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Tag 129

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22. Juli 2014

Manfred Götzl, Richter. J.S., 21,Studentin aus Niedersachsen. K.M., 21, Abiturientin aus Niedersachsen. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe

(Beate Zschäpe ist sehr blass. Es ist das erste Mal, dass ihre Anwälte sie mit ihren Roben nicht vor den Fotografen abschirmen. Sie halten Abstand zueinander, reden kein Wort miteinander. Zunächst verkündet Richter Götzl einen Beschluss zu einem Thema, das ihn ein ganzes Jahr nicht mehr loslassen wird: Beate Zschäpe hatte am vorigen Verhandlungstag erklärt, sie vertraue ihren Anwälten nicht mehr. Sie hat mittlerweile auch schriftlich beim Gericht beantragt, ihre Verteidiger zu entpflichten.)

Götzl Mit Verfügung vom 21. Juli ist der Antrag der Angeklagten Zschäpe, die Bestellung der Verteidiger zu widerrufen, abgelehnt worden. Eine Begründung, dass konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass das Vertrauensverhältnis zu den Verteidigern endgültig und nachhaltig gestört ist, ist in der Erklärung von Frau Zschäpe nicht enthalten. Dann setzen wir in der Hauptverhandlung fort.

(Die beiden Zeuginnen an diesem Tag sind noch immer traumatisiert und werden zum Teil psychologisch betreut.)

Götzl Berichten Sie uns doch, wie Sie Ihre Bekannten auf Fehmarn kennengelernt haben. Und wenn Sie eine Pause brauchen, sagen Sie einfach Bescheid.

J.S. (weint) Ich war mit meinen Eltern und meiner Schwester im Urlaub. Und eines Tages sind die drei zu meinen Eltern gekommen und haben gefragt, ob sie Doppelkopf spielen wollen. Von dem Tag an haben wir immer mehr miteinander gemacht. Zusammen gefrühstückt, zum Spielen zusammengesetzt, Musik gehört, das Fehmarn-Lied, ins Kino, bummeln, beim Reiten, drei Wochen lang. Zusammen abends gegrillt oder im Restaurant. (Schluchzt.) Getrunken, gequatscht.

Götzl Können Sie sagen, von welchen Jahren Sie sprechen?

J.S. Ja, 2007 bis 2011.

Götzl Unter welchen Namen haben Sie die genannten Personen kennengelernt?

J.S. Beate Zschäpe kenne ich unter Lieschen oder Liese. Und die beiden Männer unter Max und Gerry.

Götzl Mit wem hatten Sie am meisten Kontakt?

J.S. Eigentlich mit allen dreien gleich viel. Aber Persönliches ausgetauscht habe ich am meisten mit Lieschen.

Götzl Können Sie das Verhalten der drei Personen beschreiben?

J.S. Die drei haben in einem Wohnwagen zusammengewohnt, zusammen eingekauft. Liese hat für alle drei gezahlt. Sie kannten sich schon sehr lange aus der Jugend. Sie wussten alles voneinander. Max war ein Spaßvogel. Mit meinem Vater hat er aber auch ernste Gespräche über Technik geführt. Gerry war etwas ruhiger. Liese war wie eine Freundin, mit der man auch persönliche Anliegen besprechen konnte, wie Eltern und Schule. Alle drei waren so herzlich!

Götzl Was haben Sie von den drei Personen über ihr Leben erfahren?

J. S. Ich wusste, dass sie in Zwickau wohnen. Dass Gerry Kurierfahrer ist und Max was mit Informatik und Computern macht. Von Liese weiß ich gar nichts beruflich.

Götzl Hatten Sie auch außerhalb der Urlaubszeit Kontakte?

J. S. Die ganze Familie hatte die Handynummer von Lieschen, über die wir sie immer erreichen konnten.

Götzl Kam es auch zu persönlichen Treffen?

J. S. Zu meinem Geburtstag habe ich die drei eingeladen. Sie sind mit dem Auto zu uns gefahren und haben bei uns übernachtet. Und es gab noch weitere Treffen, als Überraschung haben sie bei uns geklingelt, wenn sie auf dem Weg zu Freunden waren.

