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Edy-Bar, Venedig, Italien

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»Avrebbe voglia di bere un caffè con noi?«, fragte Gina den jungen Kellner in der Edy-Bar im weißen Rüschenhemd.

Der junge Mann nickte, machte sich einen Espresso und setzte sich dann zu ihnen an den Tisch. Er musterte Brian freundlich und wandte sich Gina zu.

»Signora?«, fragte er mit dem für Italiener typischen Charme.

Gina spielte die geschmeichelte Touristin und fragte ihn, ob es wahr sei, dass sich vor Kurzem ein Wunder in der benachbarten Kirche zugetragen habe. In knappen Worten schilderte sie ihm die Geschichte, wie sie sich laut Pressemeldung zugetragen hatte.

Der Kellner neigte sich verschwörerisch Gina zu und flüsterte: »Die beiden Kinder wohnen ganz in der Nähe. Es war vor drei Wochen am Sonntagabend. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Der alte Paolo kam aus der Kirche. Sein Blick war wie verklärt. Er murmelte: ›Ein Wunder ist geschehen, ein Wunder.‹ Zusammen mit ein paar Nachbarn bin ich ihm in die Kirche gefolgt. Die Kinder knieten noch immer vor dem Altar und beteten, und, ob Sie es glauben oder nicht, am Bildnis der Jungfrau liefen blutige Tränen herab.«

»Sie haben es selbst gesehen?«, meldete sich Brian zu Wort.

»Sul mio onore«, versicherte der Kellner.

»Was passierte dann?«

»Padre Francesco kam. Er hat uns aufgefordert, die Kirche zu verlassen. Dann hat er mit den Kindern gesprochen. Ich glaube, er hat den Bischof verständigt.«

»War die Kirche am nächsten Tag wieder geöffnet?«, fragte Brian.

Der Kellner schüttelte heftig den Kopf. »Eine ganze Woche war sie geschlossen. Es fanden nicht einmal Gottesdienste statt. Männer waren hier, Fremde, es hieß, es seien hohe Beamte des Vatikans, die den Vorfall untersuchten.«

Brian warf Gina einen vielsagenden Blick zu. Es war das übliche Vorgehen des Vatikans im Falle eines solchen Vorkommnisses. Eine unabhängige Untersuchungskommission nahm sich der Angelegenheit an. Man führte eine Reihe von Befragungen durch, und erst wenn das Prozedere abgeschlossen war, wurde entschieden, ob es sich um ein mögliches Wunder handelte. Die katholische Kirche, die noch vor wenigen Jahrzehnten recht kritiklos jede angebliche Erscheinung für bare Münze nahm und als Beweis für die Existenz Gottes präsentierte, ging nun behutsamer mit solchen Fällen um. Allzu oft hatte sich hinterher das Wunder als ein Gespinst aus Täuschung und Lügen entpuppt.

»Sind die Kinder regelmäßig in der Kirche?«, fragte Gina.

»Die Kinder helfen oft ihrem Großvater, der Küster in der Kirche ist«, antwortete der Kellner. »Sie ergänzen die Vorräte an Kerzen, helfen beim Blumenschmuck oder auch beim Kirchenputz.«

»Der grauhaarige Mann in der Kirche ist ihr Großvater?«

Ginas Stimme klang überrascht. Der Kellner nickte.

»Es ist mir aufgefallen, dass es sehr viele Souvenirs in dieser Kirche zu kaufen gibt, mehr als in anderen Kirchen hier in Venedig«, sagte Brian. Ihm war nicht entgangen, dass Gina das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen den Kindern und dem Küster höchst verdächtig fand.

»In jeder Kirche können Sie Postkarten und kleine Büchlein über die Kirchengeschichte kaufen – eine kleine Zusatzeinnahme, um die Kirchenkasse aufzubessern. Und unsere Gemeinde braucht dringend Geld, denn die Fundamente müssen erneuert werden. Hier in Venedig muss man ständig renovieren, die Feuchtigkeit, verstehen Sie?«

»Und Sie glauben, dass die Geschichte mit der Marienerscheinung stimmt?«, fragte Gina.

»Ich bin ein guter Christ und ein gläubiger Mensch, aber ich bin kein Idiot. Ich habe die blutigen Tränen mit eigenen Augen gesehen. Gesù è il mio testimone«, erwiderte der Kellner bestimmt. »Im Übrigen müssten Sie doch am besten wissen, dass die Natur zurzeit verrücktspielt, wenn Sie aus den USA kommen. Ich habe die Nachrichten über die rätselhaften Hurrikans gehört, die Ihr Land heimsuchen. Das ist doch Beweis genug, dass es sich hier um eine echte Prophezeiung handelt.«

Damit entschuldigte sich der junge Mann und ging an seine Arbeit zurück.

»Also jetzt wird mir so manches klar«, sagte Gina im Flüsterton. »Der Alte ist der Opa, die Kirche muss dringend renoviert werden, und ein Teil der Kosten wird über den Verkauf von Kerzen, Postkarten und Büchlein bezahlt. Wenn ich eins und eins zusammenzähle, dann wird mir klar, was hier gespielt wird.«

Brian schüttelte den Kopf. »Vorsicht«, warnte er. »Lass uns keine voreiligen Schlüsse ziehen.«

Die dritte Ebene

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