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II.Abgrenzung zum „Einsatz“ im Sinne von Art. 87a GG
ОглавлениеIn den Medien, von Politikern und selbst innerhalb der Bundeswehr werden sämtliche Hilfeleistungen der Bundeswehr im Inland bisweilen undifferenziert als „Einsatz“ bezeichnet, was rechtlich gesehen nicht korrekt ist, da der Einsatz der Bundeswehr in Art. 87a Abs. 2 GG geregelt ist und eine ganz andere Qualität hat.65 Diese Bestimmung wurde im Zuge der sogenannten Notstandsverfassung durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709) in das Grundgesetz eingefügt und soll verhindern, dass für die Verwendung der Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt „ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache“ abgeleitet werden.66 Der Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG erfasst (nur) solche Verwendungen, bei denen die Streitkräfte hoheitlichen Zwang einsetzen dürfen, wozu auch die Anwendung von Waffengewalt, Eingriffe in Rechte Dritter und die (bewaffnete) Bewachung von Objekten gehören können.67 Für die eingesetzten Soldaten bedeutet dies, dass sie ggf. mit militärischer Bewaffnung das Gewaltmonopol des Staates verkörpern und als Mittel der vollziehenden Gewalt hoheitliche Eingriffsbefugnisse ausüben (dürfen).
Diese Auslegung wird im Plenarbeschluss des BVerfG vom 3. Juli 2012 zum Luftsicherheitsgesetz bestätigt, wonach nicht jede Verwendung ein Einsatz ist, sondern nur die Verwendung als Mittel der vollziehendenden Gewalt in einem Eingriffszusammenhang, wobei genügen soll, dass personelle oder sachliche Mittel der Streitkräfte in ihrem „Droh- oder Einschüchterungspotential genutzt werden“.68 Seit längerem stehen Unterstützungsmaßnahmen der Streitkräfte zu Gunsten der Polizei in der Diskussion.69 Ein in der Literatur gerne herangezogenes Beispiel ist die Suche von Personen durch die Streitkräfte mit ihren besonderen technischen Mitteln. Die Verwendung eines Tornados mit Wärmebildkameras zur Suche von Vermissten etwa sei zulässig, die Suche nach entflohenen Straftätern hingegen problematisch.70 Die Suche nach Straftätern durch die Streitkräfte würde unmittelbar der Ergreifung des Verdächtigen dienen und damit von einer allein der Polizei zustehenden Vollzugsmaßnahme nicht trennbar sein. Die Einbeziehung in Polizeivollzugsmaßnahmen wäre als Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte Trennung von Streitkräfte- und Polizeiaufgaben unzulässig.71 Außerhalb der Amtshilfe kann die Bundeswehr im Inland nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG auch bei Naturkatastrophen (z. B. Hochwasser, Erdbeben, Sturmschäden) oder besonders schweren Unglücksfällen unterstützend tätig werden. Besonders schwere Unglücksfälle sind nach der Rechtsprechung ungewöhnliche Ausnahmesituationen von katastrophischen Dimensionen.72 Das BVerfG verweist in seiner Judikatur stets auf das Gebot strikter Texttreue und folgert daraus, dass ein Einsatz der Streitkräfte nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist, die sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen des Art. 87a Abs. 4 GG unterlaufen werden. Im Verhältnis von „Einsatz“ der Streitkräfte und „Amtshilfe“ der Streitkräfte gilt Folgendes: Einsatz der Streitkräfte und Amtshilfe der Streitkräfte für andere Behörden nach Art. 35 Abs. 1 GG schließen sich aus. 73