Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 13

I.5 Methode, Fragestellungen und Aufbau

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Für die Umsetzung des skizzierten Vorhabens sind zwei verschieden angelegte Arbeitsschritte erforderlich: Zunächst sind in einem quellenpositivistischen Teil die 31 Besetzungsfälle und die Diskussion des Themas innerhalb der Konkordatsverhandlungen systematisch mit den vatikanischen Unterlagen und damit bereits in der Perspektive des Heiligen Stuhls beziehungsweise Pacellis minutiös zu rekonstruieren, um ein möglichst komplettes Bild der Ereignisse zu zeichnen. Es handelt sich methodisch also um eine dezidiert kirchenhistorische, nicht etwa kanonistische Arbeit, wenngleich dieses Feld angesichts der Thematik immer wieder eine wichtige Rolle spielt. Die Rekonstruktionen müssen auf der einen Seite umfassend sein, damit sie die Lücken in der Diözesangeschichtsforschung tatsächlich schließen können und sich Pacellis Handeln anschließend fundiert analysieren lässt. Auf der anderen Seite werden jedoch nicht sämtliche, regelmäßig wiederkehrende Verfahrensschritte, die der CIC von 1917 jenseits der partikularrechtlichen Konkordatsbestimmungen regelte (vgl. I.6), in jedem Einzelfall akribisch dargestellt, sondern nur, wenn sie für das Verständnis der Ereignisse notwendig sind oder von den Quellen selbst thematisiert werden.96 Auf eine größtmögliche Quellennähe wird Wert gelegt. Zum Beispiel werden biographische und urteilende Angaben zu etwaigen Bischofskandidaten, insbesondere im Rahmen der konkordatären Listenverfahren, genauso wiedergegeben, wie die Quellen sie darstellen und nicht grundlegend gekürzt oder durch zusätzliche Informationen ergänzt. Denn in genau dieser Form wirkten sie auf den Fortgang des Verfahrens ein. Welcher Stellenwert ihnen im Einzelnen letztlich zukam, kann erst im Nachhinein beurteilt werden. Für eine bessere Lesbarkeit werden die Zitate aus den italienischen und lateinischen Quellen im Fließtext übersetzt und der Originaltext in den Fußnoten abgedruckt.97

Der zweite systematische Teil besteht in der Analyse der rekonstruierten Besetzungsfälle auf das Handeln und Denken Pacellis hin und im Rahmen des Beziehungsgefüges von Heiligem Stuhl, Staat und Ortskirche. Zu diesem Zweck wird an jedem einzelnen Besetzungsfall ein Raster von fünf Fragekomplexen beantwortet:

1) Pacelli und die Bischofskandidaten – Welche Geistlichen wählte Pacelli aus welchen Gründen für den jeweiligen Bischofsstuhl aus? Wie sahen seine Kriterien für Episkopabilität aus? Welche Bedeutung hatten für ihn die entsprechenden Bestimmungen des CIC? Woher nahm er die Kandidaten? Kannte er sie persönlich?

2) Pacelli und der Besetzungsmodus – Wie stand Pacelli prinzipiell und im konkreten Fall zur Grundfrage nach päpstlicher Nomination und Kapitelswahl? Welche Besetzungsmodi vertrat er in den verschiedenen Konkordatsverhandlungen und aus welchen Gründen? Inwieweit sollte durch Episkopat und Domkapitel die Ortskirche an der Bischofsfindung beteiligt werden? Nutzte Pacelli Spielräume innerhalb der konkordatär genormten Besetzungsmodi zu seinen Gunsten aus und falls ja, wie genau? Berücksichtigte er die vorgeschriebenen Vorschlagslisten?

3) Pacelli und der Staat – Welche Rolle spielte für Pacelli die Konkordatspolitik innerhalb der Besetzungsfälle? Inwieweit, wann und wo nahm er Rücksicht auf staatliche Interessen und welchen Einfluss war er bereit, den Regierungen in den Besetzungsfällen zuzugestehen? Handelte Pacelli in der Weimarer Republik anders als im Dritten Reich? Wie reagierte er auf staatliche Kandidatenablehnungen?

