeter. Wenn man einen ganz normalen Augapfel, auf Lateinisch «Bulbus oculi», aushöhlen würde, dann hätte er ein Fassungsvermögen von 6,5 Millilitern – in Worten sechs Komma fünf Milliliter. Selbst wenn man beide Augen aushöhlt und zusammenzählt, ist das nicht viel – gerade mal 13 Milliliter.

Allein der Magen, der ja nur einen kleinen Teil des Bauchs ausmacht, kann bis zu 1500 Milliliter aufnehmen. Das bedeutet, in den Magen passt circa 115-mal so viel rein wie in zwei hohle Augen. Oder anders gesagt: Spätestens ab 116 verzehrten Augäpfeln bekommt man Bauchweh.

Der Magen spielt übrigens zusammen mit dem Gehirn eine wichtige Rolle beim Hungrigsein und Sattwerden.

Unser Körper braucht allein für die Atmung, den Herzschlag und den ganzen Rest der lebenserhaltenden Maßnahmen eine gewisse Menge Energie. Diese Energie nehmen wir beim Essen in Form von Kalorien zu uns. Wenn unser Körper Energienachschub benötigt, haben wir Hunger. Hunger hat seinen Ursprung im Gehirn – in einer bestimmten Region des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Von dort kommt das Signal: «Essen! Körper braucht Energie!»

Spätestens dann fangen Babys an zu schreien und bekommen ihren Brei. Wenn der Magen sich füllt und dehnt, geht ein Signal zurück ans Gehirn mit der Botschaft «Bin satt, weitere Nahrungsaufnahme verweigern!». Das ist der Moment, in dem man als fütternde Eltern Gefahr läuft, den gefüllten Breilöffel mit einem gezielten Schlag des Babys um die Ohren gehauen zu bekommen. Kleine Kinder achten sehr genau auf die Signale ihres Körpers.

Die Kinder werden älter, und die Nahrung wird fester – und beim Sattwerden wird nicht mehr so auf den eigenen Bauch, sondern eher auf äußere Reize geachtet. Die Eltern packen die Teller voll und erwarten meistens von ihren Kindern, dass er leer gegessen wird – ohne Rücksicht darauf, ob deren Körper vielleicht schon genug zu essen hatte. Kindern wird auf diese Weise beigebracht, eher auf den leeren Teller zu schauen, als auf den vollen Magen zu achten. Das haben auch Tests von Ernährungswissenschaftlern gezeigt. Wenn man Jugendlichen den Teller vollpackt, essen sie viel mehr, als wenn sie sich selbst nehmen würden. Satt zu sein hat also nicht nur mit den komplizierten Vorgängen zwischen Magen und Gehirn zu tun, sondern tatsächlich auch damit, wie leer der Teller aussieht. Das Auge isst mit.

Damit junge Menschen Auge und Bauch in Einklang bringen können, sollten Eltern es ihren Kindern überlassen, sich die Essensportionen selbst zu nehmen. So lernen sie, wie viel Nahrung der Körper braucht – und wann man wirklich satt ist. Wichtig dabei ist natürlich, dass das Angebot stimmt und sich jeder aufs Essen freuen kann.

Klar kann es dabei, wie bei allen Lernprozessen, hin und wieder zu Fehleinschätzungen kommen – und auf dem Teller liegt mehr, als der Magen fassen kann. Da müssen die Eltern dann einfach mal ein Auge zudrücken.

Ich hab´s dir ja gesagt

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