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Kapitel 4Bundeswehrverwaltung
Christian Raap

Zumeist verbindet man mit der Bundeswehr allein die Streitkräfte. Zur Bundeswehr gehört aber auch eine eigenständige verfassungsrechtlich begründete, zivil geprägte Verwaltung. Die Bundeswehrverwaltung ist eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau, die den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte dient (Art. 87b Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG). Die Bundeswehrverwaltung als normale zivile Fachverwaltung162 soll die Streitkräfte von administrativen Aufgaben entlasten163 und so ihre Effektivität erhöhen.

I.Geschichte

Die Bundeswehrverwaltung ist eine Neuschöpfung der 1950er Jahre.164 Sie unterscheidet sich beträchtlich von früheren deutschen Militärverwaltungen,165 deren Anfänge im 17. Jh. liegen.166 Die sog. Intendanturverwaltungen waren in die Streitkräfte eingebunden und unterstanden militärischen Vorgesetzten. Jede Teilstreitkraft (Heer, Marine, Luftwaffe) besaß eine eigene Intendanturverwaltung. Die Angehörigen dieser Verwaltungen hatten allerdings keinen Soldatenstatus. Die Entscheidung für die Bundeswehrverwaltung war eine bewusste und gewollte Absage an in die Teilstreitkräfte integrierte Intendaturverwaltungen.167

Die Bundeswehrverwaltung168 gliederte sich bis zur umfassenden Neuausrichtung des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) ab 2012 in zwei Organisationsbereiche.169 Zur Territorialen Wehrverwaltung gehörten das Bundesamt für Wehrverwaltung (bis Anfang der 1990er Jahre: Bundeswehrverwaltungsamt) als Bundesoberbehörde und die (zuletzt vier) Wehrbereichsverwaltungen als Mittelbehörden. Behörden der unteren Verwaltungsstufe waren die Standortverwaltungen (ab 2007: Bundeswehr-Dienstleistungszentren) und die Kreiswehrersatzämter. Hinzukamen die Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik als zentrales Bildungsinstitut und das Bundessprachenamt als Bundesoberbehörde. Der Rüstungsbereich war für die Entwicklung, Erprobung und Beschaffung von Waffen und Gerät sowie Informationstechnik zuständig. Zu ihr gehörten als Bundesoberbehörden das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und (ab 2002) das Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr sowie eine Anzahl weiterer Behörden.

Nach der Wende mit dem Untergang der DDR und der Auflösung der Nationalen Volksarmee baute die Bundeswehrverwaltung im Zuge der beträchtlichen Streitkräftereduzierung in großem Umfang Personal ab. In die Auslandseinsätze, an denen die Streitkräfte teilnehmen, ist die Bundeswehrverwaltung eingebunden. Seit Beginn des 21. Jh. nehmen juristische Personen des Privatrechts aufgrund einer sog. Organisationsprivatisierung einzelne Verwaltungsaufgaben der Bundeswehrverwaltung (insbesondere Bekleidungswesen, Fuhrpark, Informationstechnik, Instandsetzung) wahr.

II.Heutige Struktur

Die Bundeswehrverwaltung ist – wie die Streitkräfte mit ihren sechs Organisationsbereichen (Heer, Luftwaffe und Marine als Teilstreitkräfte; Streitkräftebasis, Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr, Cyber- und Informationsraum) sowie die Organisationsbereiche Rechtspflege der Bundeswehr und Militärseelsorge – dem BMVg nachgeordnet. Streitkräfte, Bundeswehrverwaltung, Rechtspflege und Militärseelsorge bilden zusammen die Bundeswehr (sog. Vier-Säulen-Theorie).170

Heute gliedert sich die Bundeswehrverwaltung in die drei Organisationsbereiche (1.) Personal, (2.) Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung sowie (3.) Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen.171 In diesen Organisationsbereichen bestehen Bundesoberbehörden, denen zum Teil noch weitere Behörden nachgeordnet sind.

1.Personal

Dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw)172 als Bundesoberbehörde obliegt die Personalgewinnung, -führung und -entwicklung. Regional nehmen Karrierecenter und -büros die Personalgewinnung wahr.

