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Teil II:Staatsstrukturprinzipien und Staatszielbestimmungen § 15Strukturprinzipien als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen

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88Das Grundgesetz trifft verschiedene verfassungsrechtliche Grundentscheidungen, die besagen, welchen Werten die Verfassung verpflichtet sein soll und so die vom Staat des Grundgesetzes zu verwirklichenden Ziele vorgeben.

89In Art. 1 Abs. 1 bekennt sich das Grundgesetz zu der Unantastbarkeit der Menschenwürde, setzt diese also als vorverfassungsrechtliche (vernunftrechtliche) Rechtsidee voraus. Diese Wertentscheidung ist verbunden mit der Garantie der Unabänderlichkeit dieser Verfassungsnorm in Art. 79 Abs. 3 GG.

90Daneben enthält das Grundgesetz Strukturprinzipien, die die Grundlagen der deutschen Staatsorganisation bestimmen sollen. Diese ergeben sich aus Art. 20 GG, dessen „Grundsätze“ ebenfalls der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterfallen.

Bei der Formulierung des Art. 20 Abs. 1 GG, wonach die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat „ist“ (mit dem Indikativ soll ein plakativerer Klang erzeugt werden), handelt es sich nicht um eine bloße Deklaration wie etwa in der oben dargestellten Beschreibung des Art. 1 der Verfassung der DDR. Vielmehr wird die Staatsorganisation hierdurch auf die Grundsätze des Föderalismus („Bundesrepublik“, „Bundesstaat“), der Republik („Bundesrepublik“), der Demokratie (verstärkt durch die in Absatz 2 festgehaltene Volkssouveränität) und des Sozialstaatsprinzips verpflichtet. Hinzu tritt mit der Bindung der Staatsgewalten an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG das Rechtsstaatsprinzip, das als verfassungsrechtliches Grundprinzip ausdrücklich in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG genannt wird.

Die Strukturprinzipien des Grundgesetzes sind also:

Demokratie (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG);

Republik (Art. 20 Abs. 1 GG);

Rechtsstaat (Art. 20 Abs. 3 GG);

Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG);

Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG).

91Weiterhin enthält das Grundgesetz Staatszielbestimmungen,1 denen der Staat des Grundgesetzes zwar verpflichtet sein soll, die aber nicht für dessen Struktur prägend sein sollen, was sich darin zeigt, dass sie von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG nicht umfasst sind. Mit der Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge kann man Staatszielbestimmungen definieren als Verfassungsnormen, die mit rechtlich bindender Wirkung der Staatstätigkeit bestimmte Ziele vorschreiben, die sie erfüllen oder beachten muss. Gegenüber der normativen Grundentscheidung zur Menschenwürde und den Strukturprinzipien kommt ihnen jedoch nur nachrangige Bedeutung zu.

Als Staatszielbestimmungen anerkannt sind:

– Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG),

– Tierschutz (Art. 20a GG),

– Europäische Integration (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG),

– Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Art. 109 Abs. 2 GG),

– Tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG),

– Gleichstellung der Behinderten (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG).

92Die Konzeption der Menschenwürdegarantie ist in ihren Einzelheiten Teil der Grundrechtslehre und in dieser Lehrbuchreihe im Band Staatsrecht II – Grundrechte ausgeführt. Im Folgenden sollen zunächst die Strukturprinzipien und danach die Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes behandelt werden.

Die Darstellung geht dabei stets von dem staatstheoretischen Konzept aus, das mit den jeweiligen Prinzipien grundsätzlich assoziiert wird. Sodann wird jeweils die Ausgestaltung der Prinzipien im Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland untersucht.

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