Читать книгу Eugenio Pacelli im Spiegel der Bischofseinsetzungen in Deutschland von 1919 bis 1939 - Raphael Hülsbömer - Страница 24
Die Order des Kardinalstaatssekretärs für die Bischofseinsetzungen in Deutschland und konkret in Köln
ОглавлениеLetzteres stimmte nur zum Teil, da die Instruktionen bislang nur darin bestanden, auf weitere Instruktionen zu warten. Nachdem nun aber die innerkuriale Klärung stattgefunden hatte, gab Gasparri am 6. Dezember 1919 Pacelli endlich konkrete Anweisungen, sowohl was grundsätzlich die Rechtslage der deutschen Bischofseinsetzungen 1) als auch was spezifisch die Inauguration in Köln 2) anbelangte.321
1) In der Frage, ob durch die politischen Umwälzungen in Deutschland die bisherigen Vereinbarungen noch Geltung beanspruchen könnten, hatte man sich in der Kurie – wie gesehen – letztlich auf Gasparris Lösung geeinigt. Seine Argumentation wiederholte er nun für Pacelli: Es werde von staatlicher Seite gesagt – eine Anspielung auf die Erklärung des Kultusministertreffens im Reichsinnenministerium im Oktober –, dass die Zirkumskriptionsbullen insoweit in Kraft blieben, als deren Bestimmungen nicht in Widerspruch zur neuen Verfassung stünden. Durch dieses Argument seien aber diejenigen Bestimmungen, die der WRV widersprächen, für nichtig erklärt worden. Daher glaubte der Staatssekretär sich auf die völkerrechtlich gemeinhin anerkannte Vertragstheorie berufen zu können und behauptete: Wenn aber in einem Vertrag die eine Seite einige Bestimmungen einseitig ändere oder aufgebe, könne die andere – in diesem Falle der Heilige Stuhl – sich auch von den anderen juristischen Konditionen gelöst betrachten:
„Aus diesem Grund kann der Heilige Stuhl sich nicht mehr an die geschlossenen Vereinbarungen mit den verschiedenen Regierungen oder Staaten Deutschlands gebunden halten und tut dies auch nicht mehr; ganz besonders, da sie zum großen Teil nicht mehr mit den geschehenen radikalen politischen Veränderungen übereinstimmen.“322
Damit war also die WRV der willkommene Anlass, sich von den alten missliebigen Zugeständnissen, die unter anderen Voraussetzungen im frühen 19. Jahrhundert den staatlichen Souveränen gemacht wurden, zu befreien. Trotz dieser Freiheit des Heiligen Stuhls sei dieser aber zu Verhandlungen über die Neuregelung (ex novo) der gesamten Rechtsmaterie des Kirche-Staat-Verhältnisses bereit, entweder mit der Reichsregierung – was Gasparri vorzog – oder aber mit den einzelnen Länderregierungen. Pacelli wurde beauftragt die Verhandlungen einzuleiten.
2) Bezüglich des vakanten erzbischöflichen Stuhls in Köln habe der Papst beschlossen, Schulte an die Spitze des Erzbistums zu promovieren, „der durch seine ausgewählten Qualitäten zweifellos eine sehr gern gesehene Person ist, nicht nur beim Metropolitankapitel und den Gläubigen der wichtigen Erzdiözese, sondern auch bei der Regierung“323. Das Kapitel dürfe sich auch nicht mit der Regierung in Verbindung setzen, weil die Kurie alles Notwendige klären werde. Ob das Wahlrecht künftig wieder Anwendung finden könne, sei – so Gasparri – noch nicht abschließend erörtert worden.324 Pacelli wurde abschließend angewiesen, sich zuerst nach Köln zu begeben, um das Kapitel zu informieren, dass der Heilige Stuhl aufgrund der aktuellen Umstände für dieses Mal beabsichtige, direkt zur Besetzung des vakanten Erzbischofsstuhls zu schreiten. Die Person Schultes sollte der Nuntius dabei vor den Domherren ins beste Licht setzen. Anschließend sollte er nach Berlin fahren, um die angesprochene Erklärung über die Nichtigkeit der alten Rechtsgrundlage zu verkünden, die neuen Verhandlungen zu beginnen und die Regierung über die vom Heiligen Stuhl für Köln propagierte Vorgehensweise in Kenntnis zu setzen.
Damit sollte das vorläufige Ergebnis der Disputation innerhalb der AES Realität werden: Der Heilige Stuhl glaubte sich an die alte Rechtsgrundlage nicht mehr gebunden, der Papst sollte den neuen Erzbischof von Köln ernennen. Um der Regierung entgegenzukommen – im Hinblick auf die künftigen Verhandlungen – wurde der ihr genehme Schulte als Nachfolger Hartmanns bestimmt. Der Bitte des Domkapitels sollte nicht entsprochen werden. Weder eine Wahl noch etwa das Trostpflaster einer Vorschlagsliste, was Pacelli als grundsätzliche Möglichkeit in Erwägung gezogen und was auch Gasparri in der AES als Option vorgestellt hatte, sollte dem Kapitel zugestanden werden. Auch wenn Pacelli zunächst nach Köln und erst dann nach Berlin reisen sollte, war wesentlich die Regierung der Widerpart, mit dem man sich auseinandersetzen musste. Obwohl die Tendenz der AES deutlich dahin ging, für die Zukunft die Aufhebung des Kapitelswahlrechts anzustreben, ließ Gasparri in seiner Weisung diese Frage bewusst in der Schwebe, wenn er erklärte, sie sei noch nicht abschließend erörtert worden. Natürlich durfte das Kölner Metropolitankapitel diese grundsätzliche Intention nicht erfahren, wenn man es zur gütlichen Aufnahme der päpstlichen Nomination Schultes bewegen wollte.