Читать книгу Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane - W. K. Giesa - Страница 40
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ОглавлениеEs regnete sich ein. Längst waren die Gefangenen völlig durchnässt. Die Indianer störte es herzlich wenig. Sie hatten sich in den Schutz ihrer Zelte zurückgezogen. Die Feuer waren niedergebrannt. Hier und da zischte noch Glut. Die beiden Wächter, die auf die Gefangenen aufpassten, hatten sich Decken über die Köpfe gezogen. Darunter schienen sie es aushalten zu können. Aus einiger Entfernung kamen muhende Laute.
„Die Hundesöhne haben nicht nur uns gefangengenommen, sondern reißen sich auch die Rinder unter den Nagel“, murmelte Weisman verdrossen.
Charly antwortete nicht. Er lag auf der Seite, fast mit dem Gesicht im nassen Gras, so dass der Regen seine Arme und vor allem die Handgelenke traf … Er roch die nasse Erde. Und er wartete ab. Er fühlte, dass es klappen würde.
Er sah, wie sich neben Weisman eine Pfütze in der Erdmulde bildete, und machte den grauhaarigen Cowboy darauf aufmerksam. „Weisman, versuchen Sie sich so zu drehen, dass Sie Ihre Fesseln in der Pfütze einweichen können!“, raunte er.
Selbst in der Dunkelheit konnte Charly sehen, wie der Cowboy die Augen weit aufriss. „Darauf hätte ich auch kommen müssen. Heiliger Rauch, das muss gehen!“
Charly schätzte, dass noch eine weitere halbe Stunde verging. Es musste schon fast Mitternacht sein. Da endlich hatten sich die Lederriemen, mit denen er gefesselt war, so weit mit Wasser vollgesogen und gedehnt, dass er nach einigen Anstrengungen die Hände frei bekam.
„Geschafft“, flüsterte Weisman im gleichen Moment neben ihm. „Was jetzt?“
Charly sah zu den beiden Indianern hinüber. „Ich rutsche ein Stück rauf, Sie ein Stück runter. Versuchen Sie, die Riemen an meinen Füßen zu lösen.“
„Okay“, sagte Weisman.
Charly wünschte, er hatte sein Messer noch. Aber die Seminolen hatten nicht nur ihm alles abgenommen, das Ähnlichkeit mit einer Waffe hatte. So musste es eben ohne gehen.
Charly spürte, wie der Druck der Fessel nachließ. Weisman hatte sie aufbekommen. Da war aber auch einer der beiden Wächter aufmerksam geworden. Er erhob sich und kam auf die beiden Männer zu. Auch der andere Indianer stand jetzt auf.
Charly schnellte sich blitzschnell hoch und sprang den herankommenden Seminolen an wie eine Katze. Die beiden Körper prallten zusammen. Greller Schmerz explodierte in Charlys Schädel, als seine Kopfwunde sich wieder bemerkbar machte. Aber er schleuderte den Indianer herum. Der stürzte neben Weisman zu Boden. Charly warf sich über ihn und betäubte ihn mit einem Fausthieb.
Der andere Wächter wollte einen Ruf ausstoßen.
Aber Weisman war schneller. Der grauhaarige Cowboy hatte schon in dem Moment, als Charlys Gegner neben ihm auf den Boden prallte, dem Indianer das Messer aus der Lederscheide gerissen und schleuderte es jetzt. Charly sah die blitzende Klinge durch die Luft sirren und treffen. Lautlos brach der Indianer zusammen.
Charly kauerte sich flach auf den Boden.
„Knebeln Sie ihn“, zischte er Weisman zu, „ehe er wieder wach wird und zu schreien beginnt. Ich sehe zu, dass ich das Zelt mit den Waffen finde.“
„Warten Sie, ich komme mit“, murmelte Weisman. In fliegender Hast befreite er seinen Nebenmann, der sich dann um den Seminolen kümmerte.
Nebeneinander huschten die beiden Männer auf das Zeltdorf zu. Charly war über den Regen jetzt heilfroh, so sehr er ihn zu Anfang auch verwünscht hatte. Aber bei diesem Wetter blieben die Indianer in ihren Zelten. Wenn nicht ausgerechnet in diesem Moment eine Wachablösung anstand …
Zwischen zwei Zelten verharrte Charly und stoppte Weisman mit einer raschen Handbewegung. Gut zwei Dutzend Schritte entfernt brannte vor einem Zelt ein kleines Wachfeuer und kämpfte qualmend gegen den Regen an. Charly sah einen Krieger im Zelteingang sitzen. Es war eines der drei Zelte, die als Aufbewahrungsort für die Waffen in Frage kamen.
