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Tag 127

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15. Juli 2014

Manfred Götzl, Richter. Tino Brandt, 39, Kaufmann, war früher Anführer der rechten Szene in Thüringen und zugleich V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz.

(Der Zeuge Tino Brandt, der gerade eine Haftstrafe wegen Kindesmissbrauchs absitzt, wird mit einer Vorführzange, also einer Art Handschelle, in den Gerichtssaal geführt.)

Brandt Ich war in den Neunzigerjahren tätig in einer Jugendgruppe, heute bekannt als Thüringer Heimatschutz. Da hat man alle Jugendliche, die ähnlicher Meinung waren, über kurz oder lang kennengelernt.

Götzl Wie stand denn die Kameradschaft Jena zum Thüringer Heimatschutz?

Brandt Die Kameradschaft Jena war Teil des Thüringer Heimatschutzes.

Götzl Und wer gehörte noch dazu?

Brandt Alle Jugendlichen, die sich dazu bekannt haben. Es war ein loser Zusammenschluss. Es gab keine Mitgliedsausweise. Entweder man hat dazugehört oder eben nicht.

Götzl Von wem ging die Initiative aus?

Brandt Das kann ich im Einzelnen nicht mehr beziffern. Ich denke, es war halt eine Gruppenidee. Ich selbst war mit Sicherheit einer der Mitinitiatoren gewesen.

Götzl Im Protokoll Ihrer Vernehmung vom 26.1.2012 heißt es, der Thüringer Heimatschutz habe sich aus dem sogenannten Mittwochsstammtisch entwickelt. Ist das richtig?

Brandt Ja, man hat sich anfangs im Goldenen Löwen in Rudolstadt getroffen, später in verschiedenen Gaststätten in Saalfeld-Rudolstadt. Anfangs waren wir vielleicht 20, später fast 70, 80.

Götzl Wie kam es zur Bezeichnung Thüringer Heimatschutz?

Brandt Wir waren Thüringer – Sächsischer Heimatschutz hätte nicht gepasst.

Götzl Diese Späße können Sie sich sparen, Herr Brandt!

Brandt Der Name war irgendwann da, das hat sich einfach gut angehört.

Götzl Was können Sie zu Beate Zschäpe sagen?

Brandt Ich habe sie damals auf dem Stammtisch kennengelernt, als wohl mal Jena relativ komplett da gewesen ist, also André Kapke, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate. Da hat man sich mal kennengelernt. Ich habe sie später auch auf Rechtsschulungen, Demonstrationen, Schulungen und bei den Mittwochsstammtischen immer mal wieder gesehen.

Götzl Und wie war das mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt?

Brandt Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe ich auch auf dem Stammtisch in Rudolstadt im Goldenen Löwen kennengelernt. Wann genau kann ich nicht mehr sagen.

Götzl Was können Sie zu dem Verhalten von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sagen?

Brandt Am ehesten kann ich mich an Uwe Mundlos erinnern. Sein Nachname war relativ Programm. Er hat immer den Mund offen gehabt. Er war der absolute Enkel-Typ. Jede Oma hat sich relativ schnell für ihn begeistern können. Er konnte sich schnell integrieren. Er war wirklich ein lustiger Typ.

Götzl Was waren seine politischen Ansichten?

Brandt Er hat nationale und soziale Interessen vertreten und ist als nationaler Sozialist aufgetreten.

Götzl Was ist damit gemeint?

Brandt Wie will man das spezifizieren? Es ist nicht so, dass er mit Hakenkreuzbinde am Arm rumgelaufen ist. Er hat sich für die Ideale der NSDAP eingesetzt,. Er hatte nicht nur ein gefestigtes nationalsozialistisches Weltbild, sondern war auch in der Lage, das argumentativ zu verteidigen.

Götzl Wie hat er sich zum Thema Ausländer verhalten?

Brandt Ich gehe davon aus, dass Herr Mundlos dieselbe Meinung hatte wie wir alle: Begrenzung der Anzahl von Ausländern in Deutschland, Rückführung in ihre Heimat, Zuzugsbeschränkung.

Götzl Welche Rolle hat Gewalt in dem Zusammenhang in Bezug auf Uwe Mundlos gespielt?

