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11 Port Said Road in Miami, Florida
ОглавлениеMagret Stone bewohnte ein Appartement in einem schäbigen, heruntergekommenen Mehrfamilienhaus in der Port Said Road, direkt neben einer großen Schrotthandlung. Unzählige Autowracks waren auf dem ausgedehnten Gelände übereinandergestapelt.
Als Gene seinen Wagen parkte und auf das Haus zuging, wurde er vom Lärm der Schrottverwertung empfangen. Ein großer Radlader transportierte ausgeschlachtete Wagen über den Hof zu einer Presse.
Die Tür des Hauses stand offen, und Gene betrat den Hausflur. Magret Stone wohnte im ersten Stock. Er benutzte die Treppe und hielt sich die Nase zu. Offenbar hatten ein paar Hunde den Hausflur als Toilette auserkoren. Der Gestank war schier unerträglich. Auf dem Namensschild neben einer Tür fand er den Namen Stone in Kinderschrift auf einen Fetzen Papier gekritzelt. Gene suchte vergeblich nach einer Klingel, schließlich klopfte er. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ein Mädchen mit langen Zöpfen und einer Zahnlücke öffnete.
»Ist deine Mama zu sprechen?«
»Frag, was er will!«, tönte es aus der Wohnung.
»Misses Stone, hätten Sie eine Minute«, rief Gene zurück. »Ich hätte ein paar Fragen.«
Das Mädchen verschwand im düsteren Flur.
Eine Frau um die vierzig tauchte auf. Sie war nur wenig größer als das Mädchen, wog aber mindestens einhundert Kilo.
»Misses Stone?«, fragte Gene.
»Nein, ich bin Lady Di, und wer sind Sie, zum Teufel?«
Gene kramte seinen Ausweis aus der Hosentasche.
»Schon wieder ein Bulle, verdammt noch mal, ich weiß nicht, wo sich dieses Arschloch herumtreibt. Und wenn ich ihn erwische, dann kratze ich ihm die Augen aus.«
»Ich bin Privatdetektiv. Ich wollte mich mit Ihnen über Rick Tarston unterhalten.«
»Kommen Sie rein!«
Die Frau wackelte zurück in die Küche. Kaum hatte Gene die Wohnung betreten, rannte ein kleiner Yorkshire-Terrier bellend und knurrend auf ihn zu.
»Kommen Sie, keine Angst, der frisst Sie schon nicht.«
Gene folgte der Frau in die Küche, während das Hündchen noch immer lauthals sein Revier verteidigte.
»Sam!«, rief Magret Stone. »Verschwinde!«
Der Hund zeigte Respekt und trollte sich.
»Der ist so wie alle Kerle, nur im ersten Moment stark, aber wenn man ihn scharf ansieht, dann macht er sich in die Hosen.«
Magret Stone thronte auf einem Stuhl am Küchentisch und bot Gene mit einer einladenden Geste Platz an.
»Sie halten wohl nicht viel von Männern?«, antwortete Gene und setzte sich.
»Die meisten taugen nichts. So wie Tarston. Ein großes Maul und nichts dahinter.«
»Leben Sie hier allein?«
»Jody und ich sind schon lange allein. Na ja, Sam ist unser Beschützer.«
Gene schaute sich um. Das Küchenmobiliar war alt, aber der Raum war trotzdem ordentlich und sauber.
