Читать книгу Praktiken professioneller Lehrpersonen (E-Book) - Urban Fraefel - Страница 26

Schulische Diagnosen als Teil der formativen Beurteilung

Оглавление

Der Begriff «formative Beurteilung» hat sich im deutschen Sprachraum eingebürgert, und mit dem Wort «Beurteilung» kann der unrichtige Eindruck entstehen, es gehe um eine Bewertung. Hattie und Clarke (2018) schlagen deshalb vor, eher die Bezeichnung «formative Evaluation» zu verwenden. In diesem Buch werden die Begriffe «Beurteilung» und «Evaluation» weitgehend synonym verwendet, während von «Bewertung» nur im Zusammenhang mit der Notengebung gesprochen wird.

Alle Informationen, die über das Lernen der Schülerinnen und Schüler vorliegen – Beobachtungen, Tests, schriftliche Arbeiten usw. – können formativ und summativ verwendet werden, und beides hat nicht zwingend mit Bewertung zu tun. Irrtümlicherweise wird summative Evaluation oft mit Noten und Selektion in Verbindung gebracht. Das ist nicht richtig: Eine summative Evaluation liefert schlicht Informationen, was die Schülerinnen und Schüler zu einer Thematik können, was sie gelernt haben und was nicht, um auf dieser Basis die nächsten Schritte zu planen. Wie die Lehrpersonen daraus selektive Noten ableitet (d. h. wie sie bewertet), ist eine ganz andere Angelegenheit und darf mit der formativen und summativen Evaluation nicht verknüpft werden.

Gemäss der Literaturübersicht von Black und Wiliam (1998) machen fünf Elemente die formative Evaluation aus, wovon das Feedback eine besonders wichtige Stellung einnimmt:

ZieleStand jetztNächste Schritte
Lehrperson1 Die Lernziele und die Erfolgskriterien klären2 Mit Gesprächen und Lernaufgaben offenlegen, was die Lernenden schon verstanden haben3 Feedback geben, das den Lernenden hilft, weiterzukommen
PeersDie Lernziele und die Erfolgskriterien verstehen und einander mitteilen4 Die Mitschülerinnen und -schüler als gegenseitige Lernunterstützung aktivieren
Individuelle LernendeDie Lernziele und die Erfolgskriterien verstehen5 Die Lernenden aktivieren, damit sie ihr eigenes Lernen selbst in die Hand nehmen

Abbildung 10: Aspekte formativer Evaluation (nach Black und William, 1998, S. 8; Übersetzung U. F.)

Black und Wiliam (1998) fassen zusammen, worin formative Evaluation besteht; sie führen zur Begründung ihres Modells zahlreiche Forschungsbefunde an. Zugegeben, das Modell erschliesst sich nicht auf den ersten Blick. Es bildet aber treffend die wesentlichen zwei Dimensionen der formativen Evaluation ab:

–Von oben nach unten gelesen zeigt es, dass alle – Lehrperson, Peers und individuelle Lernende – eine Verantwortung für das Lernen tragen. Alle sollen in ihren jeweiligen Funktionen aktiv und kooperativ zu den Lernerfolgen beitragen, und damit wird Lernen in der Klasse zu einem Gemeinschaftsprojekt.

–Von links nach rechts gelesen zeigt es den «Standardprozess» bei der Lernbegleitung:

Was soll überhaupt erreicht werden? (Ziele)

Wo stehen wir jetzt bzw. wo sind Schwierigkeiten? (Stand jetzt)

Was ist zu tun, damit es weitergeht? (Nächste Schritte).

Hattie und Clarke (2018) richten sich mit einem Appell direkt an die Lehrpersonen. Sie nennen fünf Faktoren, die bei der formativen Evaluation wichtig sind. Die Faktoren sind verblüffend einfach, einleuchtend und offenbar hoch wirksam bei der Verbesserung der Lernergebnisse. Inhaltlich sind sie fast deckungsgleich mit der Analyse von Black und Wiliam (siehe weiter oben), doch sie fügen einen weiteren Aspekt hinzu, wonach die formative Evaluation sich auf Motivation und Selbstwertgefühl auswirkt:

1.effektives Feedback für die Lernenden anbieten,

2.die Schülerinnen und Schüler aktiv am eigenen Lernen beteiligen,

3.den Unterricht an die Ergebnisse der Evaluation bzw. der Diagnosen anpassen,

4.den immensen Einfluss anerkennen, den die formative Evaluation auf die Motivation und das Selbstwertgefühl der Lernenden hat,

5.die Lernenden befähigen, sich selbst einzuschätzen und zu verbessern.

Diagnostizieren und Feedback sind also zentrale Bausteine der formativen Evaluation. Obwohl beide Hand in Hand gehen und sich gegenseitig bedingen, werden die beiden Themen der Übersichtlichkeit halber nacheinander behandelt.

Praktiken professioneller Lehrpersonen (E-Book)

Подняться наверх