4) Pacelli und die Informanten – Holte Pacelli Informationen ein, welche die Kandidaten oder den Besetzungsfall allgemein betrafen und falls ja, bei wem? Auf welche Ratgeber hörte er, wessen Wort hatte bei ihm kein Gewicht? Welche Bedeutung hatten informelle Arrangements gegenüber dem formalen Verfahrensverlauf?98

5) Pacelli und die Kurie – Pacelli als Nuntius: Wie entscheidend war er für die vatikanische Bischofspolitik? Vertrat er eigene Konzepte oder war er lediglich ein kuriales „Werkzeug“? War seine Berichterstattung vollständig oder hielt er Informationen zurück? Konnte er sich mit eigenen Vorschlägen durchsetzen? Setzte er die römischen Weisungen getreu um? Inwieweit deckten sich seine Ansichten mit denen des Kardinalstaatssekretärs Pietro Gasparri? Pacelli als Kardinalstaatssekretär: Was änderte sich in der vatikanischen Bischofspolitik durch den Amtswechsel? Welchen Einfluss auf die Bischofseinsetzungen in Deutschland nahm Pacelli von Rom aus?99 In welchem Verhältnis stand er zu Papst Pius XI. und seinen Nachfolgern in der Münchener und Berliner Nuntiatur, Alberto Vassallo di Torregrossa und Cesare Orsenigo?

Jeder Fragekomplex wird zunächst auf Grundlage jedes einzelnen Besetzungsfalls beantwortet, ohne die Erkenntnisse vorangegangener Fälle unmittelbar mit einzubeziehen. Auf diese Weise soll vermieden werden, Ergebnisse zu präjudizieren und dadurch womöglich neue, divergierende Handlungsmuster zu übersehen.100 Ausnahmen bilden jene Bezüge, die innerhalb eines Falls selbst hergestellt werden, zum Beispiel wenn Pacelli auf Bischofskandidaten oder Informanten aus früheren Fällen zurückgreift. Der ein oder andere Seitenblick ist also nötig, um Pacellis Handeln im konkreten Einzelfall besser nachvollziehen zu können. Der Nachteil dieser streng auf den Einzelfall fokussierten Analyse besteht in Redundanzen, die sich zwangsläufig nicht immer vermeiden lassen. Darüber hinaus lassen sich die Fragekomplexe nicht immer genau voneinander trennen, sondern sie hängen häufig eng zusammen, weshalb auch hier gewisse Überschneidungen unumgänglich sind.

Eine methodische Schwierigkeit ergibt sich hinsichtlich des fünften Fragekomplexes: Wirkte Pacelli als Nuntius und damit gewissermaßen als von der Kurie „unterscheidbare“ Instanz, ist es sinnvoll, die Frage, auf welche Resonanz seine Überlegungen in Rom stießen, am Schluss, nach der Darstellung der ersten vier Themenbereiche, zu klären. Handelte Pacelli jedoch als Kardinalstaatssekretär aus dem inneren Kreis der Kurie, müsste die Frage, wie maßgeblich er für die vatikanische Bischofspolitik war, eigentlich vorangestellt werden. Denn erst wenn sie geklärt ist, lassen sich streng genommen aus den Instruktionen des Heiligen Stuhls Folgerungen für Pacellis Haltung in den übrigen Themenfeldern ziehen. Ungeachtet dessen wurde auf eine Umstellung der Fragekomplexe in den Fällen ab 1930 verzichtet: Zum einen um die Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit zu wahren. Zum anderen weil sich die Urheberschaft Pacellis für die kurialen Instruktionen, aus denen wiederum die ersten vier Fragekomplexe beantwortet werden, in manchen Fällen erst aus diesen Instruktionen selbst ergibt. Um Pacellis Rolle in diesen Fällen herauszuarbeiten, lassen sich daher auch hermeneutische Zirkel nicht immer vermeiden.

