Читать книгу Die dritte Ebene - Ulrich Hefner - Страница 25
5 Socorro, New Mexico
ОглавлениеDeputy Lazard lief der Schweiß über die Stirn. Seine Uniform war verschmutzt, und seine schwarzen Stiefel waren mit einem staubigen Film überzogen. Nachdem er die Tür zum Zellentrakt geschlossen hatte, wurde das laute Gebrüll von der dicken Stahltür verschluckt. Sheriff Hamilton stand hinter dem Tresen und blickte auf die Uhr.
»Wo habt ihr ihn erwischt?«, fragte er und zündete sich ein Zigarillo an.
Deputy Lazard klopfte den Staub von seinem Hut. »Er hat sich draußen bei Lopez in einer Hütte versteckt. Er ist betrunken und hat ausgetreten wie ein verrücktes Maultier. Wir mussten ihm die Handschellen anlegen.«
»Gute Arbeit«, kommentierte Sheriff Hamilton. »Ruf den Richter an. Hollow soll sich um den Bericht kümmern. Wenn du dich frisch gemacht hast, komm mal zu mir, ich muss mit dir reden.«
Lazard nickte.
Hamilton wandte sich um und verschwand in seinem Büro. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und schlug den Aktendeckel zu. Zufrieden zog er an seinem Zigarillo. Wieder ein Fall, der erledigt war. Bearfoot würde zuerst einmal seinen Rausch ausschlafen, bevor er ihn morgen den Justizbehörden in Albuquerque zuführen würde. Er war ein Schläger und Säufer. Vor zwei Wochen war er aus dem Gefängnis von Las Cruces ausgebrochen, und seither trieb er sich im Socorro County herum. Letzten Dienstag hatte er Ellys Bar vor der Stadt heimgesucht, und nachdem er betrunken genug gewesen war, hatte er einen Streit mit einem Fernfahrer vom Zaun gebrochen. Von dem Mobiliar in der kleinen Bar war nicht viel übrig geblieben. Den Fernfahrer hatte er krankenhausreif geprügelt. Neben dem Widerstand, den er heute bei seiner Festnahme geleistet hatte, waren einige andere Anklagepunkte auf seiner Liste hinzugekommen. Genug, um ihn für weitere fünf Jahre aus dem Verkehr zu ziehen. Vor vier Jahren hatte Bearfoot in einem Streit ein Messer gezogen und Smitty, den Gärtnereigehilfen aus San Antonio, schwer verletzt. Auch damals war er betrunken gewesen. Sieben Jahre Haft hatte ihm das eingebracht, davon hatte er gerade mal dreieinhalb abgesessen. Er hatte die Gelegenheit genutzt und war nach einer Zahnarztbehandlung aus dem Wartezimmer geflohen.
Es war klar, dass er sich wieder in seine Heimat, in das Socorro County absetzen würde. Hier war er aufgewachsen, hier kannte er jedes Haus, jede Hütte und jeden Stein. Seit dem Ausbruch hatten Sheriff Hamiltons Männer nach ihm gefahndet. Nun war er wieder dort, wo er hingehörte.
Hamilton legte die Akte beiseite und schnippte die Asche in einen Aschenbecher. Er griff nach dem Plastikbeutel, in dem sich ein paar Haare befanden, und warf einen nachdenklichen Blick darauf. Es klopfte an der Tür.
»Komm rein!«, rief Hamilton und zerdrückte das Zigarillo im Aschenbecher.
Lazard betrat das Büro und ging hinüber zum Fenster. Er warf einen Blick nach draußen auf die Hauptstraße, wo sich gerade eine Gruppe Menschen vor dem Gerichtsgebäude versammelt hatte. Die Männer trugen dunkle Anzüge und die Frauen ihre Sonntagskostüme. Hamilton erhob sich und stellte sich neben Lazard.
»Betty sieht glücklich aus.« Der Sheriff blickte durch die staubige Scheibe auf die junge Frau in dem weißen Kleid. In ihren Händen trug sie einen Blumenstrauß.
»Ja, ich glaube wirklich, dass sie glücklich ist«, bestätigte Lazard. Seine Stimme klang heiser.
»Du hast sie geliebt?«
Lazard schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei. Ich hoffe, sie wird mit Lenny glücklich.«
»Lenny ist ein guter Kerl«, erwiderte Hamilton.
