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VII. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit, insbes. §§ 226 I, 250, 261 StPO
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Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit – der nur im Rahmen der Hauptverhandlung Geltung beansprucht – hat sich das Gericht einen möglichst direkten, unvermittelten Eindruck vom Tatgeschehen zu verschaffen (vgl § 261 StPO). Dazu ist zunächst erforderlich, dass das Gericht während des Verlaufs der gesamten Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend ist, § 226 I StPO. Fällt ein Richter im Laufe der Hauptverhandlung aus, dann muss die gesamte Hauptverhandlung wiederholt werden. Bei umfangreichen Prozessen werden deshalb sog. Ergänzungsrichter bestellt (§ 192 II GVG).
Bei der Rekonstruktion des Tatgeschehens vor dem Gericht soll möglichst das tatnächste Beweismittel Verwendung finden. Das ist vor allem für die Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung bedeutsam. Wenn mehrere Zeugen zur Verfügung stehen, ist möglichst der Zeuge zu wählen, der das Tatgeschehen unmittelbar erlebt hat. Weniger geeignet ist ein Zeuge, der nur berichten kann, was ihm eine andere Person berichtet hat (mittelbarer Zeuge oder Zeuge vom Hörensagen). Allerdings bleibt auch dieser Zeuge insofern ein unmittelbares Beweismittel, als er unmittelbar über das berichtet, was er gehört hat. Stehen aber sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Zeuge uneingeschränkt zur Verfügung, dann fordert der Grundsatz der Unmittelbarkeit eigentlich, dass auf den unmittelbaren Zeugen zurückgegriffen wird. Im deutschen Strafprozessrecht wird dieser Grundsatz aber nicht lupenrein gehandhabt, sodass das Gericht bei „Wahlmöglichkeiten“ zwischen „nahen“ und „fernen“ Zeugen auch auf den Zeugen vom Hörensagen zurückgreifen darf, solange es nicht seine Aufklärungspflicht (§ 244 II StPO) verletzt[14] (Einzelheiten Rn 648).
Konsequenter verwirklicht ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz im Bereich des Verhältnisses des Personalbeweises (zB Vernehmung eines Zeugen) zum Urkundenbeweis (Verlesung der früheren Vernehmung des Zeugen): Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden, § 250 StPO. Aber auch dieser Grundsatz erfährt durch die §§ 251 ff StPO eine Vielzahl von Durchbrechungen; dazu Rn 631 ff.
§ 2 Die Prozessmaximen › VIII. Die Unschuldsvermutung und der Grundsatz „in dubio pro reo“