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4 Viele Köche verderben den Brei.

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Stimmt.

Es ist kaum zu glauben, aber wir alle essen Brei. Jeden Tag. Nur Brei und sonst nichts anderes. (Also abgesehen von all den Lesern, die hin und wieder vergessen zu kauen und ihre Brötchen in einem Stück runterschlucken.)

Und das bringt uns direkt zu einem kleinen Versuch, der allerdings für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne sehr schwierig werden wird. Alles, was man für diesen Versuch braucht, sind ein paar Scheiben Brot. Kann auch gerne Vollkornbrot sein. Einfach abbeißen und kauen.

Schön weiterkauen.

Kauen, kauen, kauen.

Nicht runterschlucken.

Und nicht mit vollem Mund lesen. (Äh, nein, diese Elternregel hieß anders ...) Immer weiterkauen.

Brot enthält übrigens Stärke. Das ist ein Stoff, der in vielen Pflanzen vorkommt und der für uns Menschen ziemlich wichtig ist. Stärke ist nämlich ein Grundnahrungsmittel.

Und? Ist aus dem Brot inzwischen Brei geworden? Prima. Und wie schmeckt der Brei? Die Chancen stehen gut, dass der Brei überraschenderweise viel süßer ist als das Brot. Das liegt daran, dass die Verdauung schon im Mund beginnt. Wenn man nämlich Brot zerkaut und mit Spucke mischt, dann sorgt ein Enzym mit Namen Ptyalin im Speichel dafür, dass die Stärke gespalten wird. Dabei entsteht Zucker. Der Geschmack wird dadurch süßer, und das Brot lässt sich so besser verdauen. Der Brotbrei kann jetzt getrost heruntergeschluckt werden.

Damit wäre die Behauptung von oben bewiesen: Egal, was wir essen, wir schlucken es meistens als Brei hinunter. Schmeckt auch ganz in Ordnung.

Jetzt kommt ein weiterer Versuch. Wer das Buch in der Straßenbahn oder im Bus auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit liest, hat Glück, denn für diesen Versuch braucht man mindestens drei weitere Personen.

Einfach wieder ein Stück vom Brot abbeißen und kauen. So lange kauen, bis das Brot schön breiig ist. Dann aber den Brotbrei nicht herunterschlucken, sondern weitergeben an den Menschen, der gerade neben einem sitzt oder steht.

Der soll auch ein bisschen auf dem Brotbrei rumkauen und ihn schön mit Spucke vermischen. Und dann soll er den Brei an den Nächsten weitergeben. Der macht das Gleiche – er vermischt den Brei von seinem Vorkauer mit seiner eigenen Spucke und gibt den wahrscheinlich inzwischen schon sehr flüssigen Brei wieder weiter. Und auch die vierte Person leistet ihren Beitrag – zerkauen und einspeicheln – und gibt den Brei wieder zurück an den verehrten Leser dieser Zeilen.

Und? Schmeckt der Brotbrei immer noch so schön süß wie beim ersten Versuch? Bestimmt nicht. Bestimmt schmeckt der Brei eklig, abstoßend, verdorben. (Hatte ich erwähnt, dass es sich bei diesem Versuch nur um ein Gedankenexperiment handelt? Nein? Oh, das tut mir leid.) Wenn viele Menschen an einer Sache arbeiten, wird sie meistens nicht so, wie man sich das gewünscht hat. Nichts anderes bedeutet der Elternspruch «Viele Köche verderben den Brei». Dem einen ist der Brei zu süß, dem anderen nicht fruchtig genug. Und so müssen Kompromisse eingegangen werden, die am Ende dazu führen können, dass der Brei keinem mehr schmeckt. Was kann man dagegen machen? Dazu lohnt es sich vielleicht, einen Bück in eine Restaurantküche zu werfen.

Denn wenn viele Köche den Brei verderben, wie kann es dann erfolgreiche Restaurants geben mit großen Küchen, in denen viele Köche arbeiten? Die Antwort ist einfach: Es gibt einen Chef, der das Sagen hat – den Chefkoch, auch Chef de Cuisine genannt. (Das wird «Scheff dö Kwisien» ausgesprochen.) Er bestimmt unter anderem, was eingekauft wird und was auf die Karte kommt. Der Chef hat einen Stellvertreter, den Sous-Chef («Ssuh-Scheff»). Dem wiederum sind viele Chefs de Partie («Scheffs dö Partie») unterstellt. Je nach Größe der Küche erledigen sie die eigentliche Kocharbeit, oder aber sie haben unter sich noch die Demichefs de Partie («Dömischeffs dö Partie») – das sind die Stellvertreter, und die Commis de Cuisine («Kohmmi dö Kwisien») – die Jungköche.

Damit sich die ganzen Köche nicht in die Quere kommen, haben die Chefs de Partie unterschiedliche Aufgabenbereiche. Der eine kümmert sich nur um Kaltspeisen – das ist der Gardemanger («Gardehmongschee»), ein anderer nur um die Suppen – das ist der Potagier («Pohtaschjieh»), wieder ein anderer nur um Fisch – das ist der Poissonnier («Puassonjieh») – oder um Gebratenes – das ist der Rötisseur («Rottissöhr»). Ein Koch ist zuständig für Soßen – der Saucier («Sohssjieh»), einer für Beilagen – der Entremetier («Ontrömetjieh»), und um meinen Lieblingsbereich, den Nachtisch, kümmert sich der Pâtissier («Pahtissjieh»).

Und wer jetzt Hunger auf Brei bekommen hat, darf gerne eine Pause vom Lesen machen.

Ich hab´s dir ja gesagt

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