Brandt Ich habe Herrn Mundlos nie gewalttätig erlebt. Wir hatten irgendwann mit Sicherheit eine Diskussion, wie wir uns weiterentwickeln. Wir haben den Weg in die NPD gewählt und wollten über Wahlen versuchen, was zu ändern. Nicht nur ich selbst habe Gewalt nicht als politische Lösung gesehen. Ich habe mit Herrn Mundlos nie über so ein Thema diskutiert. Und dann ist er irgendwann ja weggewesen.

Götzl Was können Sie zu Uwe Böhnhardt sagen?

Brandt Im Gegensatz zu Uwe Mundlos ist der Herr Böhnhardt ein bisschen zurückhaltender gewesen, schweigsamer. Ich gehe davon aus, dass der dieselben Ansichten hatte wie die ganze Jenaer Gruppe. Ich kann mich an keine Unterhaltung über Politik mit Uwe Böhnhardt erinnern. Mit Uwe Mundlos mit Sicherheit.

Götzl Was können Sie zur Kleidung Uwe Böhnhardts sagen?

Brandt Wenn ich mich recht erinnere, hatte Herr Böhnhardt immer uniformähnliche Kleidung an.

Götzl Was können Sie zum Thema Gewalt im Zusammenhang mit Uwe Böhnhardt sagen?

Brandt Herr Böhnhardt hat sich bestimmt mal für bestimmte Sachen interessiert, was weiß ich, Wurfmesser oder sowas, aber nicht, dass das sein Lebensinhalt war. Es gibt Leute, die totale Waffennarren sind und ununterbrochen von ihren neuesten Errungenschaften reden. Das war in dem Fall nicht so.

Götzl Haben sich die Personen, die Sie mit der Kameradschaft Jena verbinden, von anderen Kameradschaften unterschieden?

Brandt Die Kameradschaft Saalfeld-Rudolstadt war eine Kameradschaft mit vielen Jugendlichen, mehr Quantität statt Qualität, das war in Jena anders: weniger Leute, dafür aber gefestigter.

Götzl Können Sie uns Frau Zschäpe beschreiben?

Brandt Sie war eher ruhig, zurückhaltend. Aber wenn wir Schulungen hatten, durchaus mit Fachwissen. Wenn wir Schulungen hatten zum Germanentum, da war ordentlich Wissen vorhanden. Das ist keine dumme Hausfrau.

Götzl Und wie hat sie sich ansonsten verhalten?

Brandt Sie stand nie irgendwo im Vordergrund. Es war ein Mädchen, das in Ordnung war.

Götzl Bei einer polizeilichen Vernehmung sagten Sie laut Protokoll, Beate Zschäpe habe sich in Diskussionen einbringen können.

Brandt Wenn man diskutiert hat, zum Beispiel Germanentum oder sonstiges, dann war eben Wissen da und sie hat auch mitdiskutieren können. Stand nicht in der Ecke und hat Trübsal geblasen, und wenn das Wort an sie gerichtet wurde, hat sie zum Thema etwas beitragen können.

Götzl Hier heißt es im Protokoll, sie sei durch besondere Radikalität nicht aufgefallen.

Brandt Wie gesagt, die Kameradschaft ist elitär aufgetreten, Beate war eher zivil gekleidet, adrett. Sie hat keinem der Klischees entsprochen, hat sich nie gekleidet wie eine »Nazi-Braut«, wie die Bild-Zeitung sie nennt.

Götzl Wie war die Situation bei der Flucht von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe?

Brandt Ich habe es telefonisch erfahren, ich glaube von André Kapke. Man war erst mal total verblüfft. Man konnte sich nicht vorstellen, dass man da überhaupt flüchtet. Was kann schlimmstenfalls passieren? Zwei, drei Jahre, das ist ja machbar. Dafür Familie und alles im Stich zu lassen, das hat man nicht nachvollziehen können. Gut, musste jeder für sich wissen. Irgendwann kam die Information, dass logischerweise auch Geld gebraucht wird. Man hat geguckt, dass man das, was man hinkriegt, eben weitergibt. Ich hab alle Leute, die ich kannte, gefragt, ob Geld übrig ist, und hab für die drei gesammelt. Ich habe mein Geld dem André Kapke weitergegeben. Zwischen 500 und 3000 Mark, ich weiß es nicht mehr genau. Dann hat es ja Unregelmäßigkeiten gegeben. Dann habe ich es nicht mehr an André, sondern an Ralf Wohlleben gegeben.

Götzl Bei wie vielen Gelegenheiten wurde Geld weitergegeben?

