Читать книгу Heimat-Roman Extra Großband 6 Romane Juni 2017 - A. F. Morland - Страница 39
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ОглавлениеDie Tage gingen einer wie der andere ins Land. Der Wirt der GOLDENEN GAMS wurde zu Grabe getragen und da ganze Tal trauerte um den Xaver Niedermayer, der Zeit seines Lebens immer viele Freunde in der Gegend gehabt hatte.
Wer das Lokal indessen erben sollte, blieb nach wie vor offen. So sehr die Sepha auch herumgesucht hatte, ein Testament oder dergleichen war nicht aufgetaucht.
"Es muss eines geben", hörte die Marianne sie einmal zu sich selbst sagen. "Es muss einfach! Es kann doch net sein, dass ich mich hier ganz umsonst geplagt hab!"
Das ließ das junge Madel aufhorchen.
Bisher hatte Marianne immer gedacht, dass die alte Sepha das aus reiner Menschenfreundlichkeit getan hatte. Und zu ihrem Nachteil war es ja auch nicht gewesen, schließlich hatte sie in der GOLDENEN GAMS wohnen können, denn in ihrer vorherigen Bleibe hatte sie nicht länger sein können.
Mei, wie man sich doch täuschen kann, dachte die Marianne, als die alte Sepha in den nächsten Tagen ihr hartes Gesicht zeigte.
Sie scheuchte die Marianne umher, meckerte an allem herum, redete ihr in alles herein und war mit nichts von dem zufrieden, was das Madel tat.
Und wenn die Marianne dann etwas erwiderte, bekam sie nur zu hören: "Mei, wenn es dir hier halt net mehr passt, dann such dir halt eine andere Stelle!"
Gereizt und bösartig wurde die Sepha. Die Ungewissheit darüber, was mit dem Erbe des Niedermayers nun geschehen würde, schien die alte Frau ganz narrisch zu machen.
Vielleicht liegt es daran, dass sie mit der neuen Lage einfach nicht fertig wird, versuchte die Marianne das ungewohnte Verhalten zu entschuldigen.
Aber es fiel dem Dirndl immer schwerer, Verständnis für das Verhalten der Älteren aufzubringen.
Insgeheim überlegte sie schon, ob es nicht vielleicht wirklich das Beste war, sich etwas anderes zu suchen.
Ein paar Tage später tauchte dann ein junger Mann in der GOLDENEN GAMS auf, der sich unter dem Namen Raimund Wiesner in das Gästebuch eintrug.
Er hatte helles Haar und ein freundliches Lächeln um die Lippen.
Mei, dachte die Marianne. Ein Stadtbursche halt. Keiner nach ihrem Geschmack, so hatte sie schon auf den ersten Blick für sich entschieden.
"Wollen Sie für länger hier Urlaub machen?", fragte das Madel den Wiesner-Raimund, um etwas Konversation zu machen.
Raimund nickte.
"Ja, ich denke schon."
"Es gibt hier in der Nähe einen guten Bergführer, den ich Ihnen nur empfehlen kann - falls Sie ein Kletterer sind!"
Der Wiesner-Raimund lächelte.
"Ich bin ein Kletterer", gab er zu. Das war allerdings für die Marianne auch nicht schwer zu erraten gewesen, schließlich hatte das Madel einen Blick auf das Gepäck geworfen, das der junge Mann mit sich führte.
Und die Kletterschuhe, die er am Griff seiner Tasche festgebunden hatte, ließen kaum einen Zweifel zu.
"Dann gehen Sie am besten zum Krönacher-Peter. Das ist wirklich ein guter Bergführer. Auch für fortgeschrittene Ansprüche..."
"Danke", sagte der Fremde. "Aber sei doch net so förmlich, Madel! Wir sind doch in einem Alter! Ich bin der Raimund!"
Aber das ging der Marianne dann doch zu weit. Wenn sie ihm jetzt den kleinen Finger gab, wollte er am Ende gleich die ganze Hand.
"Hier sind Ihre Zimmerschlüssel, Herr Wiesner", sagte Marianne also und gab dem Fremden die Schlüssel.
