Читать книгу Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane - W. K. Giesa - Страница 34

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Jesse Calhoun war zunächst blindlings geflüchtet. Irgendwann später stellte er dann fest, dass er nicht verfolgt wurde, und er kam ein wenig zur Ruhe. Er nahm sich Zeit, nachzudenken.

Was es nicht geben durfte, gab es auch nicht. Tote, die ritten und schossen, durfte es nicht geben. Rio Grande Charly war aber geritten und hatte geschossen, also war er nicht tot.

Calhoun griff sich an den Kopf. Der Mann war gestern Abend doch tot gewesen. Sie hatten ihn vergraben … selbst wenn er nur bewusstlos gewesen war, hätte er sich nicht allein wieder befreien können. Das war unmöglich. Er hätte ersticken müssen.

Trotzdem war er hier, wenn auch mit einem Kopfverband, wie sich Calhoun jetzt erinnerte.

Er war also nur verletzt gewesen, in so tiefer Bewusstlosigkeit, dass Calhoun und auch Memphys ihn für tot gehalten hatten. Er hatte nicht geatmet … oder nur so flach, dass es nicht mehr festzustellen gewesen war. Die beiden Kerzen hatten nicht viel Licht gegeben, und draußen hinter dem Saloon war es auch nicht gerade hell gewesen.

Und dann musste doch jemand den Sternträger ausgebuddelt haben! Dafür kam nur eine Person in Frage: das Mädchen. Denn nur Patsy wusste, was mit Rio Grande Charly geschehen war.

Calhoun murmelte eine Verwünschung. Es wäre besser gewesen, das Mädchen ebenfalls zu töten, aber trotz aller Skrupellosigkeit war da immer noch eine Hemmschwelle in ihm. Er konnte doch keine wehrlose Frau ermorden!

Wie auch immer – dieser Parker-Marshal war wieder da! Und weil er bei den Cowboys war, bedeutete das, dass sie ihn um Hilfe gebeten hatten. Das bedeutete Verdruss. Calhoun hatte einmal erlebt, wie Rio Grande Charly aufräumte. Er war mit Mühe entkommen. Ein zweites Mal würde es vielleicht nicht so gut klappen.

Und Bud Memphys war tot oder gefangen.

Der Boss musste informiert werden. Er musste wissen, dass jetzt ein Sternschlepper hinter ihnen her war. Vielleicht würde er dann die ganze Aktion abblasen. Calhoun hielt es ohnehin für Blödsinn, die Rinder wieder einzusammeln und weiterzutreiben. Wenn es das war, was der Boss wollte, hätte er kurz vor Hutchinson, drüben in Kansas, den Überfall starten sollen. Dann hätten sie es nicht so weit gehabt.

Jesse Calhoun begann, nach Spuren zu suchen. Die gab es im hohen Präriegras genug. Von Hügeln aus ließen sich mit genügend scharfen Augen dunkle Striche erkennen. Wo sie halbwegs deutlich zu sehen waren, wiesen sie auf Reiter hin – und Rinder. Den breiteren Strichen folgte Calhoun.

Eine Spur führte zur anderen. Und schließlich würde er den Boss treffen.

Er fragte sich, weshalb Crocket diesen Clay Jordan so furchtbar hasste.

„Damals war ich Lieutenant der Konföderierten Armee“, sagte Clay Jordan. „Es war kurz vor dem Ende dieses verdammten Bürgerkrieges, der uns entschieden zu viel gekostet hat. Ein Sergeant Noah Crocket gehörte zu meiner Kompanie. Ein Mann, der nichts so richtig ernst nehmen konnte oder wollte. Er tanzte immer wieder aus der Reihe. Deshalb fiel er mir auch auf. Die Meldungen über ihn häuften sich. Er konnte sich in die militärische Disziplin nicht einfügen, er verübte immer wieder Streiche.“

„Mehr oder weniger bösartige“, fügte Cal Weisman hinzu. „Ich glaube, er selbst hat sich dabei gar nicht mal so viel gedacht. Was bei seinen Streichen herauskam, spürten ja nur die anderen – und erst in zweiter Linie er, wenn es einer wagte, sich über ihn zu beschweren.“

„Er amüsierte sich meist auf Kosten der Mannschaften“, sagte Jordan. „Da er im Rang über ihnen stand, konnte er sich das ja erlauben. Aber nicht in meiner Kompanie! – Ich verurteilte ihn einige Male zu Disziplinarstrafen. Aber Sergeant Crocket änderte sich nicht. Ich weiß nicht, ob er diese Aktionen brauchte, um das Elend des Krieges zu verdrängen oder zu überspielen. Nun, eines Tages hatte er es so gewaltig übertrieben, dass ich Meldung an meine Vorgesetzten machen musste. Andernfalls hätten sie mich zur Verantwortung gezogen. Wenn ein notorischer Störenfried, der nur Unruhe in der Kompanie stiftet, mit einem seiner Streiche fast die gesamte Kompanie dem Feind in die Hände spielt, hört der Spaß endgültig auf.“

