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Tag 134

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5. August 2014

Manfred Götzl, Richter. Jürgen Länger, 42, Tauchlehrer aus Jena. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Thomas Bliwier, Hardy Langer, Anwälte der Nebenklage.

(Götzl verkündet zunächst, dass Renate Fischer aus dem NSU-Senat ausgeschieden ist, da sie zur Richterin am Bundesgerichtshof ernannt wurde. Damit rückt die bisherige Ergänzungsrichterin Gabriele Feistkorn nach. Fortan gibt es damit nur noch zwei Ergänzungsrichter. Dann wird der Zeuge Jürgen Länger in den Saal gerufen. Die NSU-Ermittler haben den Zeugen im Verdacht, Teil der Lieferkette gewesen zu sein, durch die der NSU die Tatwaffe Česká 83 erhalten hat. Allerdings ist der Zeuge offiziell nicht Beschuldigter oder Angeklagter. Deshalb wird nun vor Gericht debattiert, ob und inwieweit dem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Jürgen Länger wird von Anwalt Thomas Jauch begleitet.

Verteidiger Heer Ich bitte darum, den Zeugen auch im Sinne der Mosaikstein-Theorie zu belehren. (Die Mosaikstein-Theorie hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2002 begründet, wonach ein Zeuge auch dann ein Recht auf generelle Auskunftsverweigerung hat, wenn er durch eine Aus sage den Ermittlern auch nur einzelne Hinweise wie Mosaiksteine für ein Beweisgebäude gegen sich liefern würde.)

Götzl Die Voraussetzung, dass ein umfangreiches Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraf 55 besteht, sehe ich nicht.

Länger Darf ich mal kurz was sagen: Ich weiß, dass BKA-Beamte Leute aufsuchen und sich nach mir erkundigen. Ich weiß nicht, ob Ermittlungsverfahren gegen mich laufen oder nicht. Es ist deshalb ein Risiko, hier auszusagen.

Götzl Es geht uns hier darum, ob von Ihrer Seite Waffenlieferungen an Herrn Schultz vom Laden Madley in Jena stattgefunden haben.

Länger Okay, dazu kann ich was sagen.

Verteidiger Heer Ich halte meinen Verfahrensantrag aber aufrecht.

Länger Es behaupten auch Anwälte in Gera, dass es noch einen NSU-II-Prozess gibt.

Götzl Wer behauptet das?

Länger Das sind Gerüchte halt. Es ist auf jeden Fall so, dass sich das BKA in Gefängnissen nach mir erkundigt hat.

Götzl Bei wem hat sich wer erkundigt?

Länger Das BKA bei einem Mann, Spitzname Sebastian. Und vor einem Jahr bei einem guten Bekannten von mir in Tegel. Ich weiß nicht, was das soll.

Götzl Das nehmen wir jetzt mal zur Kenntnis, nehmen Sie bitte kurz draußen Platz.

(Götzl wendet sich an Verteidiger Heer.) Wollen Sie denn auch eine Begründung abgeben zu Ihrem Antrag, Herr Heer?

Verteidiger Heer Gerne. Es kommt ja nicht auf Ihre Beurteilung an, sondern auf den Zeugen. Ich beantrage, dass ihm ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.

Anwalt Bliwier Ein Antrag im Rechtssinne liegt nicht vor. Ich nehme zur Kenntnis, dass der Zeuge jetzt zwei Rechtsbeistände hat. Eine Belehrung im Sinne der Mosaiktheorie gibt es gar nicht.

Verteidiger Klemke Die Verteidigung von Herrn Wohlleben schließt sich dem Antrag der Verteidigung von Frau Zschäpe an. Wir wissen alle aus unserer Praxis, dass die Hürde für einen Anfangsverdacht nicht allzu hoch liegt. Ich erinnere an die Aussagen des Zeugen Schultz. (Bricht kurz ab.) Ich höre Zwischenrufe. Aber wenn ich unterbrochen werde, muss der Vorsitzende ja nicht eingreifen, das ist mir auch bekannt …

Götzl Und an welche konkreten Informationen des Zeugen Schultz wollen Sie anknüpfen?

Verteidiger Klemke Wollen wir jetzt ein Rechtsgespräch führen? Angeblich soll Schultz ja angegeben haben, dass er die »Scheißknarre« – so hat er sich ausgedrückt – vom Jürgen Länger hat. Damit ist der objektive Tatbestand erst mal gegeben. Und die Unterscheidung zwischen Verstoß gegen das Waffengesetz und Beihilfe zu Mord liegt ja nur am subjektiven Tatbestand. Mehr dazu muss ich nicht sagen!

Verteidiger Heer Ich mache geltend, dass niemand das beurteilen kann außer Herr Länger selbst.