»Sie haben bei Tarstons Fluggesellschaft gearbeitet und vor ein paar Wochen dort aufgehört …«
»Tarston schuldet mir noch drei Monatslöhne. Haben seine Gläubiger Sie zu mir geschickt?«
»Und wenn es so wäre?«
»Dann schminken Sie es sich ab, dass Sie auch nur einen Cent zu Gesicht bekommen. Der Kerl ist so pleite, wie man es nur sein kann. Hat total abgewirtschaftet, der blöde Hund.«
»Wie kam das, ich dachte, seine Fluggesellschaft hätte volle Auftragsbücher?«
»Anfänglich schon«, sagte sie mit einem Augenzwinkern. »Damals hat er Frachtflüge in die entlegensten Gebiete gemacht. Ihm war kein Flug zu gefährlich. Egal was er an Bord hatte. Einmal transportierten wir sogar Alligatoren nach Orlando. Als er vor zwei Jahren dann in das Passagiergeschäft einsteigen wollte, hat er sich komplett übernommen. Die Maschine, die er kaufte, war nur noch Schrott. Und dann stellte er auch noch einen weiteren Piloten ein. Einen Säufer namens Ramirez. Wir hätten damit nie anfangen dürfen.«
»Er ist seit ein paar Wochen verschwunden, mitsamt seiner Maschine«, erklärte Gene. »An seinem Zielflughafen in Baton Rouge ist er nie angekommen.«
»Das sieht ihm ähnlich«, antwortete Magret. »Der Kerl hat sich aus dem Staub gemacht. Ihr werdet ihn nicht finden, wenn er nicht will.«
»Was soll das heißen?«
»Rick ist ein ausgezeichneter Pilot«, fuhr Magret fort. »Er war so etwas wie ein Held im Golfkrieg. Er weiß, wie man die Luftüberwachung ausschaltet, und mit seiner Maschine ist er quasi verwachsen. Weswegen suchen Sie überhaupt nach ihm?«
Gene holte das Bild des vermissten Peter Harrison aus seiner Tasche und legte es vor Magret Stone auf den Tisch. »Ich arbeite für die Verlobte dieses Mannes. Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«
Magret nahm das Bild in die Hand, betrachtete es eingehend und nickte. »Das ist Peter, er hat ab und zu für uns gearbeitet. Ich glaube, er ist ein Freund von Ricks nichtsnutzigem Bruder.«
»Er ist ebenfalls seit drei Wochen verschollen. Glauben Sie, dass Tarston abgestürzt sein könnte?«
Magret lachte laut. »Der und abgestürzt«, gluckste sie. »Manchmal glaubte ich, er braucht überhaupt keine Flügel zum Fliegen. Nein, abgestürzt ist der nicht. Der hat sich hier verzogen, es wurde ihm zu heiß. Wahrscheinlich ist er längst schon in der Karibik.«
»Es gibt doch eine Luftüberwachung«, gab Gene zu bedenken.
»Hören Sie, die Lockheed ist eine Militärmaschine, die wurden dafür konstruiert, um nicht jedem Idioten aufzufallen, der an einem Radarschirm sitzt. Und Rick ist ein Könner, der weiß, wie man die Luftüberwachung umgehen kann. Warum suchen Sie überhaupt nach dem Jungen, hat er etwas ausgefressen?«
»Ich sagte doch schon, sein Mädchen würde ihn gerne wieder zurückhaben. Sie ist schwanger und sie hätte gerne, dass der Vater ihres Kindes wieder nach Hause kommt.«
Magret schlug sich lachend und feixend auf die Schenkel. »Na also, da haben wir es. Mein Macker ging damals auch stiften, als ich mit Jody schwanger war. Die Kerle sind eben so. Solange sie ihren Spaß haben, ist alles okay, aber sobald es ernst wird, ziehen sie ihren Schwanz ein und … Sind eben nichts wert, die meisten Kerle.«
»Haben Sie wirklich keine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Hören Sie, Mister«, antwortete Magret entschieden. »Der Kerl schuldet mir noch eine Menge Geld. Glauben Sie mir, wenn ich wüsste, wo er ist, dann würde ich mich persönlich in meinen Wagen setzen und zu ihm fahren. Ich würde ihm seine verdammte Dummheit aus dem Schädel prügeln, aber ich weiß es nicht, verdammt!«
Gene erhob sich. »Danke«, sagte er und zog eine Visitenkarte hervor.
Sie ergriff seine Hand und zog ihn ein Stück zu sich. »Das bleibt unter uns, was ich Ihnen jetzt sage«, flüsterte sie.
Gene nickte.
»Es gab ein paar Flüge ins Ausland, die als Rundflüge angemeldet worden waren. Da kräht keiner von der Flugsicherung danach. Sie müssen nur unter dem Radar bleiben. Also knapp unterhalb von sechshundert Fuß. Und für einen Piloten wie Rick ist das überhaupt kein Problem.«
»Hat er geschmuggelt?«
Magret lächelte verschwörerisch. »Das waren teilweise sehr lukrative Aufträge. Aber das ist alles inoffiziell, ich habe nichts gesagt.«
»Wohin gingen diese Flüge?«
Sie zuckte mit der Schulter. »Kuba, Venezuela, Kolumbien, ich weiß es nicht, ich habe nicht danach gefragt. Aber die Entlohnung war stets üppig.«
»Wie kam er an diese Aufträge?«
»Er hatte einen Bekannten, der sie ihm vermittelte.«
»Wo kann ich den finden?«
»Am Opa Locka«, antwortete Magret. »Er heißt Steve Miller und arbeitet bei der Aufsicht. Aber mehr weiß ich nicht über ihn. Ich sage Ihnen das auch nur, weil Sie kein übler Bursche sind, wie es scheint.«
Gene drückte der Frau die Hand, ehe er sich verabschiedete.