Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 150
Tag 132
Оглавление30. Juli 2014
Manfred Götzl, Richter. Maria H., 33, Studentin aus Jena. Steffi S., 33, Krankenpflegerin aus Jena.
Götzl Es geht uns um einen Vorfall aus den Neunzigern in Jena, was können Sie uns dazu berichten?
Maria H. Das war so, dass ich mit Freunden auf den Rummel gegangen bin, und dann fuhr ich abends wieder nach Hause mit einer Freundin, der Steffi, in der Straßenbahn nach Winzerla, zur Endhaltestelle. Schon in der Straßenbahn habe ich gesehen, dass sich jemand bei mir direkt gegenüber hingesetzt hat. Die Bahn war nicht voll, sie hat mich direkt angestarrt, ich kannte das Mädchen nicht. Sie hat mich nach dem Aussteigen angesprochen, es war früher Abend. Sie sagte, dass ich sie beleidigt hätte oder sie ausgelacht, es war mir nicht erinnerlich, dass ich das gemacht habe. Sie hat mich geschubst, ich bin gefallen, mein Fuß hat geschmerzt. Sie hat sich auf meinen Rücken gesetzt und hat mich gezwungen zu sagen: »Ich bin eine Potte.« Die Steffi stand nur daneben, sie hatte eine kleine Ratte in ihrer Kapuze und hatte die Sorge, ihr passiert was. Das Mädchen hatte auch noch jemanden dabei, die aber auch nichts gemacht hat. Beide waren mir bis dahin unbekannt, im Nachhinein habe ich erfahren, dass es Beate Zschäpe war, ich habe sie auf alten Fotos identifizieren können. Mein Fuß hat so geschmerzt, dass ich am nächsten Tag zum Arzt gegangen bin. Er hat festgestellt, dass er angebrochen war. Was für Beate Zschäpe aber nicht ersichtlich war, das konnte sie nicht wissen. Ich hatte einen Gips für einige Wochen, danach war alles gut.
Götzl Sind Sie zur Polizei gegangen?
Maria H. Ja, ich habe Anzeige gegen unbekannt erstattet. Ich wusste nicht, dass es Beate Zschäpe war. Mir ist es persönlich gar nicht erinnerlich, ich war erst 16, aber meine Mutter erinnert sich.
Götzl Haben Sie gar keine Erinnerung daran, dass Sie bei der Polizei waren?
Maria H. Nein,keine.
Götzl Was können Sie zur zeitlichen Einordnung des Vorfalls sagen?
Maria H. Mit den Leuten auf dem Rummel, das war 1996. Ich denke nicht, dass es Weihnachten war, es könnte passen mit dem Altstadtfest, das im Herbst stattfindet.
Götzl Ihre Begleiterin, die Steffi, wissen Sie, wie sie mit Nachnamen heißt?
Maria H. Inzwischen weiß ich es, ich konnte mich zunächst nur mit Mühe und Not an den Vornamen erinnern.
Götzl Im Nachhinein hätten Sie erfahren, dass es Beate Zschäpe gewesen sei. Wie denn?
Maria H. Ich weiß nicht, wer das wusste. Der Vorfall war in der Szene Jenas bekannt, weil ich den Gips hatte, aber erst, als es 2011 zu diesen Verhaftungen gekommen ist, hat dann ein freier Journalist Kontakt zu mir aufgenommen. Damals habe es doch den Vorfall mit Beate Zschäpe gegeben. Er hat mir die Fotos gezeigt, und dann habe ich gesehen, dass es tatsächlich sie war. Und er hatte die Informationen von der Jungen Gemeinde Jena (eine Jugendgruppe der evangelischen Kirche in Jena).
Götzl Sie sagten, Beate Zschäpe hätte gesagt, Sie hätten sie ausgelacht oder beleidigt. Gab es da etwas?
