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2.Qualifikation

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266Der Rechtsanwender muss entscheiden, bei welcher Kollisionsnorm er die sich ihm stellende Rechtsfrage einzuordnen hat. Er muss den sachlichen Anwendungsbereich der Kollisionsnorm bestimmen und prüfen, ob seine Rechtsfrage in den Anwendungsbereich fällt. Die Subsumtion der Rechtsfrage bzw. des ihr zugrundeliegenden Sachverhalts unter die Systembegriffe (Anknüpfungsgegenstände) der Kollisionsnormen ist die Qualifikation.

267Beispielsweise können Vorschriften über beim Abschluss von Verträgen einzuhaltende Förmlichkeiten als Formvorschriften, als materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen oder als Beweisvorschriften zu qualifizieren sein. In der ersten Variante unterfallen sie dem Formstatut des Art. 11 Rom I-VO, in der zweiten dem Vertragsstatut des Art. 3 ff. Rom I-VO und in der letzten Variante schließlich als Verfahrensrecht dem Recht des angerufenen Gerichts (lex fori). In Zweifelsfällen ist entscheidend, ob die Vorschrift typischen Formzwecken dient, etwa dem Schutz vor Übereilung oder der Beweissicherung. So wird Art. 1341 des französischen Code Civil, wonach für Geschäfte über mehr als eine durch Dekret bestimmte Summe13 die Errichtung einer privatschriftlichen oder notariellen Urkunde vorgeschrieben ist und bei Nichtbeachtung der Zeugenbeweis ausgeschlossen wird, als Formvorschrift qualifiziert. Ein anderes Beispiel sind die Vorschriften über die Vertragssprache. Während etwa § 483 I BGB14 die Anforderungen an eine Formvorschrift für die Vertragssprache eindeutig erfüllt, ist dies bei Regelungen zur Verwendung der Landessprache schwerer zu beurteilen. So etwa im Fall des französischen Gesetzes zum Gebrauch der französischen Sprache,15 das sowohl dem Erhalt der Landessprache als Kulturgut als auch dem Schutz der schwächeren Vertragspartei im Bereich von Verbraucher- und Arbeitsverträgen dient. Hier kommt über Art. 9 Rom I-VO auch eine Sonderanknüpfung als Eingriffsnorm in Betracht, deren Durchsetzung allerdings im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen die Grundfreiheiten scheitern kann.16

268Ein weiteres Beispiel ist die Qualifikation der im Common Law geltenden Regel, wonach aus Verträgen regelmäßig nicht auf Erfüllung geklagt werden kann.17 Beim englischen Vertragsstatut hängt der Erfolg der Erfüllungsklage davon ab, ob man diese Doktrin materiell-rechtlich über die Anwendung englischen Rechts oder prozessrechtlich über die Anwendung der deutschen lex fori qualifiziert.18

Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht

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