Читать книгу Rio Grande Charly Sammelband 5 Western Romane - W. K. Giesa - Страница 42
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ОглавлениеNoah Crocket ritt in die Stadt ein. Calhoun und Shaker waren hinter ihm. Crocket verharrte am Ende der Straße. Er sah einen Mann vor dem Sheriff-Office. Der Mann führte eine lautstarke Unterhaltung mit dem Sheriff.
Diese Stimme!
Crocket hatte sie nie vergessen, in all den Jahren. Lange hatte sie ihn selbst im Traum verfolgt.
Jordan! Der Dreckskerl, der dafür gesorgt hatte, dass Crocket vor ein Militärgericht gestellt und unehrenhaft aus der Army ausgestoßen worden war!
Das Brandmal ließ sich nicht mehr entfernen. Es bewies jedem, dass er ein Ausgestoßener war.
Es trug die Schuld daran, dass er niemals wieder zu etwas gekommen war. Das Pech klebte an diesem Brandmal. An diesem Makel. Mit jemandem, den die Armee nicht mehr haben wollte, wollte niemand etwas zu tun haben.
Noah Crocket war in der Gosse gelandet. Und er war nicht mehr herausgekommen. Er war immer unten geblieben, ganz egal, was er versuchte. Niemand wollte ihn anstellen, niemand wollte mit ihm zusammen im Saloon an der Theke stehen. Ohne Arbeit kein Geld. Er musste aber leben. So begann er zu stehlen, was er benötigte. Damit hatte es angefangen. Es ging immer schneller abwärts. Immer tiefer hinab. Bis er die andere Leiter fand. Jene, die ihn Karriere als Bandit machen ließ.
Die Gesetzlosen waren die einzigen, die ihn akzeptierten. Hier zählte nicht die Vergangenheit, sondern die Stärke. Und stark war er geworden. Das Dasein ganz unten hatte ihn gestählt.
Und nie hatte er den Mann vergessen, dem er das alles verdankte. Jordan. Jordan, der nach dem Krieg auf seine Ranch zurückkehrte. Jordan, der immer größer wurde, immer wohlhabender. Sein Geschäft florierte. Er züchtete Rinder, verkaufte sie mit Gewinn, züchtete noch mehr Rinder … was er anfasste, gelang. Crocket hasste ihn mehr denn je, und der brennende Wunsch in ihm wurde immer stärker, Rache zu nehmen und Jordan, den Erfolgreichen, in den Abgrund zu stürzen. Hinab in Dreck und Armut, die Crocket so lange auskosten musste.
Und jetzt hatte er es fast geschafft. Er hatte Jordan ruiniert. Aber was nützte es ihm? Er konnte Jordan nicht demütigen, indem er die Früchte seiner Arbeit erntete. Mit zwei Männern brachte er die Herde nie mehr zusammen. Er konnte Jordan nicht einmal mehr daran hindern, die Herde wieder zusammenzutreiben und nach Kansas zu bringen.
Die Indianer verdrängte er in diesem Moment aus seinen Gedanken. Da war unbändiger Hass auf Jordan, und der Wunsch, ein Ende zu machen. Er riss das Gewehr hoch, zielte auf Jordan und schoss.
Jordan wurde gegen die Tür geschleudert, sank zusammen. Die zweite Kugel verfehlte ihn wohl. Crocket schoss abermals.
Da tauchte oben am Fenster ein Revolver auf und spie Feuer und Blei. Der Sheriff schoss auf Crocket.
Aber sein Colt trug nicht so weit.
Jesse Calhoun feuerte jetzt ebenfalls aus seinem Gewehr und zwang den Sheriff in Deckung zurück.
Als Crocket wieder nach Jordan suchte, sah er den Rancher nicht mehr. Der war vom Stepwalk verschwunden.
In der Tür des Saloons tauchten ein paar Männer auf. Die Schüsse hatten sie herausgelockt. Josh Shaker trieb sie mit einer paar Kugeln aus seinem Revolver in den Saloon zurück. Crocket gab seinem Pferd die Sporen. Er jagte zum Office hinüber. Dort flog die Tür auf. Der Sheriff tauchte auf.
„Die Waffe weg!“, schrie er.
Crocket schwenkte das Gewehr und gab einen ungezielten Schuss ab. Der Sheriff schoss zurück. Crockets Pferd stoppte, als sei es vor eine Mauer gerannt, und brach zusammen. Der Outlaw konnte gerade noch die Stiefel aus den Steigbügeln reißen und ab springen. Er rollte durch den Schlamm der Straße. Da sah er unter dem Stepwalk eine dunkle Gestalt.
Jordan!