„Wir müssen von der anderen Seite ran“, sagte Charly leise. Er zog sich zurück, umrundete das Zelt und schlug einen weiten Bogen. Von Weisman sah er nichts mehr. Vorsichtig huschte Charly um das Zelt mit dem einsamen Wächter herum. Er hätte auch versuchen können, von der Rückseite einzudringen, aber es war klüger, den Posten auszuschalten.
Das Rauschen des Regens übertönte seine Schritte.
Von einem Moment zum anderen war er neben dem Krieger am Feuer. Der sah zwar noch den Schatten, aber nicht mehr Charlys heranfliegende Faust. Bewusstlos sank er ins Zeltinnere. Charly huschte sofort hinterher. Plötzlich war auch Weisman wieder da.
„Hier sind wir richtig“, erkannte Charly. Er sah die Gewehre, Messer und Revolvergurte. Seine eigenen Waffen fand er auf Anhieb und nahm sie an sich. Die beiden Männer behängten sich mit Revolvergurten, soviel sie tragen konnten. Weisman klemmte sich fünf Gewehre gleichzeitig unter den Arm, musste dann aber mit der anderen Hand zupacken, um die schweren Waffen nicht zu verlieren.
„Passen Sie auf!“, warnte Charly. „Es darf keine Geräusche geben. Wenn die Seminolen merken, was hier geschieht, überleben wir diese Nacht nicht. Eine zweite Chance werden sie uns nicht geben.“
Weisman nickte. „Bin ja nicht dumm, Wash!“
Sie verließen das Zelt. Sie hatten fast unglaubliches Glück. Unangefochten erreichten sie die anderen Gefangenen. Die Cowboys hatten sich inzwischen gegenseitig befreit. Charly und Weisman verteilten die Waffen. Dann deutete Charly auf Crockets Banditen. „Warum habt ihr sie nicht auch losgebunden?“, flüsterte er.
„Wir lassen sie hier. Die Indianer werden schon wissen, was sie mit ihnen zu tun haben“, erwiderte einer der Cowboys.
Charly schüttelte den Kopf. „Kommt nicht in Frage. Wir werden sie mitnehmen. Bindet ihnen wenigstens die Füße los, damit sie gehen können.“
„Was?“, staunte Weisman. „Diese Strolche auch noch befreien, dafür, dass sie uns überfallen haben?“
„Ich lasse nicht zu, dass die Seminolen sie ermorden“, sagte Charly energisch. „Über ihre Schuld und das Strafmaß soll ein ordentliches Gericht befinden. Los, befreit sie. Immerhin hätten sie uns allen die Flucht verderben können, indem sie Alarm rufen!“
„Oh, wir hätten sie schon geknebelt“, sagte der Cowboy, der zuerst gesprochen hatte.
„Ja, den ersten“, sagte Charly. „Die anderen hätten das ganze Dorf geweckt. Warum sollten sie uns verschwinden lassen, wenn sie selbst dran glauben müssen?“
Das Argument zog. Sie banden die restlichen Gefangenen los. Dann verließen sie alle den Platz und verschwanden in der Dunkelheit. In weitem Bogen umrundeten sie das Zeltdorf und näherten sich den Pferden. Charly achtete darauf, dass sie den Wind gegen sich hatten. So bemerkten die Tiere sie erst, als sie da waren, und vor allem die Indianerponys bekamen keine Gelegenheit, unruhig zu werden, weil sie die Weißen witterten.
Die Pferde wurden nicht bewacht. Angesichts des Regens hatten es die Indianer wohl vorgezogen, im Trockenen zu bleiben. So konnten die Männer ohne große Mühe ihre Pferde nehmen und davonführen. Weisman wollte die Indianerponys verjagen, aber Charly war dagegen. „Wenn sie davonrennen, gibt es Lärm, der das Dorf aufweckt. Und auch wenn wir sofort losreiten, können sie uns noch aus den Sätteln schießen.“
So führten sie ihre Pferde langsam vom Dorf fort, damit der Hufschlag die Indianer nicht aufschrecken sollte. Erst, als sie so gut wie außer Hörweite waren, saßen sie auf und ritten an. Jetzt kam es nicht mehr darauf an, leise zu sein.
Die Cowboys hielten auch die Zügel der Banditenpferde. Crockets Männer konnten nicht entkommen. Die Flüchtigen ritten nach Südwesten. Dort lag Clinton. Dort versprachen sie sich relative Sicherheit.