Weisman hob die Hand. „Vermutlich hat er damals gar nicht geahnt, was er mit diesem Blödsinn anrichtete.“

„Das war es ja immer“, erregte sich Jordan. „Er wusste nie, was er anrichtete. Kurz, ich ließ ihn festnehmen, machte Meldung an den Captain, und Crocket wurde vors Kriegsgericht gestellt. Er wurde vor der versammelten Truppe unehrenhaft aus der Armee ausgestoßen und gebrandmarkt. Und das, obgleich wir damals in den letzten Kriegswochen jeden Mann gebrauchen konnten. Er verschwand, und ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.“

„Ein paar Tage später wurdest du befördert, weil du Crockets letzten Streich ausgebügelt und die Kompanie gerettet hast“, sagte Weisman.

Jordan presste die Lippen zusammen. „Auf Feldbeförderungen bin ich nie stolz gewesen, und genützt hat es uns schließlich auch nichts. Okay, ich wurde befördert, aber der Krieg war so oder so verloren. Und danach … wer fragte schon, ob ich Lieutenant, Captain oder nur Private war? Ich konnte froh sein, dass die Yankees meinem Vater die Ranch nicht wegnahmen. So konnte ich da anfangen und aufbauen, wo er aufhören musste, als er starb. Er verkraftete es nicht, dass die Yankees den gesamten Rinderbestand beschlagnahmten. Uns blieb nur das Land und das Haus. Da legte der alte Mann sich hin und schlief ein. Und ich stand da mit leeren Händen, musste ganz von vorn anfangen, und auf meine Schulterstücke hat mir auch keiner Kredit gegeben.“

Er war leise geworden, als die Erinnerung immer bitterer wurde. Charly brachte ihn wieder auf den Kernpunkt zurück. „Jordan, könnte es sein, dass jener Sergeant Crocket derselbe ist, der jetzt diese Bande anführt?“

„Ich kann‘s mir einfach nicht vorstellen, Wash“, sagte Jordan. „Das ist ja schon eine Ewigkeit her. Und es passt auch nicht zu Crocket, wissen Sie? Der war immer impulsiv. Wenn er sich hätte rächen wollen, dann hätte er es sofort getan. Ein paar Tage nach seiner Entlassung wahrscheinlich. Aber ein Mann wie Crocket wartet doch nicht mehr als fünfzehn Jahre, um dann zuzuschlagen.“

„Vielleicht hat er sich verändert, Jordan“, gab Charly zu bedenken. „Vielleicht war die Entlassung ein Wendepunkt. Ein Schock, nach dem alles anders wurde. Außerdem gibt es ein altes Sprichwort: Rache schmeckt am süßesten, wenn sie kalt genossen wird.“

„Da ist was dran, Captain“, sagte Weisman.

„Schön. Nehmen wir mal an, dass es dieser Sergeant Crocket ist. Was nützt uns das?“

Charly zuckte mit den Schultern. „Es klärt zumindest die Frage nach dem Warum.“

„Aber das bringt uns die Rinder auch nicht wieder. Sie wollen uns helfen, Wash, haben Sie eine Idee, wie? Crockets Leute sind überall verteilt. Jedes Mal, wenn meine Männer versuchten, Rinder zusammenzutreiben, wurden sie von den Banditen unter Beschuss genommen. Sie wollen nicht mehr. Haben Sie ein Patentrezept in der Tasche?“

„Nein“, sagte Charly. „Es gibt nur eine Möglichkeit. Ich muss versuchen, an den Boss der Bande heranzukommen. Wenn ich ihn habe, habe ich die anderen auch.“

„Ist das Ihre Rechnung wegen der Kopfverletzung? Hat Crocket sie Ihnen zugefügt?“

„Ich weiß nicht, wie der Mann heißt. Ich kann ihn nicht mal beschreiben“, sagte Charly. „Aber einer aus der Bande ist es. Und das ist für mich schon Grund genug, zuzupacken. Mir schwebt folgendes vor, wie ich mit Ihrer Hilfe und der Ihrer Männer an Crocket herankomme …“

Gespannt hörten die Männer zu. wie Charly aus dem Stegreif einen Plan entwickelte. Sie achteten nicht darauf, was in ihrer Umgebung vorging.

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