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1.Funktion der Ewigkeitsgarantie

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56Diese Norm nennt als inhaltliche Schranke von Verfassungsänderungen des verfassungsändernden Gesetzgebers einen prägenden Kernbestand von Grundsätzen, die das Grundgesetz für die staatliche Ordnung aufstellt57. Ein verfassungsänderndes Gesetz, das gegen die Schranke des Art. 79 Abs. 3 GG verstößt, ist unzulässig und nichtig58. Gleiches gilt für die Übertragung von Hoheitsrechten im Verfahren nach Art. 23 GG, d. h. jede Kompetenzübertragung auf die Europäische Union ist an den Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 3 GG zu messen; ein vollständiges Aufgehen der Bundesrepublik Deutschland in einem einheitlichen europäischen Staat wäre nur im Wege einer neuen Verfassunggebung zu bewerkstelligen. Gegenüber dem sonstigen, abänderbaren Verfassungsrecht besitzt Art. 79 Abs. 3 GG insoweit höheren Rang59.

In BVerfGE 30, 1, 24 – Abhör-Urteil – heißt es:

„Art. 79 Abs. 3 GG als Schranke für den verfassungsändernden Gesetzgeber hat den Sinn zu verhindern, dass die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz, in ihren Grundlagen auf dem formal-legalistischen Weg eines verfassungsändernden Gesetzes beseitigt und zur nachträglichen Legalisierung eines totalitären Regimes missbraucht werden kann. Die Vorschrift verbietet also eine prinzipielle Preisgabe der dort genannten Grundsätze.“60

57Das Grundgesetz legt also selbst fest, welche seiner Inhalte dem Ewigkeitsanspruch unterliegen und nicht Gegenstand einer Verfassungsänderung sein dürfen. Die Funktion des Art. 79 Abs. 3 GG liegt in der materiellen Bindung der verfassungsändernden Gewalt. Über die Bindung der verfassunggebenden Gewalt sagt Art. 79 Abs. 3 GG nichts aus. Das kann das Grundgesetz auch nicht, weil eine verfassungsrechtliche Bindung der verfassunggebenden Gewalt (pouvoir constituant) nicht möglich ist. Sie steht vor und über der Verfassung61. Der nichtrevolutionäre, verfahrensmäßige Weg aus dem Grundgesetz in eine andere Verfassung ist aber an die Erfordernisse des Art. 79 GG gebunden. Aus dem gleichen Grund ist die Änderung von Art. 79 Abs. 3 GG selbst unzulässig. Ansonsten bliebe es möglich, sich durch eine Verfassungsänderung den Vorgaben zu entziehen, die Art. 79 Abs. 3 GG für die staatliche Grundordnung macht62.

Staatsrecht I

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