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Im Winter mit fünf Lastwagen die Karpaten zu überqueren, war für alle Beteiligten eine Herausforderung. Unser Ziel hatte ich spontan mit dem Finger auf der Landkarte ausgesucht, ein Zufallstreffer. Das wäre gerecht, dachte ich. Diese Vorstellung war etwas naiv, wie wir bald feststellen mussten. Der Fehler war, dass wir den Bürgermeister des Ortes vorher nicht benachrichtigt hatten. Unsere Ankunft sollte eine Überraschung werden. Das war sie dann auch, allerdings keine gute.

Eine Szene wie im Film: Am frühen Morgen rollt eine Kolonne von Lkws auf den Marktplatz einer russischen Kleinstadt, mit deutschen Nummernschildern! Wie damals im Krieg. Die Wagen bleiben stehen, die Leute steigen aus. Was wollen sie? Wir ahnen, dass man uns beobachtet, aber wir sehen niemanden. Es ist eiskalt, ein Hund bellt. Schließlich geht irgendwo eine Tür auf, ein Mann kommt auf uns zu. Unser Dolmetscher tut sein Möglichstes, doch der Mann freut sich nicht. Kein Wunder, er ist der Bürgermeister.

Erst später wurde mir klar, dass wir in diesem Augenblick ein großes Problem für ihn waren. Wo um Himmels willen soll er die Ladung von fünf Lastwagen unterbringen, jetzt, sofort? Der Mann musste am Weihnachtsfeiertag eine leere Lagerhalle finden, in der die Fremden Unmengen von Kleidern, Lebensmitteln, Medikamenten und Geräten abladen können. Und wer sollte das alles bewachen? Die vom Himmel gefallene Lieferung aus Deutschland würde sich in Windeseile in der Gegend herumsprechen. Dann das nächste Problem: Wie verteilen wir das gerecht, ohne dass es im Ort zu Unruhen kommt?

Schnell wurde uns bewusst, dass wir keine Weihnachtsmänner sind, sondern eine Menge Arbeit verursachen. Von ruhigen Feiertagen konnte in Brody, unserem Zielort, keine Rede mehr sein.

Irgendwie wurden die Probleme dann aber doch gelöst. Die Verteilung der Waren funktionierte ganz gut, wir mussten mit vielen Menschen viel Wodka trinken. Am Ende sollte ich sogar im örtlichen Parlament eine Rede halten. Die Fotos der Lokalpresse, auf denen ich mit Anorak und Skimütze auf dem Podium stehe, habe ich noch. Doch den Text des Artikels kann ich nicht lesen.

Aus unserem überfallartigen Besuch wurde langsam eine etwas nachhaltigere Beziehung. Ein Zahnarzt aus Starnberg besuchte den Ort mehrmals und praktizierte dort eine Woche, auch andere fuhren hin und halfen, wo sie konnten. Später kamen auch einige Leute aus Brody hierher, um gebrauchte landwirtschaftliche Maschinen zu kaufen. Längere Zeit riss der Kontakt nicht ab. Und das alles, weil mir an einem bestimmten Tag ein edler Rotwein nicht geschmeckt hatte.

Odyssee eines Unvernünftigen

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