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3.Verbindlichkeit eines Befehls

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Ein Soldat muss seinem Vorgesetzten gehorchen und dessen Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich ausführen.144 Die schuldhafte Nichtbefolgung eines Befehls stellt ein Dienstvergehen dar, § 23 Abs. 1 SG. Sollte der Befehl allerdings rechtswidrig sein, kommt der Frage, ob dieser Befehl deshalb auch unverbindlich ist und nicht befolgt werden muss oder sich eine Ausführung desselben sogar verbietet, besondere Bedeutung zu.

Ein Befehl muss dann nicht befolgt werden, wenn dieser nicht nur rechtswidrig ist, sondern ihm noch ein weiterer Mangel anhaftet:145 So liegt gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 HS. 1 SG Ungehorsam nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Menschenwürde unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Unverbindlich ist daher ein Befehl, welcher die Menschenwürde des Befehlsempfängers oder eines Dritten verletzt, in dem sich z. B. der Befehlsempfänger mit der Befehlsausführung zum Objekt herabwürdigt, der Lächerlichkeit preisgibt oder ein Dritter in demütigender Art und Weise in seiner Ehre oder Intimsphäre verletzt wird.146 Ferner liegt gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 HS. 1 SG Ungehorsam nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist. Ein nicht zu dienstlichen Zwecken erteilter Befehl ist stets unverbindlich, da der Vorgesetzte insoweit die ihm verliehene Befehlsbefugnis überschreitet.147 Hierunter fällt das zuvor gebrachte Beispiel der nautischen und navigatorischen Berechnungen für die private Segeltour des Vorgesetzten. Irrt sich in diesem Beispiel der NavGast hingegen und handelt es sich in Wahrheit z. B. um Planungen für ein geplantes Manöver der NATO, so ist für die Beurteilung der Frage eines möglichen Ungehorsams entscheidend, ob der er seinen Irrtum hätte vermeiden können.

Da die in § 11 Abs. 1 Satz 3 HS. 1 SG und § 11 Abs. 2 SG genannten Unverbindlichkeitsgründe nicht abschließend sind, können auch andere Gründe zur Unverbindlichkeit des Befehls führen, z. B. wenn die Ausführung desselben für den Soldaten unzumutbar ist.148 Wann genau von Unzumutbarkeit ausgegangen werden kann, ist „im Einzelnen bislang nicht hinreichend geklärt“149. Ohne diese Thematik vorliegend vertiefen zu wollen, so ist ein militärischer Befehl jedenfalls dann als unzumutbar anzusehen, „wenn der betroffene Untergebene sich insoweit auf den Schutz des Grundrechts der Freiheit des Gewissens berufen kann“150.

§ 11 Abs. 2 SG geht noch weiter: Ein Befehl darf nicht ausgeführt werden, wenn (1.) mit seiner Ausführung eine Straftat begangen würde.151 Diese muss nicht zwingend im deutschen Strafgesetzbuches (StGB) zu finden sein, auch andere Gesetze enthalten Straftatbestände, z. B. das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)152, welches bei Sprengungen von Seeminen im Rahmen der Übungs- und Ausbildungstätigkeit der Deutschen Marine betroffen sein kann. Für § 11 Abs. 2 SG kann bereits ein sog. gefährlicher Befehl ausreichen, das heißt, dass mit der Befehlsausführung die Verwirklichung eines Straftatbestands nur dem Zufall überlassen ist.153 Schließlich darf ein Befehl auch dann nicht ausgeführt werden, wenn damit (2.) ein schwerer Völkerrechtsverstoß einhergeht, etwa bei Verstößen gegen elementare Grundsätze des Völkerrechts. Insoweit sei beispielhaft auf die bereits erwähnten Genfer und Haager Konventionen verwiesen. Aus § 11 Abs. 2 SG folgt im Umkehrschluss zudem, dass ein Befehl, welcher zwar nicht die Begehung einer Straftat, wohl aber diejenige einer Ordnungswidrigkeit impliziert, sehr wohl verbindlich ist.154

Ist ein Befehl anhand der genannten Ausnahmen als unverbindlich einzustufen, so muss bzw. darf er durch den Untergebenen nicht ausgeführt werden. Zwar ist der Soldat grds. von jeder Verantwortung oder Prüfpflicht frei.155 Befolgt der Soldat den Befehl dennoch und wird dadurch ein Straftatbestand erfüllt, so trifft den Soldaten dann eine Schuld, wenn er erkennt oder wenn es „unter Ausschluss jeden vernünftigen Zweifels offensichtlich“156 ist, dass durch sein Handeln oder Unterlassen eine Straftat begangen wird, § 11 Abs. 2 Satz 2 SG. Bloße Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Befehls reichen hier aus der Sicht des Soldaten jedoch nicht aus, er muss bösgläubig hinsichtlich der Folgen des Befehls sein.157

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