Читать книгу Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane - W. K. Giesa - Страница 35
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ОглавлениеJesse Calhoun fand seinen Boss und sechs andere Mitglieder der Bande bei einer Herde von etwa achtzig Rindern. Überrascht hob er die Brauen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so viele Tiere zusammenbekommen würden. Für ihn, der von Viehzucht keine Ahnung hatte und der die große Herde nur im Morgengrauen gesehen hatte, waren diese achtzig Longhorns schon eine riesige Herde.
Die Männer wurden auf ihn aufmerksam. Sie hatten sich an einer Stelle versammelt. Nur einer umrundete die Herde unablässig zu Pferde und versuchte sie zusammenzuhalten. Die Tiere waren unruhig. Sie wurden hier festgehalten, wollten sich aber bewegen. Immer wieder hoben sie sie Köpfe, und dumpfes Brüllen ertönte.
Calhoun glitt aus dem Sattel. „Ein Marshal ist hinter uns her“, begrüßte er Crocket. „Einer von Richter Parkers Menschenjägern. Rio Grande Charly.“
Crocket hob die Brauen. „Meinst du den Rio Grande Charly?“
„Es gibt ja nur einen, oder?“ Calhoun erzählte seine Story. Die Männer hörten aufmerksam zu. Hin und wieder schüttelte Crocket den Kopf.
„Ich sollte dich erschlagen, du Narr“, sagte er schließlich. „Du hättest gestern Abend schon zu mir kommen sollen. Jetzt haben wir den Silberstern im Nacken. Zum Teufel!“
„Ich dachte, er sei tot“, rechtfertigte sich Calhoun.
„Das ist eine feine Sache“, knurrte einer der anderen Männer. „Auf der einen Seite die Rothäute, mit denen wir rechnen müssen, auf der anderen Seite die Cowboys und dieser Deputy Marshal. Boss, ich steige aus. Ich mache da nicht mehr mit.“
Crocket fuhr herum.
Ein zweiter Mann stand auf. „Für mich gilt dasselbe, Boss. Unsere Wege trennen sich. Die Sache wird mir zu heiß.“
Crocket biss sich auf die Lippen. Er schüttelte den Kopf. „Ihr könnt nicht einfach aussteigen“, stieß er hervor. „Wer abhaut, ist ein Verräter und Feigling!“ Er legte die Hand an den Revolvergriff.
Da zog der Bärtige blank. Er hatte es Crocket nicht vergessen, dass der ihn zusammengeschlagen hatte. Der Bärtige richtete den Colt auf Crocket und zog den Hammer zurück.
„Fass deine Kanone an, Crocket, und du bist tot“, sagte er.
„Das ist Meuterei“, keuchte Crocket. „Verrat!“ Er sah in die Runde. Jesse Calhoun stand etwas abseits, seine Hand schwebte über dem Revolvergriff. Aber Calhoun ließ nicht erkennen, auf wessen Seite er stand.
„Wir gehen, Boss“, sagte der Bärtige. „Ich pfeife auf das Geld, das du uns versprochen hast. Das sehen wir sowieso nie. Eigentlich bist du der Verräter, Crocket. Du hast uns hereingelegt. Du hast uns das große Geld versprochen, ohne auch nur einen Cent davon in der Tasche zu haben, du Versager. Du hast uns in diese Sache hineingeritten.“
Versager! Es brannte wie ein Peitschenhieb. Crockets Finger zuckten. Alles in ihm schrie danach, den Mann niederzuschießen wie einen tollen Hund, der ihn einen Versager genannt hatte. Aber er starrte genau in die Revolvermündung. Der Bärtige würde auf jeden Fall schneller schießen.
„Lass sie verschwinden, Boss“, sagte eine leise Stimme, wie ein Windhauch. „Wenn sie Angst haben, sollen sie gehen. Warum sollen wir uns gegenseitig erschießen? Das ist sinnlos. Der einzige, der sich darüber kaputt lacht, ist der Marshal.“
Crocket winkelte den rechten Arm etwas ab.
„Verschwindet“, zischte er dem Bärtigen zu. „Und kommt mir nie wieder unter die Augen!“
Die Banditen gingen zu ihren Pferden. Bis zuletzt stand der Bärtige mit dem Revolver im Anschlag da. Erst, als er selbst in den Sattel stieg, schob er die Waffe ins Holster zurück. Im gleichen Moment griff Crocket zum Colt.
Eine Mündung bohrte sich in seinen Rücken.
