Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 132
Tag 114
Оглавление21. Mai 2014
Manfred Götzl, Richter. Reinhard Heiderstädt, 66, Gerichtsmediziner der Universität Jena. Frank M., 51, Kriminaloberkommissar aus Eisenach. André Eminger, 34, Angeklagter. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Michael Kaiser, Verteidiger von André Eminger. Alexander Hoffmann, Anwalt der Nebenklage.
Götzl Es geht uns um die Sektionen der Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Bitte stellen Sie uns die Ergebnisse
Heiderstädt Ich würde beginnen mit Uwe Böhnhardt, seine Identität war zunächst nicht bekannt. Für uns war es die Leiche 1 aus Eisenach. Die Leiche wies oberflächliche Verbrennungen, an der rechten Körperrückseite und am linken Arm auf. Der gesamte Kopf war erheblich deformiert. Es gab eine sehr große Aufreißung an der rechten oberen Kopfseite. An der linken Schläfenseite, kurz vor dem linken Ohr, fanden wir eine typische Einschussverletzung. Der Schusskanal ist von der linken Schläfe schräg nach rechts oben verlaufen. Die Verletzungen imponierten wie eine Explosion von innen. Das erklärt auch, warum nur noch 102 Gramm Gehirn vorhanden waren, knapp ein Zehntel des üblichen Gehirngewichts eines Erwachsenen. Das ist herausgeschleudert worden.
Götzl War die Todesursache eine zentrale Lähmung?
Heiderstädt Ja. Es handelte sich um einen Kopfdurchschuss mit sofortiger Handlungsunfähigkeit und sofortigem Tod. Wir haben noch toxikologische Untersuchungen gemacht. Es sind kein Alkohol im Blut und auch keine chemischen Substanzen oder Drogen gefunden worden. Und wir haben den Zahnstatus erhoben wegen der Identifizierung. Bei Uwe Mundlos haben wir das nicht gemacht, weil er schon identifiziert war.
Götzl Gab es irgendwelche Befunde mit Blick auf Rauchgaseinatmung?
Heiderstädt Wir haben keine Spuren von Rauchgaseinatmung und keine Rußbestandteile in den Atemwegen gefunden, sodass wir keinen Hinweis haben, dass da noch eingeatmet wurde. Bei einer zentralen Lähmung gibt es keine Atmung mehr.
Götzl Dann kommen wir zu Uwe Mundlos.
Heiderstädt Die zweite Leiche, Herr Mundlos, wies in geringerer Form Brandbeschädigungen auf, in der linken Knieregion, am linken Handrücken und am linken Unterschenkel, innenseitig. Auffällig war eine noch massivere Zerstörung des Kopfes. Bei der äußeren Besichtigung haben wir keine typische Einschussverletzung gefunden, das macht immer etwas nervös. Bei der Öffnung des Mundes haben wir aber doch Schmauchspuren in der Mundhöhle gefunden und eine völlige Zerstörung des Gaumens. Der Einschuss erfolgte also durch die Mundhöhle, nach oben gerichtet. Entsprechend gibt es eine sehr starke Zerstörung des Kopfes. Noch wesentlich stärker als bei Herrn Böhnhardt. Es war so gut wie kein Knochen mehr intakt. Es gab eine große Aufreißung des Kopfes, auch hier war das Gehirn zum größten Teil herausgeschleudert worden. Wir fanden noch 500 Gramm Resthirn. Auch hier konnten wir keine Rauchgas- oder Rußeinatmung feststellen. Auch bei der chemisch-toxikologischen Untersuchung wurde kein CO (Kohlenmonoxid) gefunden. Damit gibt es keinen Beleg für eine Rauchgasvergiftung. Die Todesursache war ein Kopfdurchschuss mit völliger Zerstörung des Gehirns mit sofortigem Tod und völliger Handlungsunfähigkeit.
Anwalt Hoffmann Haben Sie Erfahrungen mit Untersuchungen von Rauchvergiftungen?
Heiderstädt Ja, Brandleichen sind bei uns nicht selten, Rauchgasvergiftungen sind nicht selten, sicher habe ich schon eine größere Anzahl seziert.
Anwalt Hoffmann Ab was für einer Intensität von Rauch in einem Raum würde man denn überhaupt Rückstände finden? Wie stark müsste jemand im Rauch gewesen sein?
Heiderstädt Ruß muss vorhanden sein in der Atemluft, er kommt in die Atemwege und bleibt dann liegen. Nun kann Rauchgas vorhanden sein auch ohne Ruß. Der Ruß – den würden wir erkennen. Den würden wir auch wiederfinden. Vielleicht muss ich sagen: Ruß wurde nicht gefunden. Jetzt zum Rauchgas. Wichtigster Bestandteil des Rauchgases ist CO, also Kohlenmonoxid. Das kann eingeatmet und, solange Leben da ist, auch wieder ausgeatmet werden. Ich kann nicht ausschließen, dass Rauchgas eingeatmet und wieder ausgeatmet wurde. Erst zum Zeitpunkt des Todes bleibt die Konzentration dann so. Das schließt eine kurzfristige CO-Einatmung nicht aus.