Bundesanwalt Diemer Es bedarf aus unserer Sicht keiner weiteren Belehrung. Es kommt auf die Frage an.

Anwalt Langer Ein Vernehmungsbeamter sagte hier über die Aussage des Zeugen Schultz, über den Verwendungszweck der Waffe sei nicht gesprochen worden. Somit ist klar: Es gibt keinen konkreten Ansatz dafür, dass Herr Länger wissen konnte, an welchen Personenkreis die Waffe gelangen wird.

Verteidiger Klemke Das setzt ja alles voraus, dass Herr Schultz die Wahrheit gesagt hat.

Götzl Sie wissen ja selbst, dass es um die Frage der Beurteilung eines Anfangsverdachts geht. Rein denktheoretische Möglichkeiten und Vermutungen scheiden da aus.

(Die Verhandlung wird kurz unterbrochen.)

Götzl Dann setzen wir fort. Die Anträge, zusätzlich zur erfolgten Belehrung auch hinsichtlich eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts zu belehren, werden abgelehnt. (Der Zeuge wird wieder in den Saal geholt.) Herr Länger, es geht uns um die Frage, ob Sie eine Waffenlieferung im Zeitraum etwa 1998 bis 2000 an Herrn Schultz vorgenommen haben?

Länger Was Herr Schultz sagt, ist gelogen. Wie er darauf kommt, kann ich mir nicht erklären, absolut nicht. Den Herrn Schultz kenne ich, ich hab da ein Büro in Jena gehabt und im Laden von Herrn Schultz Schuhe gesucht. Dass er mich aus der Lehre kennt, ist auch gelogen.

Götzl Sie haben Herrn Schultz im Laden kennengelernt?

Länger Ja, das ist halt ein Klamottenladen gewesen in Jena, ein kleiner, das Madley. Ich bin zur Mittagspause in der Nähe gewesen. Da unterhält man sich auch. Das war 1997, 1998, kann ich nicht genau sagen. Ich hab mich immer totgelacht, weil die nix gebacken gekriegt haben. Die konnten mir keine Schuhe besorgen.

Götzl Warum gab es da Probleme?

Länger Ich hab Schuhgröße 52.

Götzl Wie gut kannten Sie jetzt Andreas Schultz?

Länger Ich hatte ihm mal Geld geborgt. Er hatte eine Imbissbude, da hab ich mal 300, 400 Euro geborgt, und da habe ich ewig gebraucht, das wiederzubekommen. Er hat mir auch schöne Zinsen versprochen.

Götzl Zurück zu dem Punkt »Waffe«: Ist in der Zeit 1998 bis 2000 – ist das Thema Waffenbeschaffung aufgetaucht? Ist darüber mal mit Herrn Schultz oder Herrn Liebau (der Kompagnon von Schultz und Besitzer des Szeneladens Madley) gesprochen worden von Ihrer Seite?

Länger So was war überhaupt kein Gespräch. Mit Liebau habe ich mich über die nächste Technoparty unterhalten. Und Herr Schultz, der hat mehr Bier getrunken und Drogen genommen. Den konnte man gar nicht ernst nehmen. Er hat ja behauptet, dass ich alles besorgen konnte. Das ist ja Wahnsinn. Wie kann man so was sagen?

Götzl Also Waffen – war das jemals Gesprächsthema?

Länger Nee. Meine Vermutung ist, Schultz verwechselt da jemanden mit mir. Ich denke mal, er tut das vertauschen.

Götzl Gab es denn Streit über das Darlehen?

Länger Nein, er hat weiter weg gewohnt. Ich hab den auch nicht verprügelt oder so, sodass er eine Wut auf mich hätte. Vielleicht war er im Drogenwahn und er verwechselt mich.

Götzl Ich will zu Herrn Theile kommen: Kennen Sie ihn und wie gut und woher?

(Enrico Theile ist ein früherer Bekannter von Uwe Böhnhardt aus Jena, der über einen Freund, Hans-Ulrich Müller, in der Schweiz die Česká 83 besorgt und an Länger weitergegeben haben soll. Von dort soll sie in den Laden Madley und an den NSU gelangt sein.)

Länger Er ist nicht ein Freund, Kumpel, aber ich kenne ihn. Also mehr als kennen.

Götzl Nicht Freund, nicht Kumpel?

Länger Für mich ist er schon wie ein Freund. Ich kenne seine Freundin, seinen Vater, seine Mutter. Er steht mir nicht so nahe, aber ich kann ihn gut leiden.

Götzl Wie lange kennen Sie ihn schon?

Länger Ich denke, es war 1993 oder so im Gefängnis Hohenleuben, da habe ich ihn über das Fenster kennengelernt. Ich denke mal, dass es eher 1996 gewesen ist.

