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ff) Indizwirkung

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Die Verwirklichung eines Regelbeispiels hat nur Indizwirkung. Die Besonderheiten des Einzelfalls müssen im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungsgesichtspunkte gleichwohl umfassend gewürdigt werden, zumal die Vermutung des Regelbeispiels widerlegbar ist. Dies gilt erst recht, wenn ein unbenannter Strafschärfungsgrund angenommen werden soll.[81]

Sofern die Schwellenwerte von 50.000 € bzw. 100.000 € überschritten sind und dennoch das Vorliegen des Regelbeispiels des besonders schweren Falls gem. § 370 Abs. 3 Ziff. 1 AO nicht angenommen wird, müssen die Urteilsgründe ergeben, warum die Steuern gerade nicht „in großem Ausmaß“ verkürzt wurden bzw. weshalb gewichtige Milderungsgründe gegen die Indizwirkung des Regelbeispiels sprechen (s. Rn. 207).[82] Das erkennende Gericht hat sich in diesem Fall mit den Grundsätzen des Urteils vom 2.12.2008 in der Urteilsbegründung nachvollziehbar auseinander zu setzen.

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Danach entfällt die Wirkung eines Regelbeispiels, wenn schuldmindernde Faktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der Gesamtabwägung die Regelwirkung entkräften. Der BGH hat hierzu ausdrücklich die nachfolgenden Beispiele genannt:[83]

Der Täter war im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich und die Tat betrifft nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigung.
Das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern.
Steuerehrlichkeit des Täters vor der Tat über einen längeren Zeitraum hinweg.
Lebensleistung des Täters.
Das Nachtatverhalten, wie z.B. ein Geständnis verbunden mit der Nachzahlung verkürzter Steuern oder zumindest das ernsthafte Bemühen hierzu.

Ebenso nennt der BGH ausdrücklich die nachfolgenden strafschärfenden Umstände:[84]

Aktivitäten, die von vornherein auf die Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, wie etwa die Vorspiegelung erfundener Sachverhalte und die Erlangung ungerechtfertigter Vorsteuererstattungen in erheblichem Umfang.
Gewerbsmäßige Begehung der Steuerhinterziehung.
Aufbau eines aufwendigen Täuschungssystems.
Systematische Verschleierung von Sachverhalten.
Aufbau von Unternehmensstrukturen, die auch der Bereicherung durch Steuerhinterziehung dienen sollen mit dem Ziel wiederholter Tatbegehung über einen längeren Zeitraum hinweg.
Verstrickung anderer Personen.
Systematische Vornahme von Scheingeschäften oder Scheinhandlungen.
Buchtechnische Manipulationen in größerem Umfang.
Einschaltung von Domizilfirmen im Ausland.
Gewinnverlagerung ins Ausland.

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Hinweis

Die Bedeutung der Entscheidung BGHSt 53, 71 Rn. 24 ff. liegt keineswegs nur in der Definition des „großen Ausmaßes“ durch die Festschreibung von Schwellenwerten für das Regelbeispiel gem. § 370 Abs. 3 Ziff. 2 AO. Gleichwertig sind die Ausführungen des BGH zu den Milderungsgründen, insbesondere die Hervorhebung der Lebensleistung und der Relation zwischen gezahlten und verkürzten Steuern. Es ist jedoch zu beobachten, dass Strafverfolgungsbehörden und Gerichte das Vorliegen eines „großen Ausmaßes“ vorschnell alleine auf der Grundlage des Verkürzungs- oder Vorteilsbetrages annehmen, ohne im konkreten Einzelfall die bloße Indizwirkung der Schwellenwerte kritisch zu hinterfragen.

Teil 2 Die Tatbestände des Steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechtsI. Die Straftatbestände der AO › 2. Bannbruch, § 372 AO

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