Crocket hatte das Gewehr fallen lassen müssen. Es lag irgendwo im Schlamm neben dem toten Pferd. Crocket zog den Revolver und schoss. Zwei Kugeln jagte er in die Richtung Jordans, dann erwischte ihn ein Schuss des Sheriffs und schrammte zwischen Oberkörper und linkem Arm entlang.
„Hierher, Boss!“, hörte er Calhoun schreien. Wieder krachten Gewehrschüsse und trieben den Sheriff in Deckung zurück. Crocket rannte. Er näherte sich dem Saloon. Rechts und links neben der Tür kauerten Calhoun und Shaker und feuerten zum Office hinüber.
„Wir kommen hier nicht mehr weg, Boss“, keuchte Shaker. Er drehte sich halb zu den Schwingtüren und stieß den Gewehrkolben nach oben. Er schleuderte einen Mann zurück, der gerade nach draußen stürmen wollte, um in den Kampf einzugreifen.
Von der Seite her tauchten weitere Männer auf. Jordans Cowboys. Die drei Männer hatten das Haus von der Seite her verlassen und wollten die Banditen in die Zange nehmen. Immer wieder blitzten die Mündungsflammen vor den Revolvern auf. Jetzt wurde es verdammt heiß.
„Wir kommen weg“, keuchte Crocket. „Verlasst euch darauf!“
Er hechtete durch die Pendeltüren in den Saloon hinein. Mit ein paar weiten Sprüngen war er am Tresen. Damit hatte wohl keiner der Anwesenden gerechnet. Crocket sah, dass eines der Mädchen in seiner Nähe stand. Er packte zu, zerrte das Girl zu sich heran und hielt es eisern fest. Die Coltmündung lag am Kopf des Mädchens.
„Aufhören!“, schrie Crocket. „Keiner rührt sich, oder das Girl bekommt eine Kugel!“
Schlagartig wurde es still.
Lähmendes Entsetzen packte die Männer und Mädchen. Eines der Girls kreischte auf, verstummte aber sofort wieder.
Calhoun und Shaker kamen jetzt ebenfalls herein. Die Anwesenden wichen vor den Revolvern und Gewehren zurück. Ein freier Raum entstand.
„Ihr hattet draußen bleiben sollen, ihr Narren“, murmelte Crocket. „Warum kommt ihr herein?“
„Meinst du, wir wollen uns draußen abknallen lassen wie die Hasen? Die halbe Stadt ist inzwischen auf den Beinen“, sagte Shaker schrill.
Draußen ertönte die Stimme des Sheriffs.
„Gebt auf, Männer! Werft die Waffen weg und kommt mit erhobenen Händen nach draußen!“
„Wir denken gar nicht daran!“, schrie Crocket. „Ich habe eines von den Saloon-Girls vor der Mündung. Verschwindet, oder die Kleine stirbt! Verschwindet alle! Raus aus dem Saloon, und weg von der Straße! Sofort!“
Die Leute im Saloon gehorchten murrend. Was blieb ihnen für eine Wahl?
„Weg von der Straße!“, befahl Crocket wieder. „Lasst uns gehen!“
„Ihr kommt nicht lebend aus der Stadt!“, sagte Sheriff Daniels draußen. „Ihr habt ausgespielt!“
„Dann stirbt das Mädchen!“
„Gebt auf!“, sagte Daniels rau. „Wenn ihr das Mädchen umbringt, landet ihr am Galgen. Überlegt es euch! Ihr kommt hier nicht mehr weg!“
„Willst du das Girl auf dem Gewissen haben, Sheriff?“, keuchte Crocket.
„Lass das Girl laufen und komm raus! Ihr alle drei!“, wiederholte Daniels. „Das ist die einzige Chance, die ihr habt. Kommt ihr bewaffnet und mit dem Mädchen vor der Mündung, seid ihr dran! Dann rettet euch nichts mehr!“
„Willst du‘s darauf ankommen lassen, Sheriff?“, keuchte Crocket durch die offene Tür.
Jordan tauchte hinter dem Sheriff auf. Auch er hatte die Stimme erkannt, und als er über die Schulter des Sheriffs in den Saloon sah, erkannte er Crocket im Licht. Er stieß pfeifend die Luft aus den Lungen.
„Gehen Sie darauf ein, Daniels“, murmelte Jordan. „Ich kenne den Mann. Er ist zu allem fähig!“
Daniels schüttelte den Kopf.
„Ich auch“, sagte er rau. „Dies ist meine Stadt, und ich lasse mich nicht von einem Banditen erpressen.“
Drinnen war das Mädchen totenbleich geworden und einer Ohnmacht nahe. Und dann – dann kam die panische Angst, als sie Jesse Calhoun sah und er sie wiedererkannte.
„Patsy“, sagte er krächzend. „Welche Überraschung!“