Götzl Haben Sie auch mal über Waffen oder Bomben geredet?

J. S. Sie haben erzählt, dass sie in ihrer Jugend eine Bombe gebaut haben. Und sie haben mir erklärt, wie man das macht. Ich meine, es war Gerry, der meinte, geht doch ganz einfach: drei Zutaten – welche habe ich mir nicht gemerkt –, die machst du mit dem Mörser klein, dann stehenlassen und nach so und so vielen Tagen kannst du daraus was bauen.

Götzl Können Sie sich an einen Badeunfall erinnern?

J.S. Ja, wir haben zusammengesessen und ein Spiel gespielt. Wir haben gesehen, dass eine Tauchschule mit Kindern tauchen geht. Zwei Kinder sind ertrunken, große Katastrophe.

Götzl Wie haben sich die drei verhalten?

J.S. Liese und ich sind ein bisschen näher rangegangen an den Unfall. Dann kamen viele Krankenwagen und die Polizei. Als Presse kam, um Campingplatzbewohner zu interviewen über den Unfall, sind sie ganz schnell in den Wohnwagen gerannt.

Götzl Sie waren vorhin emotional sehr bewegt. Was ist der Grund?

J.S. Über die Jahre hat sich schon eine enge Freundschaft aufgebaut. Es war eine besondere Beziehung. Fast wie Ersatzeltern. Und als ich dann die Nachrichten gesehen hab, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich kann es bis heute nicht begreifen: Ich habe den dreien hundertprozentig vertraut und dann gemerkt, dass sie mich von vorne bis hinten belogen haben. Ich frage mich: Mochten sie mich wirklich oder haben sie mich die ganze Zeit verarscht?

(Die Zeugin J.S. blickt flehentlich zu Zschäpe, aber die schaut sie nicht an. Auch die nächste Zeugin lernte das Trio an der Küste kennen.)

K. M. Im Sommer 2007 haben wir die drei kennengelernt und dann die nächsten fünf Jahre miteinander Urlaub gemacht. Es war eine eingeschworene Urlaubsgemeinschaft. Wir haben dort drei völlig offene, nette Menschen kennengelernt. Es war nicht vorstellbar, dass sie einer Ameise oder Fliege was getan haben. Keiner hätte je gedacht, dass das so ausgeht. Frau Zschäpe war immer so ein Zwischending zwischen Freundin und Mutter. Uwe Böhnhardt war der Ruhigere. Der am meisten aus sich rausgegangen ist, war Uwe Mundlos, das blühende Leben, immer wortgewandt, hat den Kontakt zu uns gesucht. Es war eine humorvolle Runde.

Götzl Bei der Polizei haben Sie laut Protokoll angegeben, Sie hätten auch mehrfach über Ihre politische Einstellung gesprochen.

K. M. Kann sein, aber ich glaube, sie haben dann sehr schnell abgelenkt. Liese, also Frau Zschäpe, verhielt sich neutral.

Götzl Worüber haben Sie geredet?

K. M. Wenn ich über Politik rede, dann ist es das Problem mit rechts. »Schrei nach Liebe« – eine Hymne gegen rechts von den »Ärzten«. Aber das war dann schnell vom Tisch. Ich habe eine Tasche mit einem Aufnäher »Gegen Nazis«, mit einer Faust gegen das Hakenkreuz. Die drei wussten definitiv von meiner politischen Einstellung.

Götzl Haben Sie die Tasche damals auch getragen?

K.M. Ja.

Götzl Haben Sie eine Reaktion feststellen können?

K.M. Nein.

Verteidiger Stahl Sie sagten, Sie hätten mit Frau Zschäpe »Die Ärzte« gehört. Nur gehört?

K. M. Ich hatte auch meine Akustikgitarre dabei und ein »Ärzte«-Liederbuch. Frau Zschäpe hat mitgesungen, sie kannte die Texte.

Der NSU Prozess

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