Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 8
I. Einleitung
Оглавление„Pacelli ist erfüllt von dem Glauben an die Allmacht und den weltbeherrschenden Beruf der Katholischen Kirche und vertritt seine Thesen mit jugendlicher Begeisterung und klerikaler Hartnäckigkeit. Leider fehlen dem neuen Prosegretario [sc. Pacelli, R.H.], der stets nur in den Arbeitsräumen des Vatikans und der Akademie sich bewegte, praktische Erfahrung und politischer Sinn, ein Mangel, der ihn wahrscheinlich gerade für die herrschende Klique [sc. in der Kurie Pius’ X., R.H.] zum harmonischen Mitarbeiter in dem jetzigen System qualifiziert. Für eine Regierung, … die sich auf den Standpunkt stellt, dass sie sich um Gesetz, Tradition und Eigenart der einzelnen Nationen nicht zu kümmern braucht, da ihr Reich nicht irdisch sei, für eine solche Regierung ist es leicht und verführerisch, aus der Dunkelkammer des Büros Machtgebote in die Welt zu schleudern ohne Sorge darüber und ohne Voraussicht dafür, ob diese vom traditionellen, römischen Herrschertrieb eingegebenen Befehle sich in unvermeidlichen Konflikt setzen mit den realen Forderungen der Gegenwart. Msgr. Pacelli … wird nicht zu denen gehören, die diesen Fehler vermeiden und wir werden trotz seines äußerlichen konzilianten Wesens in zweifelhaften Fragen auf Entgegenkommen und Rücksicht für unsere Interessen schwerlich bei ihm rechnen können.“1
Dieses kritische Urteil fällte der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Otto von Mühlberg, 1912 über den frisch ernannten Prosekretär der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten (AES), Eugenio Pacelli. Als Benedikt XV. Pacelli 1917 als Nuntius nach München entsandte, dieser also die Arbeitsräume des Vatikans verließ, wurde die Frage, ob er auf die „realen Forderungen der Gegenwart“ eingehen und auf „Gesetz, Tradition und Eigenart“, also auf die „Interessen“ in Bayern und Deutschland Rücksicht nehmen oder stattdessen intransigent in „klerikaler Hartnäckigkeit“ auf seinen römischen Standpunkten beharren würde, brennender denn je. Eine seiner wichtigsten Aufgaben war es fortan, die Besetzung der deutschen Bistümer zu regeln. Pacelli selbst schrieb 1926: „Höchste Sorgfalt legt die Kirche stets auf die Wahl der Bischöfe, an denen zum größten Teil der Erfolg der katholischen Religion und das Wachstum des Glaubens hängen.“2 Die Bestellung der Bischöfe markierte jedoch nicht nur das Zentrum der kirchlichen Personalpolitik. Auf sie richteten sich damals kirchliche und staatliche, römische und deutsche Interessen gleichermaßen. Daher gehörte das Feld der Bischofseinsetzungen in besonderer Weise zu den von Mühlberg angesprochenen „zweifelhaften Fragen“, für die er von Pacelli keine Rücksicht erwartete. Vor diesem Hintergrund drängt es sich geradezu auf, zu untersuchen, wie der Nuntius und spätere Kardinalstaatssekretär Pacelli mit den Bischofseinsetzungen in Deutschland umging, was seine Beweggründe waren und welche Ziele er verfolgte.
Für die kirchenhistorische Forschung ist es ein Glücksfall, mit den mittlerweile zugänglichen vatikanischen Akten aus dem Pontifikat Pius’ XI. (1922–1939) eine breite Quellengrundlage zu haben, die es erlaubt, die Besetzungen der deutschen Bistümer in den 1920er und 1930er Jahren erstmals von innen her nachvollziehen und verstehen zu können. Als Fix- und Ausgangspunkt, von dem her die Bischofseinsetzungen zusammengeschaut und in ihrer Beziehung untereinander einsichtig werden, bietet sich die Person Pacellis in besonderer Weise an: Schließlich war er als Nuntius in München (1917–1925) und Berlin (1920–1929), als Kardinalstaatssekretär (1930–1939) und später als Papst Pius XII. (1939–1958) über einen Zeitraum von 40 Jahren maßgeblich an der vatikanischen Deutschlandpolitik beteiligt.
Mit der Person Pacellis auf der einen und den Bischofseinsetzungen in Deutschland auf der anderen Seite treffen zwei schwergewichtige Themen der Forschung zusammen, die sich gegenseitig erschließen und deren relationale Untersuchung auf Basis der vatikanischen Quellen für beide neue und tiefe Einblicke erwarten lässt.