Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 27
Die Reaktion des Staates auf die Position des Heiligen Stuhls
ОглавлениеGraf Zech leitete die beiden Schreiben Pacellis jeweils sofort nach Berlin weiter und fügte hinzu, dass Pacelli beabsichtige, am 29. Dezember in Berlin einzutreffen und anschließend umgehend nach Köln zu reisen, weshalb er eine unmittelbare Entscheidung der Regierung wünsche.369 Nach Erhalt des ersten Schreibens setzte man im Berliner Auswärtigen Amt alle Hebel in Bewegung, um die Regierungsposition und -strategie für die Verhandlungen mit dem Nuntius zu sondieren.370 Ein Exposé sollte den staatlichen modus procedendi abstecken und als Grundlage für eine am 27. Dezember im Staatsministerium stattfindende Besprechung zwischen Vertretern Preußens und des Reichs dienen. Dieses Grundlagenpapier fasste die Interessen der verschiedenen Parteien zusammen: Alle Seiten seien mit Schulte als neuem Erzbischof von Köln einverstanden, die Divergenzen lagen daher also auf dem Gebiet des Wie der Wiederbesetzung. Domkapitel und Kultusministerium würden – so das Papier – in der Annahme konvergieren, dass die vertraglichen Abmachungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl durch die Reichsverfassung nicht aufgehoben seien und damit dem Domkapitel das Wahlrecht nach wie vor rechtmäßig zustehe. Eine Änderung der Rechtslage könne nur in Übereinstimmung beider Seiten vorgenommen werden.371 Die römische Kurie hingegen habe nachträglich die Wahl des Kapitularvikars erlaubt und für die vermeintliche Erzbischofswahl auf weitere Instruktionen verwiesen: „Daraus hat das Domkapitel mit Recht entnommen, daß seitens der Kurie der Versuch gemacht werden wird, in seine bisherigen Rechte einzugreifen.“372 Das Papier führte anschließend das Ansuchen des Kölner Kapitels in Rom und die Berichterstattungen der Gesandten Bergen und Zech an, darunter auch die beiden Besetzungsvarianten, die Pacelli am 24. Dezember als Optionen des Heiligen Stuhls mitgeteilt hatte.373
Aus all dem folgerte das Exposé seine zentralen Handlungsdirektiven: 1) Da die konkordatären Vereinbarungen nicht einseitig abgeändert werden könnten, werde die Regierung, „wenn die Kirche jetzt den Standpunkt einnimmt, freie Hand zu haben, dies aufs Entschiedenste bekämpfen müssen“374. 2) Darum könne bis zu einer Neuregelung der Rechtslage – wie Norbert Trippen zusammenfasst – „die Ausschließung der staatlichen Mitwirkung bei der kirchlichen Ämterverleihung gemäß Artikel 137 der Reichsverfassung nicht in die Praxis umgesetzt werden“375. Konsens bestand zwar darin, dass eine solche Neuregelung am Verhandlungstisch erarbeitet werden sollte, allerdings hatte man die jeweiligen Vor- und Nachteile des Abschlusses entweder eines Reichskonkordats oder mehrerer Länderkonkordate in Berlin noch nicht abschließend abgewogen. Die Lagebesprechung im Berliner Staatsministerium vom 27. Dezember präzisierte die genannten Punkte und legte sie in einem Promemoria nieder, das Pacelli bei seiner Ankunft präsentiert werden sollte.