Lazard wandte sich um und ging auf den Stuhl neben Hamiltons Schreibtisch zu. Mit einem Seufzer ließ er sich nieder. Hamilton ahnte, was in ihm vorgehen musste. Beinahe zwei Jahre war er mit Betty zusammen gewesen, bevor sie sich vor knapp einem Jahr im Streit getrennt hatten und Betty nach Vaughn zog. Nun heiratete sie ausgerechnet in Socorro, vor den Augen seines Neffen, der wohl noch immer unter der Trennung litt. Wie verrückt die Welt doch war.
»Wie geht es Tante Margo?«, wechselte Dave Lazard das Thema. »Hat sie sich gemeldet?«
Hamilton zuckte die Schulter. »Ich habe seit einer Woche nichts mehr von ihr gehört. Sie ist genauso dickköpfig, wie deine Mutter es war.« Diesmal war ein Krächzen in Hamiltons Stimme zu vernehmen.
»Sie ist eben eine echte Grange.«
»Da magst du recht haben«, sagte Hamilton.
»Wie wär’s, wenn wir uns beide heute so richtig volllaufen lassen?«, sagte Lazard. »Dann können wir uns gegenseitig etwas vorheulen.«
Hamilton schüttelte den Kopf. Margo hatte vor ein paar Monaten ihre Koffer gepackt und war mit den Kindern einfach verschwunden. Für eine Weile schwiegen sie.
»Weswegen hast du mich eigentlich gerufen?«, durchbrach Lazard das Schweigen. Hamilton zog einen blauen Aktenordner aus einem Schreibtischfach und warf ihn vor Lazard auf den Tisch.
»Du hast doch noch Beziehungen zur Rechtsmedizin in Albuquerque? «
Lazard griff nach dem Ordner und blätterte darin. »Du hast dir den Bericht über die Leiche am Coward Trail kommen lassen«, sagte der Deputy erstaunt. »Obwohl der Fall nicht in unseren Zuständigkeitsbereich gehört?«
»Wenn in meinem County eine Leiche gefunden wird, dann will ich wissen, was es damit auf sich hat«, brummte Hamilton und zündete sich ein neues Zigarillo an. »Erinnerst du dich an den Vorfall mit dem Lastwagenfahrer und der Frau im Morgenrock vor ein paar Monaten bei Magdalena?«
Lazard blickte den Sheriff mit großen Augen an. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Der Lastwagenfahrer war von der Straße abgekommen, weil er angeblich einer Frau in einem Morgenmantel ausgewichen ist. Ich habe dem Mann nicht geglaubt, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
»Nur weil der Tote von der Interstate auch eine Schlafanzughose trug?«
Hamilton nickte. »Nicht nur das, er trug auch noch ein Sweatshirt mit der Aufschrift POW.«
»Und was bedeutet das?«
»Na, überleg mal!«
»Du meinst, er ist ein Kriegsgefangener?«, fragte Lazard erstaunt. »Nein, das ist doch Blödsinn. Warum sollte die Army ein Kriegsgefangenenlager hier in New Mexico unterhalten?«
»Und was ist mit dem Stützpunkt drüben bei Magdalena?«
Lazard winkte ab. »Das ist ein Trainingscamp für Marinesoldaten. Sie trainieren dort für den Einsatz in Afghanistan. Das weiß doch mittlerweile jedes Kind.«
»Eben, deshalb.«
»Du meinst, er ist einer unserer Jungs?«
»Wie du lesen kannst, ist die Leiche trotz Nachfrage in den Krankenhäusern noch immer nicht identifiziert«, sagte Hamilton und zeigte ihm die Plastiktüte mit den Haaren. »Ich habe einen Informanten im Marine Network Center in Fort Worth. Unsere Soldaten, die in den Einsatz gehen, geben mittlerweile alle eine Blutprobe ab, damit man ihr DNA-Muster erstellen kann. Damit kann man ihre Überreste besser identifizieren, wenn sie von einer Granate getroffen werden. Wenn das DNA-Muster des Jungen irgendwo in den Dateien der Army gespeichert ist, dann will ich es erfahren.«
»Du willst also, dass ich nach Albuquerque fahre und ein DNA-Profil erstellen lasse?«, erwiderte Deputy Lazard. »Aber warum soll der Tote ein Angehöriger der Army oder der Marines sein? Diese Sweatshirts kannst du mittlerweile in jedem Jeansshop kaufen, die sind hip bei den Jungs.«
Hamilton fuhr sich nachdenklich über die Stirn. »Es ist nur eine Ahnung«, sagte er.