Читать книгу Internationales Strafrecht - Robert Esser - Страница 108

1. Inter-partes-Wirkung

Оглавление

463

Der EGMR ist kein Rechtsmittelgericht bzw. kein Gericht höherer Instanz im Verhältnis zu den nationalen Gerichten der Vertragsstaaten. Urteile des EGMR sind daher – mit Ausnahme des eine gerechte Entschädigung betreffenden Teils (Art. 41 EMRK)[18] – reine Feststellungsurteile. Sie haben keine kassatorische bzw. unmittelbar gestaltende Wirkung und beseitigen nicht die Rechtskraft der nationalen gerichtlichen Entscheidungen. Auch eine unmittelbare Kontaktaufnahme des Gerichtshofs mit den für den Konventionsverstoß verantwortlichen staatlichen Stellen zur Umsetzung des Urteils ist formell ausgeschlossen.[19]

464

Die Feststellung eines Konventionsverstoßes ergeht unabhängig davon, ob es beim Bf. zum Eintritt eines materiellen oder immateriellen Schadens gekommen ist (vgl. Art. 41 EMRK).

465

Die endgültigen Urteile des Gerichtshofs (Art. 44 EMRK) besitzen eine völkerrechtliche Bindungswirkung inter partes für die am Verfahren beteiligten Parteien. Der verurteilte Vertragsstaat hat daher das gegen ihn ergangene Urteil zu befolgen und umzusetzen (Art. 46 Abs. 1 EMRK). Diese Befolgungspflicht des verurteilten Staates (abide by the final judgments)[20] kommt mittelbar auch in seiner allgemeinen Verpflichtung zur Achtung und Gewährleistung der in Art. 2-18 EMRK und den Zusatzprotokollen niedergelegten Konventionsgarantien zum Ausdruck (Art. 1 EMRK).

466

Innerstaatlicher Adressat dieser – den verurteilten Vertragsstaat im Außenverhältnis als Völkerrechtssubjekt treffenden – Pflicht sind dessen Behörden und Gerichte. Diese innerstaatliche Bindung aller staatlichen Stellen an ein gegen die BR Deutschland ergangenes Verdikt des EGMR folgt unmittelbar aus der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Bindung an Gesetz und Recht.[21]

467

Aus einer Zusammenschau von Art. 41 und 46 EMRK ergibt sich der konkrete Inhalt der Pflicht des verurteilten Vertragsstaats. In dem konkreten Strafverfahren, das Anlass zu der Verurteilung durch den EGMR gegeben hat, muss der Vertragsstaat – soweit möglich – mit Hilfe allgemeiner oder individueller in der nationalen Rechtordnung vorgesehener Maßnahmen (general or individual measures) die festgestellte (noch andauernde[22]) Verletzung der Konvention beenden und den Folgen dieses Konventionsverstoßes soweit wie möglich abhelfen (redress so far as possible the effects).[23] Erforderlich ist – wenn möglich – eine vollständige Wiedergutmachung des durch den festgestellten Konventionsverstoß entstandenen Schadens (Naturalrestitution). Zu einer solchen restitutio in integrum[24] sind die staatlichen Stellen auch dann verpflichtet, wenn der Bf. nicht selbst initiativ wird und ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 Nr. 6 StPO (vgl. Rn. 546 ff.) betreibt.[25]

468

Wenn der Staat das Verhalten, das der EGMR als konventionswidrig beanstandet hat, nicht abstellt oder wiederholt, so verletzt er damit erneut die EMRK und verstößt auch gegen Art. 1 EMRK.[26]

469

Da die Konvention den Vertragsstaaten die Wahl der Mittel überlässt, mit denen sie den ihnen aus der Verurteilung obliegenden Verpflichtungen im innerstaatlichen Recht nachkommen (Beurteilungsspielraum), darf der EGMR dem verurteilten Vertragsstaat grundsätzlich keine konkrete Maßnahme zur Umsetzung des Urteils vorschreiben, wie z.B. die Aufhebung eines Urteils, die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens oder die Gewährung einer Leistung, sondern muss sich auf die Feststellung des Konventionsverstoßes beschränken.[27] In den letzten Jahren ist allerdings die Tendenz zu erkennen, dass der EGMR andeutet, teilweise sogar unmissverständlich ausspricht, auf welche konkrete Art und Weise eine Behebung des festgestellten Konventionsverstoßes zu erreichen ist, z.B. durch eine Wiederaufnahme des Falles, die Freilassung des Bf. oder durch die Rückgabe einer beschlagnahmten Sache.[28]

470

Besonders hervorzuheben ist folgender Leitsatz des Gerichtshofs für Verstöße gegen Art. 6 EMRK:

„… when an applicant has been convicted despite a potential infringement of his rights as guaranteed by Article 6 of the Convention, he should, as far as possible, be put in the position that he would have been in had the requirements of that provision not been disregarded, and that the most appropriate form of redress would, in principle, be trial de novo or the reopening of the proceedings, if requested. [29]

Internationales Strafrecht

Подняться наверх