Schließlich lassen sich nicht alle Fragen bei jedem Besetzungsfall in gleichem Maße beantworten. In solchen Fällen bleiben Leerstellen, die sich womöglich in einer Gesamtschau füllen lassen. Insofern verfolgt das Frageraster einen doppelten Zweck: Zum einen soll dadurch der konkrete jeweilige Besetzungsfall in sich tiefer verstehbar, zum anderen soll eine Vergleichsbasis für eine abschließende Gesamtbeurteilung geschaffen werden. In dieser Synopse können dann die roten Linien herausgearbeitet, die Fragen nach Veränderungen, Entwicklungen und prägenden Handlungsmaximen angesichts der angesprochenen Zäsuren beantwortet und Pacellis etwaige Informantennetzwerke offengelegt werden.101

Aus den genannten Arbeitsschritten ergibt sich bereits die Grobgliederung der Arbeit: Nach dem einleitenden Teil (I) bietet der Hauptteil (II) die rekonstruierten Besetzungsfälle und Konkordatsverhandlungen. Jedem einzelnen Fall wird umgehend im Anschluss die Teilanalyse beigefügt, die nur im unmittelbaren Kontext des Verlaufs der causa verstehbar ist. Die Zusammenschau der Teilergebnisse wird in dem anschließenden Teil (III) vorgenommen und durch ein Fazit abgerundet.102

Für den inneren Aufbau des Hauptteils (II) ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder man folgt einer strengen Chronologie der Fälle und damit der Abfolge, in der Pacelli selbst mit ihnen konfrontiert war. Der Vorteil dieser Darstellung besteht darin, dass die Wechselwirkungen und Einflüsse der causae untereinander und auf Pacellis Handeln deutlich hervortreten. Oder man durchbricht die reine Chronologie und gliedert den Hauptteil nach dem kirchenrechtlich-geographischen Gesichtspunkt in vier Unterkapitel: Preußen, Bayern, Oberrheinische Kirchenprovinz, Sachsen. Innerhalb dieser Unterkapitel werden die Fälle jeweils wieder chronologisch dargestellt. Dieser territorial-chronologische Aufbau gewährleistet angesichts der unterschiedlichen Rechtslagen und Besetzungsmodi in den genannten Teilstaaten die erforderliche Klarheit und Übersichtlichkeit der Rahmenbedingungen, die in der erstgenannten Option verloren gehen. Deshalb folgt die vorliegende Studie dieser zweiten Variante.103 Um die reziproken Bezüge der Besetzungsfälle und Konkordatsverhandlungen über die geographischen Eingrenzungen hinweg nicht aus den Augen zu verlieren, werden entsprechende Querverweise ausdrücklich hergestellt.

Besonderheiten in der Gliederung betreffen die preußischen und badischen Konkordatsverhandlungen. Da sich die preußischen Verhandlungen über einen Zeitraum von beinahe zehn Jahren erstreckten und währenddessen mehrere Bistümer besetzt wurden, können sie nicht in einem einzigen Kapitel dargestellt werden. Deshalb werden sie in der Frühphase zwischen 1920 und 1922 – zum Teil mit den ersten Reichskonkordatsbestrebungen verknüpft – in zwei Exkursen (I und II) beschrieben, die wiederum entsprechend der Chronologie der Ereignisse jeweils von Besetzungsfällen umrahmt werden. Die Exkurse bilden mit dem Hauptkapitel (II.1.5), das die finalen Verhandlungen zwischen 1926 und 1929 behandelt, eine Einheit. Die badischen Verhandlungen sind schließlich eng mit der Besetzung des Erzbistums Freiburg 1931/32 verwoben und werden daher in diesem Zusammenhang skizziert.

Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939

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