Götzl War von seiten Herrn Theiles mal die Rede von Waffenlieferungen?

Länger Überhaupt nicht. Null. Gar nichts. Ich weiß auch nicht, wie die Presse darauf kommt, dass er mein Kamerad sein soll, der Herr Theile. Kamerad – so ’n Schwachsinn.

Götzl Sagt Ihnen der Name Müller was?

Länger Aus der Presse, ja. Ich muss auch noch mal sagen zur Staatsanwaltschaft: Sie behaupten, ich war in der Schweiz. Also, ich war da noch nie! Ich wollte da mal hin, aber Wollen und Dortsein … Ich habe ein aggressives Verhalten von der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe erlebt, und es gibt da nichts zu unterhalten.

Götzl Mir geht es darum, was Sie wissen. War von Herrn Theile Ihnen gegenüber von einem Herrn Müller die Rede?

Länger Noch nie.

Götzl Kannten Sie Herrn Böhnhardt oder Herrn Mundlos?

Länger Das einzigste Mal, da war ne Gerichtsverhandlung, und da hat ein Polizist gesagt, der Länger ist mit dem geklauten Auto und Herrn Böhnhardt gefahren. Ich kannte den aber gar nicht, dann hat sich herausgestellt, es war ein ganz anderer, der das gestohlen hat. Ich selber kenne den nicht und Mundlos auch nicht. Am Ende wurde das eingestellt oder Freispruch. Es ist sehr lange her.

Götzl Gab es mal eine Situation, dass Sie mit Herrn Böhnhardt zusammen im Auto saßen?

Länger Nein, auf keinen Fall. Es wird auch immer geredet von einer Jugendbande – ich war in keiner Jugendbande.

(Der Zeuge bekundet nun, er kenne auch die Angeklagten Carsten Schultze, André Eminger und Holger Gerlach nicht.)

Götzl Und Ralf Wohlleben?

Länger Kenne ich flüchtig.

Götzl Können Sie es ausführen?

Länger Wenn ich zu meinem Vater nach Alt-Lobeda (in Jena) fahre, fährt man automatisch an dem berüchtigten Haus vorbei. (Er meint das sogenannte Braune Haus, einen Treffpunkt der rechten Szene.) Dann gibt es Leute auf der Straße, Demos, man hält an, fragt nach. Da lernt man die Leute halt kennen. Ich habe ihn mal 2009 gefragt nach einer Demo, er wusste auch nichts, ich bin dann trotzdem losgefahren nach Berlin.

Götzl Klar ist mir das jetzt nicht geworden.

Länger Ich habe am 30. April Geburtstag, und am 1. Mai fahre ich manchmal zu Demos, entweder zu einer Antifa-Demonstration oder zur NPD. Es kommt drauf an.

Götzl Worauf?

Länger Na, welche in der Nähe ist. Und in Berlin haben die mich dann mal festgenommen.

Götzl Wie kamen Sie dazu, Herrn Wohlleben zu fragen?

Länger Er stand da mit ein paar Leuten, und ich hab ihn halt gefragt, weil ich ihn vom Sehen kannte. Ich war ja schon mal auf NPD-Demonstrationen. Vielleicht weiß er, wo mehr Spektakel ist. Ich hab ihn vielleicht auf anderen NPD-Demos gesehen. Kann aber auch sein, dass ich auf der Gegenseite war. Ich glaube, ich hab ihn mal gefragt, warum er in der NPD ist. Ich weiß nicht, was er geantwortet hat, ich fand’s nicht überzeugend.

Götzl Wie ist denn Ihre politische Einstellung?

Länger Ich bin neutral, ich bin aufrechte und linke Demos gegangen. Ich habe eigentlich keine Meinung.

Götzl Was suchen Sie denn bei Demos?

Länger Abenteuer, Spaß. Ist doch interessant. Wenn es in Berlin auf einer großen Straße nicht weitergeht bei der NPD, weil Stau ist, dann wechselt man die Seite.

Götzl Was können Sie zur Auswertung Ihrer Festplatte sagen? Zu den Musikdateien?

Länger Da ist ja nicht nur rechte Musik drauf, sondern auch linke und Reggae.

Götzl Und ein Ordner »Max« mit der Musik »White Resistance« und mit Bildern von NS-Devotionalien. Was können Sie dazu sagen?

Länger Wenn es da drauf war, war es da drauf. Da war noch mehr Musik. Ich höre mir das nicht an. Die Frage stellt sich, warum stellen Sie mir die Frage?

Götzl Ich diskutiere das nicht mit Ihnen! Es ist meine Aufgabe, Fragen zu stellen.

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