Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 10
I.2 Quellen
ОглавлениеDie 2003 und 2006 der Forschung zugänglich gemachten vatikanischen Quellen aus dem Pontifikat Pius’ XI.68 bilden die wesentliche Materialgrundlage der Studie.69 In den im Vatikanischen Geheimarchiv verwahrten Beständen der Münchener beziehungsweise Berliner Nuntiatur [ASV, ANM beziehungsweise ANB]70 sowie in den im Historischen Archiv des Staatssekretariats befindlichen Akten der AES in den Serien für Bayern beziehungsweise Deutschland [S.RR.SS., AA.EE.SS., Baviera beziehungsweise Germania]71 findet sich zu den meisten Bischofseinsetzungen aus den 1920er Jahren jeweils ein Faszikel mit relevanten Dokumenten, wobei die jeweilige Anzahl der Blätter völlig verschieden ausfallen kann und zwischen einem Dutzend bis zu mehreren Hundert schwankt. Für die bayerischen und preußischen Konkordatsverhandlungen bieten die genannten Serien eine Vielzahl von zum Teil sehr umfangreichen Faszikeln. Die Überlieferung in den einzelnen Faszikeln ist praktisch vollständig, sodass sich meistens ein komplettes Bild der Ereignisse zeichnen lässt. Für die Fälle ab 1930 wird die Quellenlage dünner, was zum einen damit zusammenhängt, dass die Besetzungsmodi in Bayern und Preußen normiert waren und die einzelnen Fälle daher geradliniger verliefen. Die badischen Konkordatsverhandlungen führte Pacelli großteils in Rom, was dazu führte, dass sich hierfür weniger Quellenmaterial als für die Verhandlungen mit Preußen und Bayern ansammelte. Zum anderen gingen die in der Berliner Nuntiatur befindlichen Dokumente einiger Fälle im Krieg verloren, sodass für neun causae nur die AES-Akten zur Verfügung stehen, für die Besetzung in Passau 1936 sogar gar keine.72 Insgesamt beträgt die Zahl der für die Untersuchung relevanten Folii circa 17.000. Diese Quellen bestehen konkret aus drei „Korrespondenz-Feldern“:
a) Das Hauptfeld bildet die Korrespondenz zwischen Münchener beziehungsweise Berliner Nuntiatur und römischem Staatssekretariat, besteht also aus Nuntiaturberichten und Weisungen samt Anlagen in Überlieferung und Gegenüberlieferung, meistens sowohl als Entwurf und Ausfertigung archiviert.73 Diese Dokumente werden für die Hälfte des hier untersuchten Zeitraums (bis 1929) im Münsteraner DFG-Projekt „Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte von Eugenio Pacelli (1917–1929)“74 online ediert. Die Zusammenarbeit mit diesem Projekt gibt erst die Möglichkeit, die Materialfülle logistisch bewältigen zu können. Thomas Brechenmacher arbeitet an der Online-Edition der Nuntiaturberichte Cesare Orsenigos von 1930–39, des Nachfolgers Pacellis als Nuntius in Berlin.75 Hier wurden jedoch erst die Dokumente für die Jahre 1933 und 1934 zugänglich gemacht.
b) Das zweite Feld besteht in der innerkurialen Korrespondenz, also insbesondere im Briefverkehr zwischen den beteiligten Kongregationen. Dieses Material ist allerdings nur spärlich und wie sich herausstellte für die Besetzung der Bischofsstühle insgesamt wenig bedeutend. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Formulare oder um Anweisungen, Dokumente auszufertigen. Stichproben in den Akten des Archivs der Konsistorialkongregation [ASV, Concist.], des Heiligen Offiziums [ACDF, SO] oder der Studienkongregation [ASV, Studi] erbrachten keine nennenswerten Funde. Daher wurde auf eine systematische Sichtung der Akten verzichtet, zumal der Schriftverkehr mit diesen Institutionen durch die AES vollständig (in Entwurf der abgehenden beziehungsweise Ausfertigung der eingehenden Schreiben) überliefert ist. Was die Konsistorialkongregation betrifft, so war sie zwar formal für die Einsetzung der Bischöfe zuständig, trat die Befugnisse aber in dem Augenblick an die AES ab, in dem etwa aufgrund von Konkordaten – wie in Deutschland – ein Benehmen mit der jeweiligen Staatsregierung notwendig war.76 Die Quellen aus der Apostolischen Kanzlei [ASV, Canc. Ap.], die zum Beispiel für die Anfertigung von Ernennungsbullen zuständig war oder die Informativprozessakten sammelte, sind für den Zeitraum ab 1922 gesperrt. Neben dem innerkurialen Briefverkehr werden schließlich noch zwei weitere Quellengattungen einbezogen: Zum einen die vorbereitenden Relationen mitsamt den Protokollen der AES-Sitzungen zur Frage der Bischofseinsetzungen in Deutschland beziehungsweise der Konkordatsverhandlungen [S.RR.SS., AA.EE.SS., Sessiones]. Zum anderen sind für die Zeit ab 1930 die Audienznotizen zu konsultieren, die Pacelli als Kardinalstaatssekretär von seinen Unterredungen mit Pius XI. anfertigte [S.RR.SS., AA.EE.SS., Stati Ecclesiastici].77
c) Als letztes Feld ist der Briefverkehr zwischen den Nuntiaturen und innerdeutschen Korrespondenzpartnern – zum Beispiel Bischöfen, Domkapitularen, Laien, Staatsbeamten etc. – zu nennen, der in den Nuntiaturarchiven nahezu vollständig (wiederum im Entwurf der abgehenden beziehungsweise in der Ausfertigung der eingehenden Schreiben) überliefert ist. Bei den Briefen handelt es sich meistens um Petitionen, Anweisungen, formale Absprachen oder Gutachten. Die Ausfertigungen der Nuntiaturschreiben sollten von den Adressaten nach der Lektüre häufig vernichtet werden, sodass das Nuntiaturarchiv meistens der einzige Ort ist, an dem sich die Dokumente erhalten haben.78
Letztgenannte Praxis ist einer der Gründe, warum Quellen aus den Diözesanarchiven nicht systematisch berücksichtigt werden,79 die – wenn sie nicht im Zweiten Weltkrieg verloren gingen – von der Forschung großteils bereits aufgearbeitet wurden. Sie mit einzubeziehen ist auch deshalb nicht zwingend notwendig, da die entscheidenden Weichen – bedingt durch die neue kirchenpolitische Situation – ohnehin beim Heiligen Stuhl und nicht vor Ort gestellt wurden. Sich auf die vatikanischen Quellen zu konzentrieren, entspricht abgesehen davon auch dem Anliegen der Arbeit, die Besetzungsfälle vornehmlich durch Pacellis „Brille“ zu sehen. Dieselben Gründe gelten im Wesentlichen auch für die staatlichen Aktenüberlieferungen. Für die Fragerichtung der Studie reicht es aus, die vorhandenen Forschungsergebnisse zum innerstaatlichen Teil der Bischofseinsetzungen zu konsultieren.80 In sämtlichen Fällen ab 1933 etwa kann der Umgang der NS-Regierung mit der politischen Klausel auf Basis der Dissertation von Bernd Heim skizziert werden.81