(Der Zeuge verlässt den Gerichtssaal. Nun wird die Kleidung des Angeklagten André Eminger zum Thema. Er trägt im Gerichtssaal einen Kapuzenpullover mit Aufdruck.)
Anwalt Hoffmann Ich beantrage, den Kapuzenpulli von Herrn Eminger sicherzustellen. Er zeigt eine vermummte Person mit Sturmgewehr. Das ist nicht nur ein Anblick, der hier unpassend ist, das ist ein Statement für den bewaffneten Kampf, eine Sympathieerklärung für die Morde.
Verteidiger Kaiser Ich glaube nicht, dass die Art der Bekleidung Rückschlüsse auf die Einstellung einer Person zulässt. Bei den Anwälten hat auch nicht jeder einen weißen Schlips an.
Götzl Vielleicht stehen Sie mal kurz auf, Herr Eminger, und lassen den Pullover sehen.
Eminger (bleibt stumm sitzen)
Götzl Nicht? (Eminger schüttelt den Kopf.) Dann interessiert’s natürlich schon. Herr Rechtsanwalt Kaiser, wie sieht’s aus?
Verteidiger Kaiser (unterhält sich kurz mit seinem Mandanten) Ich habe mit Herrn Eminger über die Herkunft des Pullovers gesprochen. Er ist aus der sogenannten Metal-Szene. Herr Eminger hat ihn wohl schon häufiger angehabt, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte. Eine Beschlagnahme halte ich für unzulässig.
Anwalt Hoffmann Eine kleine Internetrecherche hat ergeben, dass da noch der Schriftzug »Black Metal Kommando« und »Gas Chamber« (Gaskammer) draufsteht. So ist es in einem Internet-Shop zu sehen, der die Dinger verkauft.
Verteidiger Kaiser Um diese Diskussion zu beenden, erklärt sich Herr Eminger bereit, aufzustehen und den Pullover zu zeigen.
(Eminger steht auf und wendet sich dem Richter zu.)
Anwalt Hoffmann Ich denke, dass der Pullover auch beschlagnahmt werden muss, es handelt sich um ein Beweismittel.
Bundesanwalt Diemer Ich sehe keinen Grund, das Kleidungsstück zu beschlagnahmen. Herr Eminger hat sich nicht ungebührlich verhalten – auch wenn der Pullover möglicherweise nicht unserem Geschmack entspricht. Die Sätze, die Herr Rechtsanwalt Hoffmann angeführt hat, stehen ja nicht drunter. (Eminger verlässt den Gerichtssaal, wird fotografiert und kehrt wieder zurück.)
Götzl Das Kleidungsstück ist nun fotografisch gesichert.
(Eminger kann den Pullover anbehalten. Als nächster Zeuge wird der Polizist Frank M. befragt, der am 4. November 2011 gemeinsam mit einem Kollegen als Erster am Wohnmobil war, in dem dann die Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entdeckt wurden.)
Götzl Wie sind Sie auf das Wohnmobil gekommen?
Frank M. Wir hatten den Auftrag bekommen, nach diesem Wohnmobil zu suchen und haben es dann in der Ortslage Stregda (Stadtteil von Eisenach) gefunden. Ein Rentner hatte sich ein Teil des Kennzeichens gemerkt. Als mein Kollege und ich auf das Fahrzeug zugegangen sind, ist ein Schuss gefallen. Der kam aus dem Inneren des Wohnmobils. Vom LKA wurde uns gesagt, dass der in unsere Richtung ging. Wir haben die Waffen gezogen und sind dann in Deckung gegangen. Dann sind zwei weitere Schüsse gefallen. Die Schüsse kamen kurz hintereinander, ein paar Sekunden. Der letzte Schuss kam etwas später. Nach dem letzten Schuss oder kurz davor, jedenfalls im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, hat das Fahrzeug angefangen zu brennen. Wir haben die Feuerwehr verständigt, die ist dann nahezu zeitgleich mit der Kripo eingetroffen. Die Kripo hat dann die weiteren Maßnahmen übernommen.
Götzl Haben Sie irgendwelche Personen gesehen?
Frank M. Nein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war eine ältere Dame mit Hund.Und der Halter des Fahrzeugs vor dem Wohnmobil kam aus dem Haus gelaufen und wollte sein Auto in Sicherheit bringen. Das haben wir verhindern müssen.
Bundesanwalt Diemer Haben Sie eine Person in das Fahrzeug hinein- oder hinausgehen sehen?
Frank M. Nein, ich habe keinerlei Personenbewegung gesehen.
Bundesanwalt Diemer Können Sie sich da festlegen?
Frank M. Ja.
(Im Anschluss wird der Kollege von Frank M. befragt, der die Angaben im Wesentlichen bestätigt. Danach berichtet ein Sachverständiger des BKA erneut, wie es ihm gelang, die Česká 83 aus dem Brandschutt in der Frühlingsstraße als die Waffe zu identifizieren, die bei neun der zehn Morde zum Einsatz kam.)