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XI. Das Gebot eines fairen Strafverfahrens, Art. 20 III GG, Art. 6 I EMRK
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In zunehmendem Maße greift die Rspr zur Begründung von Rechten bzw Pflichten der am Strafverfahren Beteiligten direkt auf den Grundsatz des „fair trial“, dh auf das Gebot eines fairen Strafverfahrens, zurück. Diesen Grundsatz kann man – wie der BGH[41] – als eine Konsequenz des Rechtsstaatsprinzips begreifen, oder man kann zu seiner Begründung auf eine Gesamtschau der Art. 1 I, 2 II 2, 20 III, 101 I 2, 103 I GG, Art. 6 I 1 EMRK verweisen[42].
Völlig offen ist allerdings bis heute die Reichweite dieses Prozessrechtsgrundsatzes, also insbes. die Frage, in welchen Fällen er ein bestimmtes Prozessverhalten vorschreibt und welche prozessualen Konsequenzen im Einzelfall gezogen werden müssen. Zu Recht wird inzwischen auch vom BGH davor gewarnt, mithilfe einer ausufernden Anwendung derart vager Verfassungsprinzipien die Bindung an das positive Recht zu lockern und damit einer unsicheren Rechtsanwendung Vorschub zu leisten[43]. Deshalb begründet ein Verstoß gegen diesen Grundsatz jedenfalls idR kein Prozesshindernis[44] (ausf. dazu Rn 448).
Beispielhaft seien nur einige Entscheidungen herausgegriffen, in denen aus dem fair-trial-Grundsatz folgende konkrete Rechtsfolgen abgeleitet wurden[45]:
BGH StV 2010, 285: Das Verbot, den Beschuldigten über die wahren Hintergründe seiner Festnahme zu täuschen; BGHSt 53, 294: Ein Beweisverwertungsverbot bei heimlicher akustischer Überwachung eines Ehegattengespräches im Besucherraum einer U-Haftanstalt; BVerfG StV 2008, 1: Als Subjekt des Verfahrens muss dem Beschuldigten auch praktisch die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte aktiv auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen; BVerfGE 39, 238, 243: Das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen; EGMR StV 2003, 257 (Allan/UK): Verbot der staatlichen Ausforschung eines Beschuldigten durch einen Polizeispitzel als Zellengenossen[46]; BVerfG NStZ 1995, 555; BGHSt 38, 214, 220: BGH NStZ 2013, 604: Das Schweigerecht des Beschuldigten; EGMR StV 1997, 617 (van Mechelen/NL): Das Recht des Angeklagten, den als Zeuge auftretenden V-Mann vor Gericht möglichst direkt befragen zu können; EGMR NJOZ 2017, 544: Wenn ein Zeuge, dessen Aussage als belastender Beweis verwendet werden soll, in der Hauptverhandlung nicht erscheinen kann, ist zu prüfen (i) ob ein triftiger Grund für das Nichterscheinen vorlag, ob (ii) die Aussage die einzige oder entscheidende Grundlage für die Verurteilung war, und (iii) ob es ausgleichende Faktoren für die Verletzung des Konfrontationsrechts in der Hauptverhandlung gab (Einzelheiten Rn 190, 648); BGHSt 60, 276: Die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkte Dritte hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge (sehr str. Einzelheiten Rn 444); BGHSt 46, 93, 100: Die Notwendigkeit, dem unverteidigten Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen, damit dieser dem richterlich zu vernehmenden Belastungszeugen Fragen stellen kann; EGMR NJW 2004, 43 (Böhmer/BRD): Das Verbot des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat, für die der Beschuldigte noch nicht rechtskräftig verurteilt worden ist.
§ 2 Die Prozessmaximen › XII. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 GG