Den Bildungs- und Qualifizierungsprozess verantwortet das Bildungszentrum der Bundeswehr (BiZBw, ebenfalls Bundesoberbehörde). Dem BiZBw unterstehen die Bundeswehrfachschulen und die Auslandsschulen. Hinzukommen die beiden Universitäten der Bundeswehr und die Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung – Fachbereich Bundeswehrverwaltung. Zum Organisationsbereich Personal zählt auch das Bundessprachenamt (BSprA). Dieser Bundesoberbehörde obliegen Sprachausbildungen und Sprachmittleraufgaben.

2.Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) als Bundesoberbehörde trägt die Verantwortung für die Entwicklung, die Erprobung, die Beschaffung und das Nutzungsmanagement von Wehrmaterial und Informationstechnik.173 Die Wehrtechnischen und Wehrwissenschaftlichen Dienststellen, das Zentrum für Informationstechnik der Bundeswehr und das Marinearsenal als Behörden der unteren Verwaltungsstufe sind dem BAAINBw nachgeordnet.

3.Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen

Im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw)174 als Bundesoberbehörde sind u. a. Infrastrukturaufgaben, der Arbeits-, Umwelt- und Naturschutz, das Gefahrgutwesen, allgemeine Rechtsangelegenheiten (insbesondere die Schadensbearbeitung) und das sog. Travelmanagement gebündelt. In regionalen Kompetenzzentren Baumanagement erbringt das BAIUDBw vor Ort den infrastrukturellen Service für die Bundeswehr. Dem BAIUDBw unterstehen weitere Behörden der unteren Verwaltungsstufe. Das Zentrum Brandschutz der Bundeswehr führt und steuert die Bundeswehrfeuerwehren, das Verpflegungsamt der Bundeswehr die Truppenküchen und Betreuungseinrichtungen. Die Bundeswehr-Dienstleistungszentren erfüllen regional Serviceaufgaben für die Truppe. Für im Ausland stationierte deutsche Streitkräfte sind für den Service Bundeswehrverwaltungsstellen zuständig, in den Einsatzgebieten die Einsatzwehrverwaltungsstellen.

4.Exkurs: Rechtspflege der Bundeswehr und Militärseelsorge

Seit Bestehen der Bundeswehr gibt es mit der Rechtspflege und der Militärseelsorge zwei weitere zivile Organisationsbereiche; sie zählen organisatorisch nicht zur Bundeswehrverwaltung175. Beide Bereiche haben (teilweise) eigenständige verfassungsrechtliche Grundlagen. Die für Disziplinar- und Beschwerdeverfahren zuständigen Truppendienstgerichte fußen auf Art. 96 Abs. 4 GG,176 die Militärseelsorge auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV.177

Zur Rechtspflege der Bundeswehr gehören einerseits die Truppendienstgerichte und der Bundeswehrdisziplinaranwalt beim BVerwG sowie die ihm nachgeordneten Wehrdisziplinaranwaltschaften bei den jeweiligen Einleitungsbehörden und andererseits die Rechtsberatung in den Streitkräften – auch in Auslandseinsätzen – sowie die Rechtslehre an den Ausbildungseinrichtungen der Streitkräfte.178

Evangelische und katholische Militärseelsorge sind von einer vertraglich ausgestalteten und die Autonomie wahrende Partnerschaft zwischen Staat und Kirche getragen. Sie gliedert sich in zwei Bundesoberbehörden (Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, Kath. Militärbischofsamt), Militärdekanate und Militärpfarrämter. Nunmehr kommt eine jüdische Militärseelsorge mit einem Militärrabbinat als Bundesoberbehörde hinzu.179 Die Militärgeistlichen gewährleisten die seelsorgerliche Betreuung der Soldaten.

III.Rechtliche Einordnung

Der 1956 in das Grundgesetz eingefügte180 und seither unveränderte Art. 87b GG verlangt eine selbstständige zivile Verwaltung des militärischen Bereichs, die neben den Streitkräften (Art. 87a GG) steht.181

1.Bundeswehrverwaltung

Art. 87b Abs. 1 ist eine eine Kompetenz-, Aufgaben- und Organisationsnorm.182 Die Norm weist dem Bund eine auf bestimmte Materien bezogene Kompetenz zu und qualifiziert sie als staatliche Aufgabe. Darüber hinaus enthält die Vorschrift organisatorische Vorgaben für Art und Form der Aufgabenerfüllung.

