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Hospital Santa Catarina, São Sebastião, Amazonasgebiet

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Das kleine Klinikum in der Stadt am Flusslauf des Rio Uatumá war völlig überfüllt. Aus der gesamten Region trafen Patienten ein, zumeist Fischer und Bewohner der Flussufer aus dem Norden. Gemessen an der dort äußerst geringen Bevölkerungsdichte deutete das Vorherrschen des immer wieder gleichen Krankheitsbildes auf eine extrem hohe Ansteckungsgefahr. Die meisten hatten sich wohl bei Verwandten und Bekannten infiziert, die bereits gestorben waren oder den langen Weg in die Klinik nicht überlebt hatten. Der Ursprung der Erkrankung lag noch immer im Dunkeln. Doch es war an der Zeit, von einer Epidemie auszugehen, hervorgerufen durch einen unbekannten viralen Erreger. Erste Tests im kleinen Labor der Klinik hatten einen CRP-Spiegel im Blut ergeben, der für eine Virusinfektion sprach. Es gab so gut wie keine nachweisbaren Reaktionen, die auf bakteriellen Einfluss hindeuteten.

Inzwischen hatte sich auch Doktor Williamson wieder erholt. Er war sich offenbar dem Ernst der Lage bewusst geworden und arbeitete bis zur Erschöpfung mit. Doch bis auf die Verabreichung von fiebersenkenden und schmerzstillenden Mitteln gab es bislang keine Therapie. Inzwischen waren siebzehn weitere Todesfälle zu beklagen. Doch die Zeit zwischen Ansteckung, Ausbruch und letztlich dem Tode eines Patienten differierte um mehrere Tage.

»Zwischen Ausbruch und dem Tod liegen zwei bis sieben Tage«, resümierte Lila, die sich mit dem Cabo und Doktor Williamson im Ärztezimmer der Klinik unterhielt. »Der Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch ist lediglich durch die Beobachtung der beiden verstorbenen Polizisten dokumentiert, das ist zu wenig.«

»Bei Pedro ging es rasend schnell«, sagte der Cabo.

»Wissen Sie, ob er schon vorher an irgendwelchen Erkrankungen litt?«, fragte Doktor Williamson.

Der Cabo zuckte mit der Schulter. »Keine Ahnung.«

»Eine rasche Inkubationszeit würde die Eingrenzung der Krankheit vereinfachen, wenn wir nur den Erreger identifizieren könnten.«

Doktor Williamson richtete sich auf. »Je länger sich der Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch hinzieht, umso größer ist die Gefahr der Verbreitung. Wir sind hier nicht in der Lage, Kulturen anzulegen und die näheren Umstände zu erforschen. Vor allem nicht, nachdem Alonso von uns gegangen ist. Dennoch müssen wir die Möglichkeit einer Epidemie in Betracht ziehen.«

Lila seufzte. »Wenn diese Krankheit Manaus erreicht, dann kann sie zu einer Pandemie mutieren. Ich kann nur hoffen, dass es Perez gelingt, den Erreger zu isolieren und zu bestimmen, ansonsten sehe ich keine Möglichkeit, den armen Menschen dort draußen zu helfen.«

Doktor Williamson nickte zustimmend. »Unsere Medikamente neigen sich dem Ende zu. Wir brauchen dringend Hilfe.«

Der Cabo wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Meine Männer haben die ganze Stadt abgesucht, es gibt kein einziges funktionsfähiges Telefon, selbst die Handys taugen nichts, weil nach dem Sturm die Übersetzer ausgefallen sind. Es wird noch Wochen dauern, bis hier wieder Normalität herrscht.«

»Normalität!«, wiederholte Doktor Williamson spöttisch. »Hier ist nichts mehr normal. Wir haben den Ausnahmezustand. Outbreak nennt man das, was hier geschieht. Wir müssen den Bezirksgouverneur informieren und benötigen Spezialisten hier vor Ort, ansonsten breitet sich die Krankheit unaufhaltsam aus. Bald gibt es nur noch Tote an unserem Fluss. Und jetzt gehen wir wieder an die Arbeit.«

Doktor Williamson wandte sich zur Tür und verließ das Zimmer.

»Ich fürchte, er hat Recht«, antwortete Lila. »Es ist schön, dass Sie uns helfen.«

»Ich bin kein Mediziner, ich bin Sanitäter, aber ich tue, was ich kann«, antwortete der Cabo.

Lila sah ihn dankbar an. »Ich kenne eigentlich gar nicht Ihren Namen.«

Der Cabo schmunzelte. »Mein Name ist Ricardo da Silveira Jesus, aber alle nennen mich nur Cabo. Seit Jahren schon, an diesen Namen habe ich mich gewöhnt. Ich drehe mich nicht einmal mehr um, wenn jemand meinen richtigen Namen ruft.«

Lila lächelte. »Also gut, Cabo, dann machen wir uns wieder an die Arbeit. Wenn wir den Menschen schon nicht helfen können, dann gelingt es uns vielleicht wenigstens, ihre letzten Stunden zu erleichtern.«

Mutiert

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