Читать книгу Heimat-Roman Extra Großband 6 Romane Juni 2017 - A. F. Morland - Страница 28
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ОглавлениеEinige Stunden waren vergangen. Inzwischen hatte sich tiefe Dunkelheit über die Bergwelt gesenkt und das schlimme Wetter schien endlich etwas nachgelassen zu haben.
Der Riedlinger stand stumm am Fenster und blickte hinaus, während die Franziska am Tisch saß und vor sich hin grübelte.
"Mei, ich hoffe wirklich nur, dass der Toni net da draußen ist", sagte sie dann irgendwann in die Stille hinein. Eine ganze Weile lang hatten sie gar nicht gesprochen.
"Machst dir immer noch Gedanken, Madl?", fragte der Riedlinger.
Die Franziska seufzte.
"Ja, freilich! Und wenn er wirklich da draußen ist, dann bin ja auch gewissermaßen mitschuldig..."
"Schmarrn!", schimpfte der Riedlinger. "Der Toni ist ja kein Kind!" Und dann zogen sich plötzlich seine Augenbrauen zusammen. "Da draußen ist jemand!", stellte er dann fest, während die Franziska aufsprang.
"Wer, Vater?"
Der Riedlinger gab keine Antwort, sondern ging zur Tür, um sie zu öffnen.
Ein Mann blieb in einiger Entfernung stehen. Das Licht, das aus dem Haus nach draußen schien, fiel in sein Gesicht.
"Bachsteiner!", flüsterte der Riedlinger und seine Stimme klang fast eisig dabei.
Die Franziska, die hinzugeeilt war, erschrak ein wenig, denn so hatte sie ihren Vater noch nie gehört.
Der Riedlinger schluckte und atmete dann erst einmal tief durch, so als müsste er sich Luft machen.
"Was ist?", fragte die Franziska ungeduldig. "Willst den Bachsteiner net hereinbitten? Er ist doch ganz durchnässt! Mei, Vater, was ist denn los?"
Endlich löste sich die Starre, in der der Riedlinger gefangen war.
"Komm 'rein, Bachsteiner!", rief er.
"Grüß dich, Riedlinger! Ich will dir net zur Last fallen, und ich bin auch nur wegen dem Toni hier..."
Loisl Bachsteiner trat ein und der Riedlinger schloss die Tür hinter ihm.
"Dein Sohn ist net hier!", sagte der ehemalige Bergführer dann ruhig. "Er wird sicher längst daheim sein - wo immer das jetzt auch sein mag! Bei dir oder auf dem Großmayer-Hof!"
Doch der Bachsteiner schüttelte energisch den Kopf. "Auf dem Großmayer-Hof ist er net, Riedlinger!", erklärte er. "Und bei uns auf dem Bachsteiner-Hof, da würde er sich im Augenblick wohl kaum blicken lassen."
"Was?", mischte sich die Franziska ein. "Er ist net zum Großmayer-Hof zurückgekehrt.“
Der Bachsteiner drehte sich zu dem Madl herum, musterte es einen Augenblick lang und schüttelte dann den Kopf.
"Na", sagte er dann leise. "Ich komme gerade von dort, weil ich mich mit ihm hab aussprechen wollen... Auf dem Großmayer-Hof meinte man, dass er unterwegs hier her gewesen sei!"
"Mei, dann ist es gewiss!", rief die Franziska.
Der Bachsteiner runzelte die Stirn.
"Ich verstehe nix! Wovon sprichst du, Madl?", fragte er und hob dabei die Schultern.
Der Bachsteiner sah erst die Franziska und dann ihren Vater an, der leicht nickte.
"Da droben ist er, unterwegs zur Felsenkanzel!", war die Franziska nach wie vor überzeugt. "Und vielleicht ist er sogar in Bergnot geraten!" Sie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und schluchzte. "Mei, net auszudenken, wenn es einen Erdrutsch gegeben hat..."
"Kruzifix nochmal, man muss ja net immer gleich mit dem Schlimmsten rechnen!", meinte der Riedlinger, der ganz einsilbig geworden war.
"Der Toni wäre längst zurückgekehrt, wenn nix passiert wär'!", erwiderte die Franziska. "Und wenn du ihn net suchen willst, Vater, dann werd ich es allein tun!"
Nun war es also heraus!
Vater und Tochter wechselten einen langen Blick miteinander, dann nickte der Riedlinger schließlich.
"Bevor ich das zulass', werd' ich mich auf den Weg machen!", erklärte er.
"Und ich werd auch dabei sein!", beharrte die Franziska eindringlich. Ihre schlanken Arme stemmte sie dabei energisch in die Hüften. "Wenn dem Toni wirklich etwas passiert ist, dann kannst du jeden Arm gebrauchen, der dir hilft!"
Der Riedlinger schien kurz zu überlegen und dann zu dem Schluss zu kommen, dass es ohnehin nicht viel Zweck haben würde, seiner Tochter das ausreden zu wollen.
"Gut", sagte er daher und wandte sich anschließend an den Bachsteiner. "Was ist?", fragte er. "Willst nach langer Zeit einmal wieder mit mir auf die Suche nach einem Verschollenen gehen, Bachsteiner-Loisl?"
Der Bachsteiner sah dem Riedlinger in die blauen Augen und seine Gedanken gingen dabei viele Jahre zurück.
Er dachte an jene Nacht, in der sie seinen Bruder gesucht und später nur noch tot gefunden hatten...
Damals hatte ein noch weitaus schlimmeres Unwetter in den Bergen gewütet.
Das Gesicht des Bachsteiners verfinsterte sich zusehends.
Schließlich sagte er zum Riedlinger: "Ich hoffe, dass wir diesmal erfolgreicher sein werden, als damals!"