Die Bundeswehrverwaltung ist kein Teil oder Annex der Streitkräfte,183 sondern ein institutionell verselbstständigter, ziviler Verwaltungszweig, der den Regeln des allgemeinen Verwaltungshandelns unterliegt. Gegenüber der Bundeswehrverwaltung als eigenständiger Verwaltung haben daher die militärischen Kommandostellen keine Befehls- und Weisungsrechte.184 Streitkräfte und Verwaltung unterscheiden sich in Funktion und Struktur.185 Die Organisationsgewalt für den Bereich der Bundeswehrverwaltung hat das BMVg.

Aus Art. 87a, 87b GG folgt ein Trennungsgebot von Bundeswehrverwaltung und Streitkräften;186 ihre gemeinsame Spitze ist das BMVg. Die Geltung des Trennungsgebots bei Auslandseinsätzen ist umstritten.187 Die Trennung schließt nicht aus, dass im jeweils anderen Bundeswehrteil Soldaten oder Beamte/Arbeitnehmer tätig sind.188

Die Bundeswehrverwaltung besitzt ein grundsätzliches Wahrnehmungsmonopol.189 Danach bedarf die Wahrnehmung von Aufgaben der Bundeswehrverwaltung durch die Streitkräfte stets einer besonderen Rechtfertigung.

Es besteht keine absolute Privatisierungssperre.190 Eine Organisationsprivatisierung erfordert einen sachlichen Grund (z. B. höhere Wirtschaftlichkeit) und ist zulässig, wenn die Steuerung und Kontrolle durch das BMVg bzw. die Bundeswehrverwaltung bestehen bleiben. Der Bund muss daher in den juristischen Personen des Privatrechts einen entscheidenden Einfluss behalten.191 Eine vollständige Verlagerung von Aufgaben in den Privatsektor (Aufgabenprivatisierung) wäre demgegenüber unzulässig.

Aus der Vorgabe „eigener Verwaltungsunterbau“ (Art. 87b Abs. 1 Satz 1 GG) folgt lediglich, dass die Bundeswehrverwaltung in unterschiedliche Behörden gegliedert sein muss; die Zahl der Verwaltungsebenen lässt sich dem GG nicht entnehmen.192

Art. 87b Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der obligatorischen Bundeswehrverwaltung und der fakultativen Bundeswehrverwaltung.193 Art. 87b Abs. 1 Satz 2 GG betrifft die obligatorische Bundeswehrverwaltung. Die Norm umschreibt den originären Tätigkeitsbereich der Bundeswehrverwaltung194 und damit ihren Kern. Das „Personalwesen“ umfasst die Rechtsverhältnisse aller im Dienst der Streitkräfte stehenden Personen.195 Die „unmittelbare Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte“196 bedeutet die Bereitstellung von Dienstleistungen und Material für die Streitkräfte; maßgebend ist der unmittelbare Bezug zu den Aufgaben der Streitkräfte. Es muss ein direkter Zusammenhang zu den Aufgaben der Streitkräfte bestehen. „Dienen“ im Sinne der Norm meint „existieren für“; die Bundeswehrverwaltung muss diese Aufgaben erfüllen. Artikel 87b Abs. 1 Satz 3 GG enthält die verfassungsrechtliche Ermächtigung, der Bundeswehrverwaltung durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz Aufgaben der Beschädigtenversorgung und des Bauwesens zu übertragen (fakultative Bundeswehrverwaltung). Gemäß Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG sind ebenfalls Gesetze zustimmungsbedürftig, die die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen (föderative Sonderform des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes). Beispiel: Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung (Schutzbereichsgesetz).197

2.Sonstige Verteidigungsverwaltung

Artikel 87b Abs. 2 GG enthält ausschließlich verfassungsrechtliche Ermächtigungen an den einfachen Gesetzgeber.198 Die Norm ermächtigt zur gesetzlichen Festlegung von Verwaltungszuständigkeiten des Bundes (Legislativkompetenz). Es besteht ein größtmöglicher Freiraum für eine flexible Gestaltung der Verteidigungsverwaltung. Ob von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden soll, haben die Gesetzgebungsorgane im Einzelfall zu entscheiden. Ohne ein entsprechendes Gesetz bleibt es gemäß Art. 30, 83 GG bei dem allgemeinen Grundsatz der Verwaltung der Bundesgesetze durch die Länder als deren eigene Angelegenheit. Beispiel für eine vom Gesetzgeber errichtete Bundeseigenverwaltung war bis zur Aussetzung der Wehrpflicht das Wehrersatzwesen; als Behörden bestanden das Bundesamt für Wehrverwaltung, die Wehrbereichsverwaltungen und die Kreiswehrersatzämter.199

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