Читать книгу Mutiert - Ulrich Hefner - Страница 28
Hospital Santa Catarina, São Sebastião, Amazonasgebiet
ОглавлениеLila Faro tupfte sich den Schweiß von der Stirn und ließ sich erschöpft in den Sessel fallen. Der Zustrom von Patienten schien kein Ende nehmen zu wollen. Aus allen Teilen der Region kamen die Patienten, aber vor allem waren es Bewohner der Flussregionen. Schwester Violante hatte mit den Pflegern das Wartezimmer leer geräumt und auf dem Boden eine Lagerstätte eingerichtet. Doktor Williamson lag betrunken in seinem Ärztezimmer und Doktor Alonso war immer noch nicht wieder aufgetaucht. Lila hatte einen Pfleger zu ihm geschickt, um ihn zu holen, aber sein Zimmer war verschlossen, und niemand meldete sich. Mittlerweile lagen acht Patienten, sechs Männer und zwei Frauen, in dem behelfsmäßig eingerichteten Wartesaal. Allesamt hatten sie Fieber und wiesen die gleichen mysteriösen Symptome auf wie die Frau vom Rio Jatapu. Lila war der Verzweiflung nah. Mit fiebersenkenden Medikamenten versuchte sie, der Lage Herr zu werden, doch die Ursache für die Erkrankung blieb rätselhaft. Durch den Sturm, der hier vor ein paar Tagen getobt hatte, waren zudem Teile der Infrastruktur zusammengebrochen und die Telefonverbindung nach Manaus aufgrund defekter Leitungen und Übersetzer noch immer gestört. Auch der Handyempfang war nach wie vor eingeschränkt.
Lila hatte die Krankenschwestern und die Pfleger angewiesen, sich mit Mundschutz und mit Einweghandschuhen auszurüsten und jeden Körperkontakt mit den Erkrankten zu vermeiden. Pater Innocento war der Einzige, der Lila zur Seite stand. Als er von den vielen Patienten erfahren hatte, war er sofort in die kleine Krankenstation geeilt, um zu helfen.
Der Pater hatte seine Soutane mit einem Ärztekittel getauscht und trug ebenfalls Einweghandschuhe. Seufzend nahm er neben Lila Platz, die sich ihrer Schutzausrüstung entledigte.
»Wir müssen irgendwie Manaus erreichen«, sagte sie. »Wir brauchen weitere Ärzte und Medikamente. Außerdem brauchen wir hier dringend ein paar Spezialisten. Ich habe keine Ahnung, unter welcher Virusinfektion die Patienten leiden. Unser Labor ist dafür nicht ausgestattet.«
Pater Innocento nickte. »Das Telefon wird erst in ein paar Tagen wieder hergestellt sein, ich habe schon jemanden zum Hafen geschickt. Es wird doch jemanden geben, der ein Funkgerät besitzt.«
Es klopfte an der Tür. »Ja«, rief Lila laut.
Schwester Conceição streckte ihren Kopf durch den Türspalt. »Schnell, kommen Sie, Doktor Alonso, es geht ihm sehr schlecht.«
Lila sprang auf, griff nach ihrer Schürze und streifte sich im Laufen ihre Schutzhandschuhe über. Conceição lief voraus, verließ die Klinik und rannte über die kleine Wiese auf den Wohnkomplex zu. João, der Krankenpfleger, stand vor Alonsos Wohnungstür. Er erschien sehr besorgt. »Was ist mit Alonso?«, rief ihm Lila zu.
»Als ich nach ihm sehen wollte, hörte ich lautes Stöhnen aus dem Zimmer«, erklärte João. »Ich habe die Tür aufgebrochen und fand ihn auf dem Boden. Er hat hohes Fieber.«
Lila betrat die Wohnung. Alonso lag im Flur. Er war nackt und zitterte am ganzen Körper. Seine Stirn glänzte vor Fieberschweiß.
»Schnell, wir legen ihn auf das Bett!«, entschied Lila. »Aber nehmt eure Handschuhe.«
Pater Innocento bahnte sich einen Weg durch das Krankenhauspersonal, während Lila ihren Kollegen untersuchte.
»Verdammt, ich habe es ihm gesagt, mehrmals habe ich es ihm gesagt, aber er wollte nicht hören!«, fluchte sie.
Pater Innocento legte Lila die Hand auf die Schulter. »Er hat sich angesteckt?«
»Als die Frau eingeliefert wurde, hat er sie untersucht, ohne sich ausreichend zu schützen. Als ich es ihm sagte, hat er nur gelacht.«
»Was kann es für eine Krankheit sein, die so rasch um sich greift?«
Lila richtete sich auf. »Äußerst aggressive Viren, ich weiß es nicht. Wir benötigen dringend einen Spezialisten. Diese Art der Krankheit ist hier noch nicht vorgekommen. Ich habe schon meine Bücher gewälzt, Es scheint eine Sepsis durch gefährliche Viren zu sein, ich dachte zuerst an Gelbfieber, doch der Verlauf ist ein anderer. Und wenn ich an die Frau denke, die uns unter den Händen wegstarb, dann habe ich kein gutes Gefühl.«
»Eine Seuche?«
»Es sieht so aus«, bestätigte Lila. »Eine virale Infektion, die ein hohes Fieber auslöst und die Zahl der Thrombozyten stark verringert. Das Blut zersetzt sich und tritt aus dem Kreislauf aus, wie bei einer Hämophilie. Wir brauchen dringend eine genaue Analyse im Labor. Mit unseren beschränkten Mitteln sind wir dieser Krankheit nicht gewachsen.«
Pater Innocento nickte verständig. »Die Telefone werden erst in ein paar Tagen wieder funktionieren. Wir sollten ein paar Leute losschicken. Hast du eine Blutprobe, die wir mitnehmen könnten?«
»Genügend, nur kann ich hier wirklich niemanden entbehren.«
»Ich werde gehen«, antwortete Pater Innocento entschlossen. »Und ich werde Rojás fragen, ob er mich mit seinem Schnellboot fährt.«