Maria H. Das war mir völlig unklar, was sie meint. Ich hatte überlegt, dass es sich auch um eine Verwechslung handeln könnte. Weil wir in einer größeren Gruppe auf dem Rummel waren. Da war ein Mädchen, das sah mir ziemlich ähnlich. Wir hatten bunte Klamotten an, die Haare an einer Seite abrasiert. Ich habe die diffuse Erinnerung, dass ich sie mal gefragt habe und dass sie gesagt hat, sie habe da was Freches gesagt.
Götzl Können Sie die Personen beschreiben, die bei dem Vorfall dabei waren: zunächst sich selbst.
Maria H. Ich hatte oft so ähnliche Stiefel wie Springerstiefel an, mit bunten Schnürsenkeln, gefärbte oder zerrissene Klamotten, lange Röcke, Haare bunt gefärbt. Also schon ziemlich auffällig der linken Szene zuzuordnen. Die Beate Zschäpe hatte so halblange Haare, lockig, offen, ziemlich volle Haare. Sie war nicht so auffällig angezogen, vielleicht eine Bomberjacke, und ihre Begleiterin war auffälliger dem rechten Milieu zuzuordnen. Eine Frisur, die in diese Richtung weist. Sie hat aber gar nichts gesagt oder getan.
Götzl Die Situation, als es zu Ihrer Verletzung kam: Wie waren die Positionen?
Maria H. Ich wurde ja geschubst, danach lag ich bäuchlings mit dem Rücken nach oben, und sie hat sich auf meinen Rücken draufgesetzt. Dann sollte ich das sagen: »Ich bin eine Potte.« Ich dachte, nanu, was ist das für ein Wort?
Götzl Haben Sie das gesagt, den Satz?
Maria H. Ja.
Götzl Haben Sie sich gewehrt?
Maria H. Nee, gar nicht, aber es war auch sinnlos. Ich bin so unglücklich gefallen, dass der Fuß so wehgetan hat. Ich bin irgendwie nach Hause gehumpelt.
Götzl Ich habe hier Unterlagen Ihres Arztes. Da geht’s um eine Fraktur vom 17.9.1996. Entspricht das vom Zeitpunkt her Ihrer Erinnerung?
Maria H. Das passt ganz gut.
(Anschließend tritt die damalige Begleiterin von Maria H. auf.)
Steffi S. Frau Zschäpe warf Maria vor, sie habe sie in der Stadt »Schlampe« genannt. Dann hat sie Maria mit zwei, drei geübten Handgriffen zu Boden gebracht. Maria lag weinend am Boden. Zschäpe hat dann noch die Jacke von Maria entwendet und ist weggegangen.
Götzl Kannten Sie denn zum damaligen Zeitpunkt Frau Zschäpe?
Steffi S. Ich kannte sie vom Sehen aus Jena-Winzerla. Da ich auffälliger aussah, war ich oft damit konfrontiert, durchs Viertel gejagt zu werden, beleidigt zu werden. Mir waren ein paar Gesichter und Namen bekannt.
Götzl Den Namen »Beate Zschäpe« kannten Sie damals?
Steffi S. Ja.
Götzl Woher?
Steffi S. Man hat sich mit Leuten unterhalten, im gleichen Viertel gewohnt, es ist wie ein kleines Dorf. Es waren Erzählungen von Leuten, dass Frau Zschäpe ein krasses Auftreten hat. Ich habe es mehr als einmal gehört, dass es hieß, Frau Zschäpe habe keine Skrupel, auf Leute loszugehen.
Götzl Sie sagen, Frau Zschäpe war die Täterin. Ist denn bei der Polizei nicht über die Täterin geredet worden?
Steffi S. Genau diese Aussage – das weiß ich nicht mehr, das ist weg.
Götzl Haben Sie mit Frau H. darüber gesprochen?
Steffi S. Das weiß ich auch nicht mehr. Wir waren auch nicht gut befreundet, wir kannten uns so.
Götzl Sie sagten später bei einer Vernehmung laut Protokoll, Beate Zschäpe habe den Ruf gehabt, dass sie mit einem Messer herumlaufe und auch Männern gegenüber aggressiv auftrete.
Steffi S. Das hat man sich auf der Straße erzählt, und das habe ich auch gehört. Ein konkretes Ereignis weiß ich nicht.