„Lass es, Boss“, murmelte Calhoun. „Es wäre eine riesige Dummheit“
„Du auch?“, keuchte Crocket. „Du bist auch gegen mich?“
„Nein“, sagte Calhoun. „Ich halte nur nichts davon, wenn wir uns gegenseitig aufreiben.“
Crocket löste die Hand vom Revolvergriff. Wütend sah er zu, wie die Outlaws davonritten. Nur der Mann, der gerade auf der anderen Seite der kleinen Herde war, schloss sich ihnen nicht an. Aber er kam zu Crocket und Calhoun geritten.
„Sie sind abgehauen, wie?“, fragte er. „Was machen wir nun?“
„Du willst dich ihnen nicht anschließen?“, knurrte Crocket verdrossen.
Der Mann, der auf den Namen Josh Shaker hörte, stieg ab. „Wozu?“, fragte er nur.
„Ich denke, wir sollten in der Versenkung verschwinden“, sagte Calhoun. „Dann mag sich der Sternschlepper um die anderen kümmern. Sollen die sich doch gegenseitig fertigmachen. Wir haben den Vorteil davon.“
Crocket presste die Lippen zusammen. „Aber da ist Jordan“, murmelte er. „Dieser verdammte Hund …“
„Du hast ihn ruiniert, Boss“, sagte Calhoun. „Der kriegt seine Herde nie wieder zusammen. Die Indianer sind schließlich auch noch da. Meinst du, die ließen sich diese Gelegenheit entgehen?“
„Bestimmt nicht“, stimmte Shaker zu. Er deutete auf die Herde. „Einmal haben wir‘s ja schon erlebt.“
„Erzähl“, verlangte Calhoun.
Shaker tat ihm den Gefallen. Kaum hatte er geendet, als in der Ferne Schüsse krachten. Calhoun erstarrte. Er konnte zwischen den Schüssen die Angriffsschreie von Indianern hören.
Unheimlich langsam drehte sich Crocket zu ihm um. Der einstige Sergeant starrte Calhoun aus weit aufgerissenen Augen an.
„Die Seminolen – und die Verräter“, stieß er hervor. „Calhoun … Calhoun, hast du gewusst, dass die Indianer kommen würden? Hast du gewusst, dass die Männer ihnen genau in die Arme reiten würden?“ Er packte Calhoun bei den Schultern, schüttelte ihn. „Rede, Mann!“, schrie er.
Calhoun schüttelte den Kopf.
„Gewiss nicht“, sagte er leise. „Aber als vorhin das Stichwort Indianer fiel, habe ich mir so etwas gedacht. Entweder die Indianer oder Rio Grande Charly. Deshalb solltest du sie gehen lassen.“
„Kanonenfutter“, murmelte Crocket. „Kanonenfutter haben wir das im Krieg genannt. Du bist eine eiskalte Ratte, Calhoun.“
„Das hat mir heute schon mal einer gesagt“, erwiderte Calhoun. „Die aufgebrachten Roten haben jetzt die Leute, die sie haben wollen. Lasst uns verschwinden.“
„Aber …“, murmelte Shaker verstört. „Wir … wir können sie doch nicht in den Händen der Indianer lassen! Die bringen sie um! Wir müssen ihnen helfen!“
„Wir drei?“, fragte Calhoun spöttisch. „Wir drei gegen ein ganzes Dorf? Da kannst du dir auch sofort eine Kugel durch den Kopf jagen. Sie hätten ja hierbleiben können. Sie sind selbst schuld, dass sie sich von uns gelöst haben.“
Crocket erschauerte vor der Kaltschnäuzigkeit, mit der Calhoun sprach. Aber er schloss sich dessen Vorschlag an. Zu tief brannte in ihm die Enttäuschung, dass die Männer ihn im Stich gelassen hatten.
„Wir verschwinden“, sagte er.
Sie ließen die Herde zurück.
Mit nur achtzig Rindern konnten sie in Hutchinson nicht viel anfangen. Bis sie dort ankamen, verloren sie bestimmt noch ein Viertel. Der Rest war nicht die Mühe wert.
Es war auch gefährlich, bei den Rindern zu bleiben. Die Indianer würden sie finden, und dann ging es auch den drei Männern an den Kragen.
Es war ein kleiner Trost für Crocket, dass die Seminolen wahrscheinlich keinen Unterschied zwischen seinen Banditen und Jordans Cowboys machen würden. Die Indianer hatten sich nach dem Überfall nicht ängstlich verkrochen, sondern schlugen zurück.
Sie würden keine Gnade kennen. Sie würden jeden angreifen, der sich jetzt hier draußen in der Prärie aufhielt.
Auch Captain Clay Jordan!
Die drei Outlaws ritten davon. Die unruhigen Rinder blieben zurück.
In der Ferne fielen keine Schüsse mehr. Am Kampfplatz war Ruhe eingekehrt.