Brandt Ein Vierteljahr oder halbes Jahr, dann war das Thema durch, denke ich. Das ist wie bei einem Erdbeben oder so, da spendet man, und irgendwann ist das Thema tot.

(Nach einer Pause geht es bei der Befragung um ein Telefonat, das Brandt mit dem bereits untergetauchten Uwe Böhnhardt geführt haben soll.)

Götzl Wie kam es denn zu diesem Telefonat?

Brandt Ich glaube, ich bin von Carsten Schultze angesprochen worden, dass ich kontaktiert werden soll. Und ich solle ein paar Anrufnummern von verschiedenen Telefonzellen mitteilen. Dann hatte ich irgendwann einen Anruf, ich solle in Zelle so und so sein, in meiner Mittagspause, und dann kam der Anruf. Die Sache hat sich so drei, vier Wochen hingezogen.

Götzl An welcher Zelle war das?

Brandt In Coburg, da hab ich in der Woche gearbeitet. Ich denke, es war das Jahr 2000 oder 1999. Ich glaube, es war der Herr Böhnhardt, mit dem ich telefoniert habe. Ich habe die Stimme damals sofort erkannt.

Götzl Worüber wurde gesprochen und wie lange wurde gesprochen?

Brandt Es war nicht lang, es ging eigentlich nur um diese Geldgeschichte. (Er spielt darauf an, dass Kapke angeblich Geld, das für das Trio gedacht war, unterschlagen haben soll.)

Götzl War die Rede davon, wo sich der Telefonpartner aufhält?

Brandt Nein, ich glaube nicht, dass er mir das hätte mitteilen wollen.

Götzl Wussten Sie etwas zur damaligen Zeit über den Aufenthaltsort der drei?

Brandt Ich selber? Nein, nein.

Götzl Haben Sie mit jemandem über das Telefonat gesprochen?

Brandt Ich hatte das Landesamt darüber informiert, auch über den Inhalt. Mit Herrn Kapke habe ich darüber nicht gesprochen. Ob mit Herrn Schultze, weiß ich nicht mehr.

Götzl Gab es weitere Kontakten Ihrerseits zu den beiden Uwes oder Frau Zschäpe?

Brandt Nein, das war der einzige Kontakt.

Götzl Wieviel Geld haben Sie insgesamt für Ihre Tätigkeit für den Verfassungsschutz in den Jahren 1994 bis 2001 bekommen?

Brandt In der Presse hat mal 100000 bis 140000 Euro gestanden. Ich weiß es nicht mehr. Ich habe kein Kassenbuch geführt.

Götzl Was haben Sie mit dem Geld gemacht?

Brandt Wenn man Politik macht, ist man fast jedes Wochenende unterwegs, das kostet. Das Geld ist in Autos investiert worden, Hotelzimmer, Telefonrechnungen, Aufkleber, Fahrten, alles mögliche. Strafbefehle von Kapke habe ich auch ein paar bezahlen müssen.

Götzl Haben Sie nach dem Untertauchen der drei gezielte Aufträge bekommen?

Brandt Das Landesamt hat eine Sonderprämie von 5000 DM ausgelobt.

Götzl Die Informationen, die Sie an das Thüringer Landesamt weitergeleitet haben, waren die denn wahrheitsgemäß?

Brandt Die waren wahrheitsgemäß, ja.

Götzl Sie hatten gesagt, Herr Schultze habe das Gespräch mit den Untergetauchten vermittelt. In einem Vermerk des Verfassungsschutzes ist von Herrn Wohlleben die Rede. Hier steht, Herr Wohlleben habe die Quelle, also Sie, gebeten, eine Telefonzelle in Coburg zu nennen, über diese Zelle wollten die Flüchtigen mit ihm sprechen. Was sagen Sie dazu?

Brandt Kann sein. Meiner Meinung nach hat mich damals Herr Schultze angerufen, aber das ist alles zu lange her.

Götzl In einem weiteren Vermerk heißt es, der Anruf sei am 8.3.1999 gegen 18.04 Uhr gekommen.

Brandt Ich dachte, es sei mittags gewesen.

Götzl Wie waren die Reaktionen nach Ihrer Enttarnung?

Brandt Das muss man sich vorstellen, als ob sich das Leben von einem Tag auf den anderen verabschiedet. Mein Job hatte sich erledigt, meine politischen Ambitionen, mein kompletter Freundeskreis. Das hat sich alles komplett erledigt gehabt.

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