"Danke", nickte der Fremde. "Mei, wie läuft denn das Geschäft so?"
"Ich weiß net, was das eigentlich Sie interessiert, Her Wiesner", erwiderte die Marianne kühl.
Raimund Wiesner zuckte die Schultern.
"Es interessiert mich halt..."
"Ob Sie es nun glauben oder net, aber ich lass mich net so gerne ausfragen", versetzte das Madel und ließ den etwas verdutzten Wiesner damit einfach stehen.
Dieser zuckte anschließend nur mit den Achseln und schickte sich an, die Treppe hinaufzusteigen, um zu seinem Zimmer zu gelangen.
Ein einfaches Zimmer war es, aber nett hergerichtet. Der Wiesner war zufrieden.
Er setzte sich auf das Bett und atmete tief durch. Der Xaver Niedermayer, dem die GOLDENE GAMS gehört hatte, war sein Onkel gewesen. Allerdings hatte der junge Mann erst recht spät von dem Tod seines Onkels erfahren. Daraufhin war er gleich hier geeilt.
Schließlich war er wohl der einzige Verwandte, den der Niedermayer gehabt hatte, auch wenn der Kontakt zwischen den beiden schon vor Jahren abgerissen war.
Also würde die GOLDENE GAMS wohl an ihn fallen.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie man ein Wirtshaus mit Hotelbetrieb zu führen hatte. Für ein paar Jahre war er in der Welt herumgezogen und hatte dabei auch in Hotels gearbeitet. Als Tellerwäscher oder Gepäckträger zumeist. Nie hätte er auch nur zu träumen gewagt, dass ihm eines Tages mal ein solcher Betrieb gehören sollte. Und er wusste auch noch nicht so recht, was er mit der GOLDENEN GAMS am Ende wirklich anfangen sollte.
Vielleicht war es das beste, das Wirtshaus einfach meistbietend an jemanden zu verkaufen, der Ahnung von diesem Gewerbe hatte!, dachte der Wiesner bei sich.
Zumindest wollte der junge Mann sich erst einmal etwas umschauen, bevor er sich als der Erbe des Niedermayers zu erkennen gab. Denn sobald das jemand im Tal mitbekam, da war der Raimund sich sicher, würde niemand ihm noch unbefangen gegenübertreten.
Mei, ich werde es der Zeit überlassen, was geschieht, entschied Raimund. Ob er nun hier sesshaft werden und der Wirt von der GOLDENEN GAMS werden oder mit einem Batzen Geld, den ein Verkauf bringen konnte, weiterziehen würde...
Ein schönes Wirtshaus ist es ja, ging es dem jungen Mann durch den Kopf. Er stand auf und ging zum Fenster. Sein Blick ging verträumt über das imponierende Bergpanorama. Sie waren schon beeindruckend, die schneebedeckten Gipfel und schroffen Felswände...
Und darüber ein klarer blauer Himmel, von dem die Sonne herabschien.
Aber es war beileibe nicht nur das Wirtshaus, was ihm hier gefiel.
Nein, da war noch etwas anderes, das er nicht vergessen konnte und ihm immer wieder vor dem inneren Auge stand. Und das war die Marianne. Ein bisschen kratzbürstig vielleicht, dachte er. Aber das würde sich mit der Zeit sicher noch ändern.
Sicher, sie hatte dem Raimund erst einmal einen regelrechten Korb gegeben. Aber der junge Mann dachte nicht im Traum daran, so schnell aufzustecken und das Spiel verloren zu geben.
Ein Madel, in das man sich richtig verlieben könnte..., so ging es ihm durch die Gedanken. Das Madel war allerdings auch ein weiterer Grund dafür, sich nicht allzu bald als Erbe des Niedermayer-Xavers zu erkennen zu geben. Nein, dachte Raimund.
Wenn, dann will ich ihr Herz auf ehrliche Weise erringen, ohne damit locken zu müssen, dass ich der Besitzer der GOLDENEN GAMS bin!