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An der Leopoldstraße warte ich an der Ampel. Luxuslimousinen und Sportwagen rauschen an mir vorbei. Für uns ein selbstverständlicher Anblick. Doch bei den Mineros in Bolivien wurde mir eines klar: In den westlichen Industrienationen geht es uns nur deshalb so gut, weil es in anderen Ländern den Menschen so schlecht geht. Seitdem frage ich mich, warum das keiner verstehen will. Wir zwingen den Ländern der Erde ein Wirtschaftsmodell auf, das ökologisch tödlich ist. Das wird Konsequenzen haben. Sie werden verheerend sein, aber es scheint niemanden zu kümmern.

Vor welchem Tribunal werden sich die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft eines Tages verantworten müssen? Würden sie einst von den Kindern unserer Kinder angeklagt werden, welche Strafe wäre angemessen für die globale Verwüstung der Erde, für den Genozid an den Menschen?

Vor mir bremst ein Geländewagen mit goldenen Felgen und Breitreifen. Der Versuch, einzuparken. Am Steuer eine zarte blonde Frau im Calvin-Klein-Sweatshirt, auf dem Beifahrersitz ein Katalog für Golfreisen und eine Plastiktüte von Penny. Der Wagen stößt unsanft zurück und prallt auf einen Fiat Panda.

In dem rutschen zwei Bücher vom Sitz, eine Milchtüte kippt um, der Inhalt rinnt auf einen Aktenordner.

Ich gehe weiter. Die letzten Sonnenstrahlen fallen in die Straßenschluchten. Bald werde ich mir ein Nest suchen und mich wärmen.

Wenig später sitze ich im Vorstadtcafé hinter der Universität, ein Ort, wo ich altersmäßig nicht hingehöre. Diese Provokation leiste ich mir.

Schöne junge Menschen bevölkern diesen Platz, ich bin der älteste. Von der Decke hängen diverse Fernseher, es laufen Videoclips, stumm. So belästigt das wirre Zucken der Bilder nur die Augen, nicht die Ohren.

Ich schlürfe meinen Cappuccino und sehe der Bedienung nach, die mit ihrem charmanten Lächeln die Gäste verwöhnt. Soll ich es wagen, sie anzusprechen?

Meine innere Stimme protestiert. Sie weiß, solche Aktionen sind meine Stärke nicht. Zwar bin ich keineswegs schüchtern, doch der erste Satz, der ist mein Problem! Wenn man nur mit dem zweiten anfangen könnte.

Unauffällig ziehe ich meinen Stuhl in die Sonne, setze aber die hier obligatorische Sonnenbrille nicht auf. Bei dem, was ich vorhabe, muss ich mich nicht verstecken. Der Voyeur in mir ist harmlos, ein stiller Beobachter, mehr nicht. Neugierig mustert er die Frauen, die an ihm vorübergehen. Nicht alle, viele nicht, andere dafür genauer, manche sehr genau. An warmen Tagen ist an verlockenden Frauen kein Mangel, jedenfalls auf den ersten Blick.

Den zweiten transformiert meine Fantasie. Mit ihr kann ich die vorüberschreitenden Exemplare nackt sehen. Ein kleiner Trick, der mir erlaubt, jeden dieser Körper in Ruhe zu betrachten, vor allem das magische Dreieck zwischen den Schenkeln.

Eines nach dem anderen wandert nun an mir vorbei, jedes wiegt sich im Rhythmus der Schritte wie Segelschiffe in einer lauen Dünung.

Ja, ich höre Sie schon, verehrte Leserin. Ihre Empörung war zu erwarten. Doch Vorsicht, Sie haben Unrecht. Sie sehen in mir das Machoekel, das ich nicht bin. Wirklich nicht. Denn selbstverständlich gestatte ich Ihnen, meine zutiefst Verehrte, denselben Blick. Außerdem, wenn Sie ehrlich sind, muss ich Ihnen nichts gestatten, denn Sie haben ihn schon.

Gut, vielleicht nicht Sie persönlich, aber andere. Vielleicht ist die herbe Dunkelbraune am Nebentisch, die so lasziv am Bügel ihrer Sonnenbrille lutscht, längst in ähnlichen Gefilden unterwegs.

Vielleicht entblößt sie in diesem Augenblick ihrerseits die vorübergehenden Männer, entkleidet diese ihrer nicht immer ansehnlichen Unterhosen und misst mit Kennerblick Ausmaß und Form der mürrisch umhergetragenen Glieder.

Bitte schön, tun Sie sich keinen Zwang an, ich liebe Frauen mit Fantasie.

Aber lassen Sie mir bitte auch die meine!

Lassen Sie mir den genießenden Blick auf meine Passantinnen und ihre virtuellen Mösen, die hautnah an mir vorübergehen, sich nichts ahnend darbieten und mir den Tag zum Geschenk machen.

Glauben Sie mir, die Varianten an Form und Gestalt, welche die Natur an diesem privilegierten Teil des weiblichen Körpers hervorbringen kann, sind betörend. Vor allem das Schamhaar! Ein unsinniger Begriff übrigens, denn Haare schämen sich nicht. Frauen sollten ihre Geschlechtsorgane dem Betrachter nicht mit Scham, sondern mit Lust präsentieren. Deshalb werde ich dieses deprimierende Wort durch ein adäquates ersetzen, möge das alte im Weihrauch der katholischen Kirche vermodern.

Doch im Grunde ist diese Betrachtung ohnedies obsolet. Schamhaare sind heute out. Gnadenlos wegrasiert. Umso wichtiger der Blick ins Museum der Erinnerung: Natürlich gibt es den Vollbusch, das feste krause Lusthaar, das wie ein Gestrüpp die Pforten des Paradieses verschließt. Gerade schwarze Dreiecke bieten eine schier unendliche Vielfalt an Design und Konsistenz.

Manchmal sprießt das Haar nur spärlich und lässt darunter die weiße Haut ahnen, manchmal wirkt es fester, ist aber weich wie das Fell einer Katze und streichelt die Wangen wie Samt. Dann wiederum präsentiert es sich ganz dünn, aber zur Mitte gekämmt, was zu einer zentralen, horizontalen Verdichtung führt, die Ränder indes zart und durchsichtig erscheinen lässt. Blondes Lusthaar präsentiert sich ähnlich, doch auch da gibt es subtile Unterschiede. Ein Bewuchs verhüllt den Zugang zum Freudentempel elegant wie ein Schleier aus Seide, ein anderer bietet zarten Widerstand, sanfte Strudel oder buschige Verwirrung.

Und dann die Rothaarigen! Ein weicher Teppich der Verführung in subtilen Varianten. Das Farbenspiel reicht von den rötlich-erdfarbenen Tönen eines alten Bordeaux bis zu den zartesten Nuancen welken Laubs.

Und schließlich, wie könnte man sie vergessen, die Nackten. Ja, die Kühnen, die sich ihrer Haare entledigt haben, die ihre Möse trotzig den Blicken darbieten. Hier muss nichts verhüllt werden, der Blick in den Urzustand der geschlechtlichen Offenbarung steigert die Lust des Voyeurs, vielleicht auch die seiner Beute.

Am Ende erliege ich den Raffinierten – mezzo mezzo. Schon die Klänge dieser Silben schnurren und kitzeln, wie es meine Barthaare an der Innenseite grazil geöffneter Schenkel. Halb halb – sowohl als auch. Sie haben sich rasiert, aber nur zur Hälfte. Um zu verhindern, dass lästige Haare aus der Bikinihose ragen? Keineswegs. Banale Sachlichkeit ist einer Kurtisane des Blicks fremd. Nein, sie will uns beides geben, das nackte Fleisch und das Geheimnis der Verhüllung.

Bei ihr ist das Haar der Lust deshalb auf ein kleines Dreieck dicht über der Spalte reduziert. Man könnte glauben, es scherzt mit den Blicken des Betrachters, kündigt es in seiner Tiefe doch nichts mehr an, verbirgt nichts mehr. Die zartesten Lippen der Welt können sich dort ungehindert offenbaren, bereit für die wilden Speisen der Lust.

Welche Frauen welche Art der Intimfrisur bevorzugen, ist für das magische Auge indes nicht zu erkennen. Der Blick von X auf die vorbeiziehenden Passantinnen ahnt nichts von ihrem Geheimnis.

Odyssee eines Unvernünftigen

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